Angeblich wurde ich in den 60er Jahren in einem kleinen Dorf in Bayern geboren, wog 3643 Gramm und sei angeblich gesund gewesen. Mein Vater kam aus Rom, meine Mutter aus diesem Kuhdorf. Das hat mich damals noch nicht verwundert, denn es gab in meine Welt noch nichts anderes als dieses Dorf. Und die Hoechst AG. Die hatte in unmittelbarer Nachbarschaft eine chemische Produktionsstätte. Die Folgen davon waren, dass ein jeder Arbeit hatte, einen Schrebergarten besaß für die Zeit nach dem Feierabend und dem Abendessen um 15 Uhr 30. Und dass die Pflanzen dort gelb waren. Meistens, aber grundsätzlich immer bei Westwind. Seitdem hege ich wohl eine gewisses Misstrauen gegenüber allem, das aus dem Westen kommt.
Später dann, als einige meiner Schulkameraden sehr jung an Krebs verstorben waren, und ich aufgrund ständiger Magenschmerzen dem Trinken von Frischmilch entsagt habe und ohne den Umweg über Bier bei Rotwein und Wodka gelandet bin, schloss die Fabrik. Es wunderte uns, weil angeblich keine Giftstoffe austreten konnten. Was noch verwunderlicher war, war der Umstand, dass plötzlich die Nachbarn arbeitslos waren. Und nicht mehr nur die sogenannten Zigeuner und Asozialen. Ein Zigeuner war im Jargon der 60er jemand mit langen Haaren, so wie mein Vater. Also jemand ohne Stahlhelmfrisur. Das dauerte aber nur bis 1968, denn dann hatten die eigenen Kinder wirklich lange Haare und allmählich verschwand der Zigeuner und wurde in unserem Fall ersetzt durch Ittakka. Der Asoziale war übrigens jemand, der nicht arbeitete und von staatlicher Zuwendung wie zum Beispiel Kindergeld lebte. Auch dieses Wort verschwand, als man sich öffentlich mehr und mehr mit dem beschäftigte, was einen Politiker so ausmachte.
Die Schrebergärten fielen an die Bauern im Dorf zurück, die bis dahin die Ärmsten waren, da sie nur Äcker und Kinder besaßen. Aus den Äckern wurde Bauland und aus den Kindern Erben. In den 70er Jahren wurden die Straßen asphaltiert. Gierig haben wir die Dämpfe eingesogen, bis sich alles drehte im Kopf. Es verschwanden die Schweine und Rinder auf den öffentlichen Wegen. Dafür kamen Polizeistreifen, die nach Terroristen suchten. Bei uns. In unserem Kuhdorf. Und das Rote Kreuz mit ihren Aufrufen zum Blutspenden. Angeblich wegen der terroristischen Anschläge. Nicht wegen den Opfern der Hoechst Ag, die sich bis dahin organisiert hatten. Das war auch neu, dass man sich gemeinsam für etwas einsetzt. Und nicht nur gegen etwas ist.
Das Abendessen gab es immer noch um 15 Uhr 30, also zu einer Uhrzeit, wo wie gerade das Mittagessen beendet hatten. Als eine Diskothek Einzug gehalten hat in unser Dorf und ich immer noch Magengeschwüre hatte und darüber hinaus noch eine Allergie gegen angebliche Fakten entwickelt hatte, entschied ich mich, etwas dagegen zu tun: ich lernte die Welt kennen, so wie ich sie in meinem ersten Diskothekenbesuch vorgestellt hatte. Und ich lernte kochen, um wenigstens etwas Anständiges zu essen zu haben. Falls nichts mehr bleiben sollte. Mit zweifelhaftem Erfolg: meine Magengeschwüre sind verschwunden, aus der Hoechst AG wurde Aventis, die Bauernsprößlinge haben das Erbe in Mallorca oder am Neuen Markt verpulvert oder sich erschossen, aber die Angeblichkeit wuchert weiter und nistet sich überall ein.
So ist DarkKnight hier entstanden. ----------- angelam, Du bist sooo süß, ich hab Dich lieb
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