Minipreneure – Hartz V mit viel heißer Luft
Wer es gut mit Hartz meint, sieht in ihm einen Idealisten. Wer es jedoch weniger gut mit dem Mann meint, dessen Name untrennbar mit den Arbeitsmarktreformen verbunden ist, die Millionen Menschen in die Armut schickten, sieht in Hartz einen Überzeugungstäter. Abgeschieden von der Öffentlichkeit entwickelte der vorbestrafte Saarländer nun im stillen Kämmerlein ein arbeitsmarktpolitisches Konzept, mit dem er seinen beschädigten Ruf wiederherstellen will.
Um Langzeitarbeitslose fit für den Job zu machen, hat Hartz ein mentales Coaching entworfen, das er mit dem Kunstwort "Polylog" versehen hat. Derartige Neologismen und Euphemismen ziehen sich auch gnadenlos durch die gesamte Konzeptbeschreibung. Schon der Titel "Minipreneure" klingt eigenwillig wolkig – Kleinstunternehmer, gab es das nicht schon bei den Ich-AGs? Erwerbslose in das kalte Wasser der Selbstständigkeit zu werfen, ist allerdings nicht die Kernforderung von Minipreneure. Der Langzeitarbeitslose soll vielmehr Unternehmer in eigener Sache sein und sich in betreuten Selbsthilfegruppen fit für die Reintegration in Arbeit und Gesellschaft machen.
Das klingt nicht nur nach dem Konzept der "Anonymen Alkoholiker", es folgt auch den gleichen Mustern wie die Selbsthilfegruppen für Suchtkranke. Geleitet wird das Kolloquium der "Anonymen Arbeitslosen" von einem der ihren – einem Langzeitarbeitslosen, der die soziale Immigration erfolgreich überwunden hat und seinen "Artgenossen" nun als A-Trainer Hilfestellung gibt, es ihm gleich zu tun. Minipreneure sieht vor, dass Langzeitarbeitslose durch ein erfolgreiches Absolvieren der zwei Jahre dauernden Schulung die Qualifikation erwerben, selbst A-Trainer zu werden.
Welch fantastische Perspektive – Minipreneure als selbsterhaltendes System mit hoch motivierten Coaches, die ihren Gruppenteilnehmern beibringen, selbst einmal ein Coach zu werden, der andere Gruppenteilnehmer motiviert. Solche "Tschaka-Tschaka-Rituale" kennt man ansonsten eher aus dem Bereich des Strukturvertriebs, bei dem die Funktion der künftigen Verkäufer vor allem darin besteht, riskante Anlageformen und Nonsense-Produkte in ihrem näheren Umfeld zu verkaufen.
Was sollen Langzeitarbeitlose eigentlich von Peter Hartz lernen?
Damit die Arbeitslosen nicht unter sich bleiben und auf dumme Gedanken kommen, sollen die Polylogs auch von "gestandenen" Personen aus Wirtschaft und Gesellschaft begleitet werden. Für die Motivation eines Langzeitarbeitslosen sei nichts besser, als das Coaching eines gestandenen Handwerksmeisters. Was aber soll so ein gestandener Handwerksmeister einem Langzeitarbeitslosen denn erzählen? Früh aufstehen, früh zu Bett gehen, die Finger vom Alkohol lassen und so tun, als hätte man Arbeit?
Das hilft dem 55jährigen ehemaligen Straßenbauarbeiter, der aufgrund seines kaputten Rückens keinen Job mehr bekommt, auch nicht weiter. Ein solcher Erwerbsloser weiß nur zu genau, was Arbeit ist – wahrscheinlich sogar besser als Peter Hartz, der die Blüte seines Lebens in weichen Chefsesseln verbrachte.
Ist es für eine ehemalige Friseuse wünschenswert, fest daran zu glauben, sie hätte als Mediengestalterin eine Zukunft, nur weil sie sich ja von Berufswegen mit Farben auskennt? Das Finden verborgener Talente ist eine der Kernaufgaben des Minipreneur-Prinzips. Hartz nennt hier beispielsweise den ehemaligen Konditor, der aufgrund einer Mehlstauballergie seinen Beruf aufgeben musste. Einen möglichen Erfolg der Selbstfindungsgruppe sieht Peter Hartz in diesem Falle in der Erkenntnis, dass unser Konditor aufgrund seines erlernten Berufes über ausgeprägte feinmotorische Fähigkeiten verfügt und sich nun als potentieller Lackierer auf dem Arbeitsmarkt anbietet. Geradeso, als gäbe es keine arbeitslosen Lackierer, die erfolglos eine Bewerbung nach der anderen schreiben.
Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben hochqualifizierte Fachkräfte. Die Vermittlung dieser Qualifikationen ist jedoch ein Bereich, der selbst für anerkannte Bildungsträger ein Problem ist – vor allem dann, wenn die Erwerbslosen aus Bereichen kommen, für die es keine naheliegende Fortbildungsmaßnahme gibt. Diesen Anspruch haben Hartz' Selbsthilfegruppen allerdings auch gar nicht. Wohl wissend, dass die Minipreneure auf dem regulären Arbeitsmarkt fast keine Chance haben, sieht Hartz in der Selbstständigkeit einen Königsweg aus der Arbeitslosigkeit. So schreibt er über selbstständige Subunternehmer in den Handwerksberufen, die einem Handwerksmeister bei Bedarf mit Hilfsarbeiten zur Hand gehen. Die Handwerkskammern und die IG Bau werden sicher vor lauter Freude Luftsprünge machen – "selbstständige" Bauhelfer untergraben nicht nur den Mindestlohn, sie führen auch die Handwerksordnung ad absurdum.
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