Infomatec erneut im Zwielicht
von Stefan Riedel [30.08.00, 14:50]
Das Infomatec-Führungsduo Alexander Häfele und Gerhard Herlos darf sich warm anziehen. Mit den heute veröffentlichten Geschäftszahlen ist auch dem allerletzten Anleger klar geworden, dass das Augsburger Unternehmen tiefrote Zahlen schreibt und es keinerlei Indizien gibt, dass sich diese Misere auf absehbare Zeit ändert. Das Zahlenwerk für das erste Halbjahr 2000 spricht eine deutliche Sprache. Der Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr von 7,5 Millionen auf 15,4 Millionen Euro. Die Umsatzprognosen für das Gesamtjahr wurden von 100 Millionen Euro auf 50,1 Millionen Euro drastisch nach unten korrigiert. Damit aber nicht genug. Seit heute ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Infomatec-Vorstände. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre hat Strafanzeige wegen unwahrer Aussagen in Ad-hoc-Meldungen gestellt. Zudem soll sich das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel mit dem Fall befassen. Es gilt zu prüfen, ob die beiden Vorstände offensichtlich verfälschte Darstellungen der wahren Unternehmenssituation dazu genutzt haben, um Aktienpakete aus ihrem Bestand zu verkaufen.
Anlass für diesen juristischen Schritt war die Umsatzwarnung von gestern Abend. Darin räumte die Infomatec-Führung ein, in einer Pflichtveröffentlichung vom 13. September 1999 die Öffentlichkeit nicht richtig informiert zu haben. Stein des Anstoßes ist ein angeblicher Großauftrag der US-Firma Global Wellcome im Volumen von 55 Millionen Mark. Jetzt rudert Infomatec zurück und betont, dass es sich damals um eine Absichtserklärung gehandelt habe mit dem Ziel, bis zu 100.000 Surfstations von Infomatec gemeinsam zu vermarkten. Von einem im vorab fixierten Ordervolumen, wie vor einem Jahr formuliert, also keine Spur.
Es ist nicht das erste Mal, dass es Infomatec mit dem Wahrheitsgehalt der Ad-hoc-Mitteilungen nicht so genau nimmt. Ehemalige Mitarbeiter erinnern sich gegenüber BÖRSE ONLINE daran, dass Produkte schon einmal als geschäftsbelebend angepriesen werden, ehe sie den Status der Marktreife erlangt haben. Ähnliches passiert im Hinblick auf die Kundenreferenzen. Vermeintliche Geschäftspartner wie etwa der Elektronikkonzern Siemens gaben auf Nachfrage an, mit Infomatec keine Geschäftsbeziehungen zu unterhalten.
Auch in anderen Fällen hat Infomatec Millionenaufträge als "geordert" oder "fest bestellt" angegeben, ohne dass die definitive Abwicklung des angegebenen Auftragsvolumens sichergestellt war. Ein Artikel in einer Computer-Fachzeitschrift brachte vor einer Woche weitere Ungereimtheiten ans Licht, mit denen die Infomatec-Vorstände Häfele und Herlos die Öffentlichkeit im Hinblick auf vermeintliche Großaufträge täuschen wollten. Im Mittelpunkt stand ein Auftrag von Mobilcom aus dem Jahr 1999. Nach Infomatec-Lesart orderten Schmid & Co. 100.000 Surfstations des Typs JNT, eine Set-Top-Box, die Internet und Fernseher verbinden soll. Tatsächlich nahm Mobilcom lediglich 14.000 Geräte ab, was Infomatec dazu veranlasste, den Deal von 1999 posthum als Rahmenvertrag darzustellen. Als Schuldiger wurde die PR-Abteilung im eigenen Haus ausfindig gemacht, die den Inhalt der damaligen Vereinbarung nicht sorgfältig formuliert haben soll.
Die jüngsten Vorgänge sind der unrühmliche Höhepunkt einer Geschäftsstrategie, als deren treibende Kraft Häfele selbst gilt. Das Unternehmen, das ursprünglich Warenwirtschaftsysteme entwickelte und als Implementierungspartner von SAP arbeitete, verstand es, zum Börsengang vor gut zwei Jahren sowohl Analysten wie Wirtschaftsprüfer mit seinen Visionen zu blenden. Ein Großteil der Emissionserlöse, so tönte Häfele, würde in die Entwicklung von Produkten in und um das Web fließen. Das verlieh der Aktie die nötige Kursphantasie, zumal in der damaligen Börsenhype noch alles gekauft wurde, was mit dem Zauberwort Internet assoziiert wurde.
Im damaligen Überschwang versuchte Infomatec, auch die Stadt Augsburg für sich zu begeistern. Nach dem Motto "Gebt uns ein billiges Grundstück und wir bauen Euch eine Gründerbude für den Hightech-Standort Augsburg" sollten die Stadtoberen vom "Lech Valley"-Konzept überzeugt werden. Die Idee fand Anklang, allerdings zogen es Stadt und kommunale Wirtschaftsverbände vor, mit der Leitung und Umsetzung des Projekts eine andere Gesellschaft zu beauftragen. Infomatec soll lediglich als einer von vielen Nutzern des zukünftigen Technologieparks mit von der Partie sein.
Anlass zur Kritik gibt auch die Öffentlichkeitsarbeit der Geschäftsführung. Die eigentlichen Geschäftsstrukturen gelten für Außenstehende als wenig durchschaubar. Dementsprechend undurchsichtig ist auch die Geschäftsstrategie. Vor diesem Hintergrund ist es mehr denn je unklar, wie Aktienkurs, Firmenimage und insbesondere die Geschäftszahlen sich von den jüngsten Rückschlägen erholen können. In Anbetracht dieser düsteren Perspektiven korrigiert BÖRSE ONLINE die bisherigen Gewinnschätzungen nach unten. Für das Jahr 2000 gehen wir von einem Verlust von 1,50 Euro pro Aktie, für 2001 von minus 1,00 Euro pro Aktie aus. Anleger sollten um die Infomatec-Aktie einen weiten Bogen machen.
Aus BÖRSE_ONLINE MFG H.B.
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