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Putzen statt Stempeln

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neuester Beitrag: 17.02.04 08:16
eröffnet am: 15.02.04 16:32 von: Major Tom Anzahl Beiträge: 43
neuester Beitrag: 17.02.04 08:16 von: Schmus Leser gesamt: 4940
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16.02.04 10:44

7336 Postings, 8062 Tage 54reabweshalb sollten sozialhilfeempfänger

(respektive arbeitslosengeld II) nicht arbeiten. ich kenne einige europäische länder, wo das so ist und die wirklich nicht als unsozial verschrien sind? weshalb sollten sie keine klobrillen putzen? sind hygienearbeiten unmenschlich?  

allerding sollte das vorgehen nicht zu einem lohndumping in einigen bereichen führen. der sozialhilfeempfänger müsste auch die möglichkeit bekommen, sich um diesen job zu bewerben. bei bewährung mit anschließender einstellung bekäme er dann den normalen lohn. nur soziale dienste zu beschicken, finde ich falsch. das disqualifiziert die arbeitenden in diesen bereichen. es sollten alle denkbaren hilfstätigkeiten beschickt werden.


 Salute 54reab - baer45: <a href=">www.baer45.de.vu">



 

16.02.04 10:46
sorry - bezog sich nicht auf #12 sondern #14
Ez  

16.02.04 10:55

8350 Postings, 8812 Tage maxperformance@erbsenzähler

provokant?? ich würde sagen bewusst falsch gerechnet.

du hast den AG.Anteil also 50% der Beiträge
einfach unterschlagen.

dein Beispielarbeitloser hat alo für 19,34 Monate einbezahlt
und erhält nur 12 zurück.

ein ROI von 0,62

den Rest schluckt wie in den meisten Fällen das
Umschulungskartell angeführt vom DGB

gruß Maxp.  

16.02.04 11:02

58 Postings, 8206 Tage ErbsenzählerMist - erwischt!


@Maxp:
messerscharf!
ABER:
die Beitragszahlung des AG hat und hätte der AN sowieso nie gesehen.
Und außerdem hat man als AG ganz andere Möglichkeiten seinen "Leistungsausgleich" zu erwirken. Lohnzuzahlungen, Kurzarbeit etc.
Gruß
EZ    

16.02.04 11:25

1715 Postings, 7690 Tage ALDYErbsenzähler: Der Grund wieso Du nicht Wirtschafts

Experte heißt liegt auf der Hand :)))


> die Beitragszahlung des AG hat und hätte der AN sowieso nie gesehen.

Dann ist ja Alles klar: Einfach vergessen *kopfschüttel*


Aldy

 

16.02.04 11:57

58 Postings, 8206 Tage Erbsenzählerschlecht geschlafen ALDY? o. T.

16.02.04 12:22

6685 Postings, 7989 Tage geldschneider@Erbsenzähler AG-Beiträge sind für die Katz!

ne, Aldy hat einfach recht!

Arbeitslosen und Krankenversicherung, Rentenversicherung sind Versicherungen, die man für den Fall bezahlt, daß der Versicherungsfall eintritt.

Zahlst du in eine Unfallversicherung, egal wieviel Du einbezahlt hast, bekommst Du im Unfallfalle3 , Dein Geld, ebenso bei der Leben, Haussrat etc.

Man stelle sich mal vor, der Privatvcersicherer würde dasselbe machen , einfach Leistungen im Nachihinein zu kürzen!

Diese Versicherungsgesellschaft würde sofort strafrechtlich belangt werden!

Unser Staat darf das aber, er darf über unsere Beiträge bestimmen, und machen was er
will.

Und wer eine Brille trägt, der hat verdammt nochmal den Luxus zu sehen und lesen zu dürfen, selber zu tragen!!


 

16.02.04 12:34

7336 Postings, 8062 Tage 54reabarbeitslosengeld II respektive

sozialhilfe ist durch keine beiträge gedeckt. langzeitarbeitslose beziehen kein arbeitslosengeld! die finanzierung dieser sozialen absicherung basiert auf steuern.


 Salute 54reab - baer45: <a href=">www.baer45.de.vu">





 

16.02.04 12:44

6685 Postings, 7989 Tage geldschneider@54reab, das ist ja die Schweinerei!

Wer jahrelang gearbeitet hat, soll nunmehr sein  Haus verkaufen, soll seine Ersparnissse verbrauchen, soll sein Auto verkaufen, damit er nur ja keine Arbeit mehr findet.
Und im alter der Sozialhilfe zur Last fällt!
Stolze Reform!

Trauriges Deutschland!  

16.02.04 13:07

1715 Postings, 7690 Tage ALDYErbse #29: Auch wenn der AG-Teil nicht auf der

Entgeltabrechnung des AN auftaucht: Es fällt nicht als Manna vom Himmel, es muß erarbeitet werden. Ich vermute mal ... vom AN :))
Ich würde sagen, es gehört auch zu "seinem" Beitrag. Selbst wenn es die Sozial-Versicherungen direkt beim Arbeitgeber abgreifen.

Noch Fragen Erbse?

Aldy  

16.02.04 13:30

4428 Postings, 8066 Tage Major Tom"E-Mail für dich" - Rainer Brüderle

Rainer Brüderle
FDP-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin

rainer.bruederle@bundestag.de

Putzen statt Stempeln

Sehr geehrter Herr Brüderle,

auf diversen Internet-Sites war in den letzten Tagen das Folgende zu lesen: Zitat Anfang. Der Staat unterstütze manche arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger jahrelang, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle der "Bild am Sonntag". Da könne die Gemeinschaft auch eine Gegenleistung erwarten. "Langzeitarbeitslose dürfen sich zum Putzen, Waschen oder Essenausfahren für alte oder kranke Mitbürger nicht zu schade sein." Zitat Ende.

Ihre Aussage stellte ich in einem Internet-Forum zur Diskussion und ich bitte Sie deshalb eindringlich um eine Stellungnahme, da sich mir in diesem Zusammenhang die Frage stellt: Wieso sollte ein intelligenter und lebenserfahrener Mensch einem Politiker glauben?

Ist Ihre Aussage nicht ganz einfach Populismus und falls nicht, klären Sie mich bitte auf, denn mir reicht es, für dumm gehalten und "eingeseift" zu werden. Es wurden von Ihnen, von CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann und von Max Straubinger (CSU), m. E., in typischer Manier Emotionen angesprochen: "Gemeinschaft auch eine Gegenleistung erwarten", "für alte oder kranke Mitbürger nicht zu schade sein" und "Im sozialen Bereich würden oft händeringend Arbeitskräfte gesucht". Ich frage mich, was müssen PolitikerInnen wissen, worin müssen sie gebildet sein? Sie selbst haben eine gute Schulbildung und haben studiert. Ergo sind Sie sehr gut grundausgestattet, Ihr Lebenslauf ist beeindruckend und Sie können in mir durchaus einen heimlichen Fan Ihrer Person feststellen. Aber sind Sie auch in der Lage zu differenzieren, dergestalt, dass Sie Ihre Aussagen kritisch hinterfragen (lassen)?

Ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass PolitikerInnen anscheinend - je höher und länger sie dabei sind - immer platter, nichtssagender, ideenloser, eine Art Bla-Bla-Medienverschnitt werden. Bitte beweisen Sie mir das Gegenteil und geben Sie mir ein Stück Hoffnung zurück, dass PolitikerInnen nicht nur die Art von Menschen sind wie sie von Niccolo Machiavelli im Fürsten (Il Principe, 1532) beschrieben wurden. Ich hoffe, Sie haben es nicht am besten verstanden, den Fuchs zu spielen, denn im Fürsten, achtzehntes Kapitel, S. 104, schreibt Machiavelli: "Man muss nur verstehen, der Fuchsnatur ein gutes Ansehen zu geben und ein Meister sein in Heuchelei und Verstellung: denn die Menschen sind so einfältig und gehorchen so leicht dem Zwang des Augenblicks, dass ein Betrüger stets einen finden wird, der sich betrügen lässt."

Nachfolgend ein Spektrum der Meinungen aus dem Forum:

  • Wenn die Allgemeinheit zahlt (sozi), dann ist es doch nur gerecht, wenn die Allgemeinheit etwas zurück bekommt.
  • Ich denke viele werden dann keine Sozial- oder Arbeitslosenhilfe mehr in Anspruch nehmen.
  • Hier werden Ursache und Wirkung verkehrt.
  • Das ist alles nur noch krank, populistisch und menschenverachtend.
  • Ich wünsche Euch allen ein frohes Erwachen in der Arbeitslosenhilfe II, demnächst auf der Toilette des Schwerbehindertenheims Köln-Krümel, beim Wegwischen der verschissenen Gänge und Klobrillen.
  • Und deshalb ist der Vorschlag von Zwangsarbeit für ehemalige Beitragszahler (ewige Sozi-Empfänger mal vorerst ausgenommen) in meinen Augen doppelter Diebstahl. Und die Verhöhnung einer gesellschaftlichen Kultur, die man über 40 Jahre gepflegt und als vertrauenswürdig verkauft hat. Es wird in der Kriminalisierung derjenigen enden, die einfach nur überleben wollen.
  • Ich würde da sogar noch weiter gehen, wer keine Lehrstelle findet geht zum Bund.
  • Differenzieren sollte man schon ein wenig zwischen Menschen die noch niemals in die Kassen einbezahlt haben und solche die jahrelang einbezahlen mussten.
  • Das würde genauso laufen wie die Vorschläge, dass diese Leute als Spargelstecher oder bei der Obsternte helfen sollen: Sie stellen sich noch dümmer an als sie ohnehin schon sind, lassen sich wegen irgendwas krankschreiben oder tun einfach nichts.
  • ...dass man Sozialhilfeempfänger für solche Arbeiten verwendet, aber dann bitte gleich mit richtigem Arbeitsvertrag, und anständiger Bezahlung.
  • ...Bezahlung auf Sozialhilfeniveau.
  • ...aber da wäre ja mal der Einsatz von Gehirnschmalz gefragt und das ist etwas komplizierter als populistische Scheißhausparolen herauszuposaunen.
    es soll wieder an der Wirkung herumgepfuscht werden, statt die Ursache zu beseitigen
  • ...weshalb sollten sie keine Klobrillen putzen? sind Hygienearbeiten unmenschlich?
  • ...allerdings sollte das vorgehen nicht zu einem Lohndumping in einigen bereichen führen. der Sozialhilfeempfänger müsste auch die Möglichkeit bekommen, sich um diesen job zu bewerben.

Verzeihen Sie bitte die teilweise drastischen Formulierungen, aber so ist das nun einmal, wenn man dem "Volk aufs Maul schaut" und Sie mit Ihrer "hemdsärmlig knitzen Art", die durchaus den Nerv der Zuhörer zu treffen weiß, sollten dafür Verständnis aufbringen.

Seien Sie kein Meister im Nichtssagen, Meister im Verschweigen, Meister im Vergessen, Meister der Ausflüchte und im Verdrehen. Beweisen Sie mir, dass es PolitikerInnen gibt, denen man trauen kann und dass das Volk eine freie Wahl hat und nicht nur die Wahl zwischen Pest und Cholera!

Mit freundlichen Grüßen

MT

PS Schaun mer mal, ob Herr Brüderle zu einer Antwort fähig ist, ob diese Antwort über das übliche Bla-Bla hinausgeht und ob er in der Lage ist, zu differenzieren und Transparenz herzustellen. Wie heißt es so schön: "Die Hoffnung stirbt zuletzt!"; eine evtl. Antwort werde ich natürlich umgehend posten.  

16.02.04 13:49

58 Postings, 8206 Tage Erbsenzählerok. Doppelfehler...

@ALDY:
Obwohl ich ja kaum glauben kann, daß, wenn der AG um seinen Beitrag entlastet würde, der AN davon unmittelbaren Nutzen hätte (Experten mögen dies anders sehen - Realisten nicht)gestehe ich meine oberflächliche Darstellung ein.

Mehr noch: da die SozVers.-Beiträge von AG und AN je zur Hälfte getragen werden, muß selbstverständlich auch die Krankenversicherung mit einbezogen werden...die ja im Falle der Arbeitslosigkeit von der Agentur übernommen wird. (also Kosten für KK x 2 = 519,64 EUR)
Im günstigsten Ergebnis allenfalls ein Nullsummenspiel, wenn man die Leistungen aufrechnet (inkl. Umschulungen etc.)
Schon mal ausgerechnet was du an Beitragen entrichtet hast? Bei mir würden sich schon (aus dieser sichtweise) 5 Monate arbeitslos dicke bezahlt machen.

Nur aus diesem Grunde halte ich es für wenig nachvollziehbar, Arbeitseinsätze zu verweigern und sich dabei noch um seine bezahlten Beiträge betrogen zu fühlen.
Gruß
Ez  

16.02.04 13:51
1

7336 Postings, 8062 Tage 54reabich verstehe die aufregung nicht.

nach der gültigen rechtslage dürfen sozialhilfeempfänger (arbeitslosengeld II ist der sozialhilfe gleichgestellt) von den kommunen zu arbeitsdiensten eingezogen werden. dies ist seit jahrzehnten so - wird nur sehr selten praktiziert. der hauptgrund liegt wohl in der unfähigkeit des beamtenaparats. die unfähigkeit der verwaltung führt ja auch zu mehrfachzahlungen an den gleichen empfänger.

arbeitfähige sollen arbeiten oder von ihrem ersparten leben!


 Salute 54reab - baer45: <a href=">www.baer45.de.vu">

 

16.02.04 14:01

1715 Postings, 7690 Tage ALDY@Erbse: "AG"-Anteil ist ein typische Phrase die

mal wieder vom Wesentlichen ablenkt: AN- und AG-Anteil erabeitet auf jeden Fall der Arbeitnehmer selbst.

Der AG zahlt das nur dann aus dem Eigen-Kapital, wenn das Unternehmen vor der Pleite steht und er noch nicht ausreichend Mitarbeiter entlassen hat.

In der Schweiz ist es einfacher: Der Arbeitgeber weist den in Dtld.  sogen. "AG-Anteil" auf der Entgelt-Abrechnung aus. Jeder weiß wo er dran ist. Basta

Aldy  

16.02.04 18:55

6685 Postings, 7989 Tage geldschneider@Aldy gibs einfach auf!

Der verstehts nie und nimmer!
"
Obwohl ich ja kaum glauben kann, daß, wenn der AG um seinen Beitrag entlastet würde, der AN davon unmittelbaren Nutzen hätte (Experten mögen dies anders sehen - Realisten nicht)gestehe ich meine oberflächliche Darstellung ein.

Mehr noch: da die SozVers.-Beiträge von AG und AN je zur Hälfte getragen werden, muß selbstverständlich auch die Krankenversicherung mit einbezogen werden...die ja im Falle der Arbeitslosigkeit von der Agentur übernommen wird. (also Kosten für KK x 2 = 519,64 EUR)
Im günstigsten Ergebnis allenfalls ein Nullsummenspiel, wenn man die Leistungen aufrechnet (inkl. Umschulungen etc.)

Schon mal ausgerechnet was du an Beitragen entrichtet hast? Bei mir würden sich schon (aus dieser sichtweise) 5 Monate arbeitslos dicke bezahlt machen."


Sagt doch nienmand was gegen Arbeit!!

Geht aber doch um den Beschiß, daß du keine Alhi mehr kriegst sondern SOHI, und die kriegst du nur, wenn Du jung bist, weil noch keine Rücklagen!

jeder 40Jhr. und älter aber der ist der Dumme!
Der muß erst seine Kohle aufbrauchen. Die der Depp sich für seine Altersversorgung zurückgelegt hat!!

Und ein Depp ist in deisem Staate jeder, der vorsorgt. Sieht man doch an dem Gesetz!

Und wer auf Pump lebt in Saus und Braus, der hat die Not nicht!
Gut der lebt dann von der Stütze! Und macht einen offenbarungseid!
Und macht eine Insolvenz!

Wunderbar!

Und den Arbeitseinsatz, kriegt er eh bloß,wenn er Sozi kriegt. Nehem ich mal an.

Besser ist es doch, man kriegt ne Arbeit und wird dafür bezahlt!

Nur Spargelstechen, das ist ne Arbeit, die kannst Du wirlich nur, wenn Du körperlich Arbeiten gewohnt bist!

Ich habe mal Kartoffelklauben gemacht als Ferienarbeit, na das war eine schöne harte Arbeit!
Ich habe irgendwann meine Knochen nicht mehr gespürt und konnte mich nicht mehr bewegen , und was wir beiden Kinder da weggeschleppt haben so ca. 9 und 16, das war nicht so toll!
Da ist Straßenfegen sicher nicht so anstrengend.

Doch ich meine, für einen Ingenieur gäbe es eine vernünftigere Arbeit als Straßenfegen, oder Clos scheuern!!  

17.02.04 01:25

2683 Postings, 7803 Tage Müder JoeIch weiß jetzt nicht wirklcich, worum es

tatsächlich geht, weil ich nämlich von meinem Arbeitslosengeld II mir heute ein Abendessen inklusive einem alkoholischen Getränk meiner Wahl leisten konnte. Deshalb bin ich ein bißchen benebelt, aber das wars dann auch für diesen Monat.

btw: Erbsenzähler ist ziemlich präzise mit seiner Berechnung, aber das ist die Theorie. Die Praxis ist: unterlauft jede Auszahlung.

Das gibt Punkte, das rettet den JJob intern. Auch wenn sie noch so nett lächeln: jeder Vermittler schiebt Dir glühendes Eisen in den Hintern.


ES IST KRIEG.

 

17.02.04 08:14

501 Postings, 7689 Tage SchmusAlles eine Frage der Motivation

AUS COTTBUS UND POTSDAM
FRIEDERIKE GRÄFF

Eberhard Schultka, der Geschäftsführer der M.E.D. Gesellschaft für Altenpflege, trägt ein zart rosafarbenes Hemd, es ist etwa die Farbe, die auch das Pflegeheim Sachsendorf hat. Links ist eine Bäckerei eingezogen, rechts eine Apotheke, und in den Blumenkästen vor den Fenstern steckt Tannengrün; es ist eine rosafarbene Insel im trüben Meer der schmutzig weißen Plattenbauten ringsum. Das Pflegeheim Sachsendorf ist das erste, das nach der Wende in Cottbus saniert wurde, darauf ist Eberhard Schultka stolz, und es ist das erste, das bald ohne Zivildienst Leistende arbeiten wird. "Die Zivis sind im Lauf der Jahre immer teurer geworden", sagt Schultka. "Und was bekommt man dafür?"

Ein paar gute Zivis, so scheint es, und viele unmotivierte. Das sagt zumindest Geschäftsführer Schultka. "Es sind viele, die ihre Pflichten nicht wahrnehmen, aber ihre Rechte kennen sie alle." Er erzählt von denjenigen, die zu spät zum Dienst kommen, die sich wochenlang krankschreiben lassen oder nach einem Tag nicht wieder zum Dienst erscheinen. "Wir haben keine Handhabe gegen Bummelei." Denn das Pflegeheim ist nur die Einsatzstelle der Zivildienstleistenden, Arbeitgeber ist das Bundesamt für Zivildienst. "Bis ein Disziplinarverfahren anfängt, dauert es ewig, und die 50 Euro Strafe jucken die Zivis sowieso nicht." Dazu kommt die Verkürzung des Zivildiensts auf neun Monate - "Wenn sie gerade richtig da sind, müssen sie wieder gehen" -, und so ist für Eberhard Schultka die Rechnung nicht länger aufgegangen.

Bei Schultka funktioniert das Pflegesystem schon fast ohne Zivildienstleistende. Es ist eine Art Glaubensfrage: Viele fürchten, dass ohne Zivis alles zusammenbricht, für andere geht es ohne Zivis sogar besser und hat auch Perspektive. Schließlich plädieren immer mehr für ein Ende der Wehrpflicht. Wenn aber die Wehrplicht wegfällt, ist auch der Zivildienst nicht mehr zu halten.

Schultka ist Jurist, ein praktisch denkender Mensch, und vor einem Jahr hat er entschieden, dass die Investition in Azubis sinnvoller ist als die in Zivildienstleistende. Aus den neunzehn Zivis, die 2002 in Sachsendorf waren, ist ein Einziger geworden, dafür haben acht Azubis, sieben junge Frauen und ein Mann, einen Vertrag bekommen. Jetzt kann man unter den Bewerbern auswählen: Genommen werden diejenigen, die bereits eine zweijährige Ausbildung als Sozialhilfeassistent absolviert haben. "Sie sind durchgängig motivierter", meint Schultka. "Und wir tun etwas für den Fachnachwuchs."

Von den acht Azubis werden vier über die Mittel finanziert, die zuvor für die Zivis verwendet wurden, die Kosten für die Übrigen werden auf die Heimbewohner umgelegt, die jetzt 16 Euro mehr pro Monat zahlen. Dafür hatten nicht alle Angehörigen Verständnis. Und die Bewohner? "Es gab nichts Negatives", sagt Eberhard Schultka und präzisiert: "Die zehn oder zwölf, mit denen man sich unterhalten kann, finden es gut."

Die Idee, Arbeitslose auf Zivilddienststellen zu schicken, hält er für keine gute Lösung. "Altenpflege ist doch ein sehr spezieller Bereich", sagt er knapp. Ohne eigene Motivation gehe da nichts. Freiwillig habe sich jedenfalls bei ihm noch kein Langzeitarbeitsloser beworben.

Alexander Lehmann ist der letzte Zivildienst Leistende in Sachsendorf, 21 Jahre alt, gelernter Stukkateur mit tätowierten Armen und einem freundlichen Jungengesicht. Auf dem Flur seiner Station spielen drei Bewohner "Mensch, ärgere dich nicht!", man hört den Würfel laut auf den Tisch fallen, aber man hört die Spieler nicht lachen, sie spielen, als gehörte es zu ihren Pflichten. "Altenpflege hat mich schon früher interessiert", sagt Alexander Lehmann, während er im Schwesternzimmer nach einem zweiten Stuhl sucht, "und als Stukkateur hat man hier wenig Aussicht."

Seinen Vorgänger hat er noch ein paar Wochen erlebt, der freute sich schon aufs Ende. "Er hat sich ein bisschen hängen lassen", meint Alexander Lehmann. Er selbst könnte das nicht, schließlich möchte er als Hilfspfleger bleiben, den Antrag hat er schon geschrieben. Auf dem Gang klopft ihm ein Mann in Trainingsjacke, einer der wenigen, die ansprechbar sind, auf die Schulter, und dann geht Alexander Lehmann ins nächste Zimmer, vorbei an einer Dame, die vor sich hin murmelt: "Ich weiß nicht, wo ich hinsoll."

Ines-Madeleine Refalski arbeitet mit Alexander Lehmann auf einer Station, eine heitere Frau mit roten Locken, die sich an sehr unterschiedliche Zivis erinnert. "Auf manche konnten wir uns richtig verlassen, auf andere eher nicht. Von zehn waren vielleicht zwei nichts." Von diesen zweien erzählt sie das, was schon Eberhard Schultka erzählt hat: Morgens hätten sie verschlafen, seien ein bisschen "dumpfig" gewesen, einer sei sogar ausfällig geworden. Bei den guten Zivis sah das anders aus: Sie hätten das Leben von draußen mit ins Heim gebracht, und sei es nur durch ihren Jugendslang, bei dem die Schwestern die Augen verdrehten, aber den Bewohnern habe es gefallen, zumindest nach kurzer Gewöhnung.

Bei den Azubis haben sie weniger Zeit zum Sichgewöhnen, denn die bleiben jeweils nur ein bis zwei Monate im Pflegeheim, um dann wieder zur Berufsschule nach Eisenhüttenstadt zu gehen. Kaum sind sie heimisch im Team, müssen sie schon wieder weg, heißt es bei den Kollegen. Dafür sind die Azubis fachlich fitter, und das Problem mit den vielen Krankheitstagen stellt sich bei ihnen nicht: Laut Praktikumsvertrag kann ihnen bei zu vielen Fehlzeiten gekündigt werden.

Yvonne Pachl in Potsdam hat bislang keine Probleme mit krankfeiernden Zivis gehabt. Sie ist darauf angewiesen, dass die jungen Männer zuverlässig kommen, sonst bricht der sorgfältig geplante Alltag mit ihrem 19-jährigen Sohn Robert zusammen. Robert ist mit dem Langdon-Down-Syndrom sowie einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen und wird rund um die Uhr betreut. "Ich war die erste Mutter in Potsdam mit einem Zivi", sagt Yvonne Pachl und legt eine Mappe mit Zeitungsausschnitten auf den Wohnzimmertisch. 1993 hat das Sozialamt 21 Zivi-Wochenstunden bewilligt, 21 Stunden, die Robert helfen sollen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sich auf die Schule vorzubereiten und sich allmählich von seinem Elternhaus abzunabeln.

Max Beer, seit einem halben Jahr Zivi bei den Pachls, steht auf Strümpfen in der Küche und hantiert mit dem Bild, das Robert gerade gemalt hat. Zuerst hatte er eine unaufwändige Stelle im Fahrdienst gesucht. Vergeblich. Erst danach meldete er sich bei der ASbH, der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus, die in Potsdam Schwerstbehindertenbetreuung organisiert. "Es ist eine Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann", sagt er. "Es macht mehr Spaß, direkt mit Menschen umzugehen, statt dumm durch die Gegend zu fahren."

Robert schiebt ihn zur Seite, um das Cover einer seiner Lieblingsplatten vorzuzeigen. "Ich mache Robert Vorschläge", sagt Max. Man könnte auch sagen, er motiviert ihn: aufzustehen, Brote selbst zu schmieren, deutlich zu sprechen, spazieren zu gehen. Er hilft beim Praktischen, beim Anziehen für die Schule oder beim Eincremen, aber er ist auch Zuschauer, wenn Robert plötzlich mit den Armen rudert und auf einem Fantasieschlagzeug spielt. "Dass ich mal Spaß habe", sagt Robert heiser. Er ist schwer zu verstehen, aber Max hat sich rasch auf ihn eingestellt. "Er ist ein umgänglicher Typ, er hatte sofort ein gewisses Vertrauen."

Zu einigen der früheren Zivis hat die Familie noch heute Kontakt, die vertrautesten lädt sie einmal im Jahr zum Ehemaligentreffen ein. Bei anderen macht Yvonne Pachl kleine Abstriche: "Früher waren die Zivis motivierter und hatten mehr Eigeninitiative. Heute muss ich ihnen eher sagen, was sie zu tun haben." Trotzdem ist ihre Bilanz positiv: Robert lernt jede Woche dazu, er findet neue Worte, wird selbstständiger, während sie trotz des schwerbehinderten Kindes berufstätig ist.

Anfangs wurde das Modell von anderen Familien mit behinderten Kindern eher misstrauisch betrachtet, mittlerweile haben mehrere einen Zivi, der zu ihnen nach Hause kommt. Würde der Zivildienst gestrichen, dann müssten ambulante Einrichtungen wie die ASbH Freiwillige und vor allem qualifizierte, aber preisgünstige Pflegekräfte suchen. Aber wer arbeitet für die 400 Euro, die die jeweilige Einsatzstelle berappen könnte, acht Stunden pro Tag, und das einen ganzen Monat?

"Wenn sich der Bund aus der finanziellen Pflicht zurückzieht, würde das bedeuten, dass viele behinderte Menschen zurück ins Heim müssten", sagt Gabi Franke, die Projektleiterin der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung der ASbH in Potsdam. Die Betreuung zu Hause würde schlichtweg zu teuer. Es sei denn, der Bund würde die 885 Millionen Euro, die er im letzten Jahr für den Zivildienst ausgegeben hat, weiterhin an all die Einrichtungen, die sich dann ohne Zivildienst Leistende behelfen müssen, bezahlen. "Der Bund muss in die Pflicht genommen werden", sagt Gabi Franke und spricht zum zweiten Mal von Pflicht, damit kein Zweifel besteht, dass die Fortzahlung keine Möglichkeit, sondern Notwendigkeit ist.

taz Nr. 7286 vom 17.2.2004, Seite 5, 310 Zeilen (TAZ-Bericht), FRIEDERIKE GRÄFF  

17.02.04 08:16

501 Postings, 7689 Tage Schmus880.000.000,00 Öre

880 MILLIONEN EURO ZAHLT DER BUND JÄHRLICH FÜR DEN ZIVILDIENST

Im letzten Jahr gab es rund 95.000 Zivildienstleistende,
im Jahr 2000 waren es noch 124.000. Aus dem Bundeshaushalt kamen 2003 etwa 880 Millionen Euro für den Zivildienst. Er übernimmt 70 Prozent des Soldes und Entlassungsgeldes, die restlichen 30 Prozent muss die Einsatzstelle aufbringen, dazu bezahlt sie Unterkunft, Verpflegung und Fahrtkosten. Rund 400 Euro im Monat kostet ein Zivildienstleistender seine Einsatzstelle.
Die Kommission "Impulse für die Zivilgesellschaft" stellte Mitte Januar einen Bericht vor, wonach der Zivildienst schon im Oktober auf 9 Monate verkürzt werden könnte. Sollte später die Wehrpflicht fallen, würde auch der zivile Ersatzdienst in seiner jetzigen Form kippen. Dann sollen Freiwillige an die Stelle der Ersatzdienst Leistenden treten - nach dem Willen von Oppositionspolitikern nun auch Langzeitarbeitslose. GRÄ

taz Nr. 7286 vom 17.2.2004, Seite 5, 28 Zeilen (TAZ-Bericht), GRÄ  

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