Viola Schäfer: Die juristischen Hauptkritikpunkte gegen den § 1631d BGB liegen in seiner offenkundigen Verfassungswidrigkeit: Das “Beschneidungsgesetz” verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Jungen. Es verletzt das Gleichbehandlungsgebot und die spätere religiöse Freiheit und Selbstbestimmung der Jungen bzw. Männer. Darüber hinaus widerspricht §1631 d BGB der ärztlichen Ethik, indem er insbesondere gegen das Gebot, nicht zu schaden (“primum non nocere”) und das Autonomieprinzip verstößt. Hieraus ergibt sich eine Entrechtung und Schutzlosigkeit der Jungen gegenüber einem Eingriff an ihren Genitalien, der traumatisch ist und lebenslanges Leid durch psychische Belastungen, sexuelle Funktionsstörungen und genitalen Empfindungsverlust zur Folge haben kann.
Viola Schäfer: Die Verabschiedung des § 1631d BGB stellt in der Tat ein tragisches Einknicken der Politik dar. An dieser Stelle wird oft von religiösen Lobbys und Angst vor etwaigen Vorwürfen des Antisemitismus oder der „Religionsfeindlichkeit“ sowie der historisch bedingten besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Juden gesprochen. Hinzu kommt außerdem eine erschreckende Unaufgeklärtheit bezüglich der tatsächlichen Bedeutung und Tragweite einer “Beschneidung” und der wichtigen Funktionen der Vorhaut. All dies sind jedoch keine Gründe, gegen das Grundgesetz zu verstoßen und Kinder schutzlos zu stellen. Es gab ja auch immerhin einige Abgeordnete, die gegen das “Beschneidungsgesetz” gestimmt haben. Warum die allermeisten dieses Rückgrat jedoch nicht aufbringen konnten, das kann man „menschlich“, „erwartbar“ oder auch „feige“ nennen, je nachdem wie viel man von der Politik zu erwarten geneigt ist. Besonders erbaulich finde ich das Ergebnis jedenfalls natürlich nicht und genau diese Frage hat mich lange beschäftigt und letztendlich bewogen, bei der Gründung und dem Aufbau von intaktiv mitzuwirken.
MANNdat: Wie viele Betroffene von Beschneidung wurden bei der Anhörung durch die politischen Entscheidungsträger gehört?
Viola Schäfer: Soweit mir bekannt ist jedenfalls keine „negativ Betroffenen“ bzw. niemand, der über die selbst erlebten negativen Auswirkungen seiner Vorhautamputation hätte sprechen wollen. Das Leid der Betroffenen war offenbar aufgrund politischer Erwägungen nicht „eingeladen“.
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