Marktkommentar: Solarindustrie am Scheideweg
14.08.2009 17:11:00
von Joachim Spiering, stellv. Chefredakteur von Euro am Sonntag
Als ob sie sich abgesprochen hätten: Allein am vergangenen Donnerstag meldeten sechs deutsche Solarfirmen ihre Zahlen zum jüngsten Quartal, am Freitag folgten fünf weitere. Innerhalb kürzester Zeit konnten Anleger sich ein Bild davon machen, wie es um die Solarindustrie in Deutschland steht. Und wie nicht anders zu erwarten waren die meisten Berichte von Molltönen geprägt. Der enorme Preisverfall – ausgelöst durch Überkapazitäten, wegbrechende Märkte wie in Spanien und Finanzierungsprobleme größerer Solarparks im Zuge der Finanzkrise – macht den Unternehmen zu schaffen. Mussten Häuslebauer im vergangenen Jahr für ihre Module noch 2,65 Euro pro Watt bezahlen, lagen die Preise im Juli bei 1,91 Euro. Die Folge für die Unternehmen sind sinkende Margen, Abschreibungen auf Lagerbestände und Auftragsstornierungen.
Dabei trifft es die Firmen unterschiedlich hart. Eine Paradebeispiel für totales Missmanagement ist Q-Cells. Der größte Solarzellenhersteller der Welt hat zu Hochzeiten teure Lieferverträge für Wafer, das Vorprodukt der Solarzellen, abgeschlossen. Heute könnte Q-Cells viel günstiger einkaufen. Zudem sind die älteren Produktionslinien in Thalheim in Sachsen-Anhalt nicht mehr wettbewerbsfähig. Und eine echte Marke als Abwehrstrategie gegenüber der oft billigeren Konkurrenz aus Asien hat Q-Cells auch nicht aufgebaut. Ganz anders Solarworld. Den Bonnern ist es gelungen, ihre Module als Premiummarke zu etablieren, und sie können nun Branchenkreisen zufolge einen Preisaufschlag von bis zu 20 Prozent verlangen.
Die spannende Frage ist: Wie lange wird der Preisverfall anhalten und wie sieht es 2010 aus? Zum jetzigen Zeitpunkt spricht viel dafür, dass sich die Preise kurzfristig stabilisieren. Die Lagerbestände sind stark abgebaut, in Deutschland zieht die Nachfrage wieder an. Kein Wunder. Die günstigen Modulpreise machen Solaranlagen so attraktiv wie noch nie. Und wer dieses Jahr noch in den Genuss der Förderung kommen will, muss jetzt die Solaranlage fürs Dach bestellen. Ob der stabile Preistrend auch auf lange Sicht anhält, lässt sich derzeit aber noch nicht sagen. Zwar ist die Solarindustrie zweifellos eine Wachstumsbranche, doch Hoffnungsmärkte wie die USA kommen nur langsam in Schwung, und die Überkapazitäten sind noch längst nicht abgebaut.
Spannend ist zudem, wie Berlin auf die jüngsten Entwicklungen reagieren wird. Denn eines ist auffallend: Immer mehr Firmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, um dort günstig jene Teile herstellen zu können, die dann auf deutschen Dächern landen. Doch das ist nicht das Ziel der Förderung. Mit dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) sollten Technologie und Arbeitsplätze in Deutschland gefördert werden. Wenn nun die Arbeitsplätze abwandern, wird das die Regierung auf den Plan rufen. Erste Stimmen sind in Berlin auch schon zu hören. Richtig laut werden diese aber wohl erst nach der Bundestagswahl.
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