"Abstinenz schützt besser als ein Kondom"
Die Internationale Aidskonferenz in Bangkok hat ihren ersten Streit: Sexuelle Enthaltsamkeit, so die provokante These des Präsidenten Ugandas, könne wirksamer vor Aids schützen als Kondome. Diese Ansicht vertritt auch ein prominenterer Politiker: US-Präsident George W. Bush.
Die Rede von Yoweri Museveni sorgte für heftigen Wirbel: Kondome, erklärte der Präsident Ugandas am zweiten Tag der 15. Internationalen Aidskonferenz in Bangkok, seien "nicht die ultimative Lösung" im Kampf gegen die Verbreitung der tödlichen Immunschwäche. Abstinenz und Treue seien effektivere Wege zur Vermeidung einer Infektion.
Museveni befindet sich damit in prominenter Gesellschaft: Auch US-Präsident George W. Bush glaubt, der beste Schutz gegen Aids sei, erst gar keinen Sex zu haben - zumindest keinen, der den Moralvorstellungen amerikanischer Konservativer widerspricht. Museveni aber brachte in Bangkok die Mehrheit der Wissenschaftler und Aids-Patienten gegen sich auf. Sie verweisen auf Staaten wie Thailand, wo die Verwendung von Kondomen in der Sexindustrie und Prostitution die HIV-Rate um das Siebenfache reduziert hat.
Gesundheitsexperte Tim Brown vom East West Center stellte fest, dass die dramatische Ausbreitung von Aids in China und Bangladesh vor allem durch Prostitution verursacht sei. "Ich muss Museveni widersprechen", sagte er. "Wenn 50 Prozent mehr Menschen Kondome benutzen, werden sich 50 Prozent weniger anstecken."
"Enthaltsamkeitsprogramme sind unmenschlich"
In Uganda ist die HIV-Infektionsrate von mehr als 30 Prozent zu Beginn der neunziger Jahre auf noch etwa sechs Prozent gedrosselt worden. Im Kampf gegen Aids seien liebevolle Beziehungen von Mann und Frau von entscheidender Bedeutung, sagte der ugandische Staatschef. Bei Problemen in der Ehe sollte diese aber besser beendet werden, als dass ein untreuer Partner den Aids-Erreger ins Haus bringe. "Außerdem ist der Beischlaf in manchen Kulturen sehr kunstvoll, so dass Kondome dabei stören können", sagte er vor dem Plenum weiter. Kondome sollten von denjenigen benutzt werden, die nicht zu Treue fähig seien oder sich nicht zurückhalten könnten. Bush wurde von Konferenzteilnehmern dafür kritisiert, dass ein Drittel des von Washington bereitgestellten Geldes für den Kampf gegen Aids für Programme ausgegeben werden muss, die Enthaltsamkeit vor der Ehe fordern. "Fünf Millionen Menschen infizieren sich jährlich mit HIV. Mädchen und Frauen haben oft keine Möglichkeit, abstinent zu bleiben", sagte die US-Abgeordnete Barbara Lee. "Da sind Enthaltsamkeitsprogramme nicht nur unverantwortlich, sie sind unmenschlich."
HIV-Patient sprach vor leeren Rängen
In Bangkok beraten 20.000 Wissenschaftler, Politiker und Patienten eine Woche lang über den Kampf gegen die Immunschwächekrankheit. Weltweit sind 38 Millionen Menschen mit HIV infiziert, 30 Millionen von ihnen in Entwicklungsländern. Im vergangenen Jahr steckten sich fünf Millionen Menschen mit dem Virus an, drei Millionen starben - die höchsten Zahlen seit Entdeckung des Virus vor 23 Jahren.
Der Auftakt der Konferenz am Sonntag begann mit einer protokollarischen Panne. Der thailändische Ministerpräsident Thaksin Shinawatra verließ am späten Abend den Saal, ohne die Rede des mit HIV infizierten thailändischen Delegierten Paisan Swannawong anzuhören. Thaksin zündete vor dem Verlassen des Saals zur symbolischen Eröffnung der Konferenz eine riesige Kerze an. Uno-Generalsekretär Kofi Annan und andere Konferenzteilnehmer folgten ihm daraufhin zum Buffet. Paisan sprach vor fast leerem Plenum.
Ian Mader, AP
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