Überraschend gestiegene US-Lagerbestände haben den Ölpreis auf den tiefsten Stand seit fast dreieinhalb Monaten gedrückt. Doch von einer Trendwende wollen Ölexperten nicht sprechen.
Von Michaela Duhr
Der Ölpreis hat am Donnerstag nach den jüngsten Daten zu den US-Ölvorräten deutlich nachgegeben. Doch Ölexperte Dennis Nacken dämpfte die Hoffnung auf weiter sinkende Preise: «Das ist noch keine Trendwende», sagte der Analyst von Helaba Trust am Donnerstag der Netzeitung. «Die wöchentlichen Zahlen wirken sich erwartungsgemäß nur kurzfristig aus».
Im asiatischen Handel kostete ein Barrel (159 Liter) US-Rohöl zur Lieferung im Dezember zeitweise 58,38 Dollar und war damit so billig wie seit Ende Juli nicht mehr. Nach Angaben des US-Energieministeriums stiegen die wöchentlichen Ölbestände wegen der milden Temperaturen in den USA stärker als erwartet.
IEA senkt Prognosen
Der Ölanalyst sieht derzeit keinen Anlass seine Prognose für US-Rohöl von 62,25 Dollar je Barrel für 2006 nach unten zu korrigieren. Daran ändert auch der jüngste Ausblick der internationalen Energieagentur (IEA) nichts, die von einer geringeren Ölnachfrage im kommenden Jahr ausgeht. Die in Paris ansässige IEA senkte am Donnerstag in ihrem monatlichen Ölmarktbericht den täglichen weltweiten Bedarf um 140.000 Barrel auf 85,01 Millionen Barrel.
«Das ist wirklich nicht viel», meint Nacken. Die IEA müsse ihre Prognosen ohnehin meist geringfügig anpassen. Doch die vor allem aus China und Indien angetriebene Nachfrage werde kaum nachlassen. «Da ist immer noch kein Ende in Sicht», betonte der Ölexperte.
Iran bleibt außer Acht
Zudem würden an den Ölmärkten klassische politische Komponenten, die zu einem Produktionsausfall führen könnten, im Moment überhaupt nicht wahrgenommen, warnte Nacken. Dabei verwies er auf die brisante Situation im Iran: «Sollte der Iran als Öllieferant ausfallen, könnte dies nicht aufgefangen werden.« Die noch vorhandenen freien Kapazitäten würden dafür bei weitem nicht ausreichen. «Der Ölpreis würde kräftig zulegen.»
Im Iran verschärft sich nicht nur der Konflikt um das Atomprogramm, nachdem das zweitgrößte Förderland der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) die EU-Bedingungen am Dienstag abgelehnt hat. Auch die jüngsten israel-feindlichen Äußerungen des erzkonservativen iranischen Präsidenten, Mahmud Ahmadinedschad, beunruhigt die internationale Gemeinschaft.
20 Dollar Prämie
Der Ölpreis ist in den vergangenen Tagen aufgrund steigender Ölvorräte , einer höheren Reservekapazität der Opec-Länder und einer leicht schwächeren Nachfrage gesunken. An der Diskussion, inwieweit Spekulationen den Ölpreis oben halten, wollte sich Nacken nicht beteiligen. «Natürlich gibt es eine Spekulationsprämie. Doch diese kann kaum genau beziffert werden.»
Der Ölkonzern Shell scheute davor allerdings nicht zurück: Nach Einschätzung von Kurt Döhmel, Deutschland-Chef von Shell, steckt derzeit ein Spekulationsaufschlag von 20 Dollar je Barrel im Ölpreis.(NZ)
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