Wer oder was ist schön? Diese Frage interessiert Gelehrte wie Laien schon seit vielen Jahrhunderten. Aber erst seit ungefähr 30 Jahren gibt es eine systematische Erforschung der Schönheit. Attraktivitätsforscher, mehrheitlich Psychologen, Anthropologen und Verhaltensforscher, haben bisher einige bemerkenswerte Ergebnisse zutage gefördert. In den verschiedenen Befunden kristallisiert sich heraus, dass die Attraktivität von Gesichtern sehr viel stärker mit der Biologie des Menschen zusammenhängt als mit Mode, Kulturen oder Zeitgeist.
Schönheit ist keine reine Geschmackssache, sie wird von Menschen aller Alterskategorien, Nationalitäten und sozialen Schichten wahrgenommen. Fototests haben ergeben, dass so unterschiedliche Gruppen wie Deutsche, US-Amerikaner, Briten, Chinesen, Koreaner, Inder, Nigerianer, Lateinamerikaner, Südafrikaner, Japaner und Russen in ihren Schönheitsurteilen übereinstimmen, und schon Säuglinge betrachten schöne Gesichter länger als weniger attraktive.
Attraktivität und Schönheit sind ein Vorteil für die Fortpflanzung. Attraktive Menschen mit schönen Gesichtern haben mehr Chancen bei der Partnerwahl, sie haben die größere Auswahl und erobern die attraktiveren Partner, so dass sie den die Schönheit an ihre Nachkommen vererben. Eine Formel lautet daher: "Finde Gesichter attraktiv, die gesund, fit und jugendlich aussehen!". Andererseits gehören auch Signale der körperlichen und sexuellen Reife dazu: Kindergesichter mit ihren runden Wangen sind für Männer weniger anziehend als Gesichter erwachsener Frauen mit hohen Wangenknochen und konkaven Wangen, die darauf hindeuten, dass die Frau ausgewachsen und geschlechtsreif ist. (aktuelle Forschungsergebnisse auf Englisch) Ähnliches gilt für attraktive Männer. Sie können vor allem mit einem breiten Untergesicht und markanten Zügen punkten, die auf einen hohen Testosteronspiegel und ein starkes Immunsystem hinweisen. Jugendliches Aussehen ist bei Männern allerdings weniger wichtig für die Attraktivität als etwa die Körpergröße.
Schöne Gesichter weisen oft größere Augen und vollere Lippen auf. Diese sind besonders wichtig für eine ausdrucksvolle Mimik, und so zählen einige Forscher diese so genannten expressiven Merkmale zu den wichtigen Kriterien der Schönheit.
Zeichen der körperlichen Gesundheit gehören zur Attraktivität: eine gut durchblutete Haut ohne Pickel, Falten oder Augenringe, dichter Haaransatz sowie eine symmetrische Gesichtsbildung. Symmetrie und Flächigkeit eines Gesichts weisen darauf hin, dass der Organismus sich regelmäßig und ohne Störungen durch Krankheiten entwickelt hat. Stark asymmetrische Gesichter wirken deutlich unattraktiver.
Durchschnittliche Maße im Sinne von Regelmäßigkeit und Vermeidung von Extremen wirken attraktiv. Berühmt sind jene Versuche, in denen per Computertrick künstliche "Durchschnittsgesichter" erzeugt wurden, dieses Verfahren hat seit den 80er Jahren zu wichtigen neuen Ergebnissen geführt (Langlois, Perrett, Grammer u.a.). Es hat sich herausgestellt, dass die aus den Maßen vieler Einzelgesichter hergestellten Komposite angenehm bis attraktiv waren, meistens auch hübscher als die Originale. Soll das Gesicht regelrecht schön sein, gehören noch wichtige Einzelmerkmale wie volle Lippen, größere Augen etc. dazu - Schönheit ist immer noch ein "Extra".
Ein Rest des Geheimnisses bleibt: Wir erkennen ein schönes Gesicht sofort, aber trotzdem gibt es kein Patentrezept. Vor allem das Ausmessen von einzelnen Gesichtszügen wie Nase, Augen oder Kinn hat keinen Code für ein schönes Gesicht ergeben. Erst das Zusammenspiel aller Merkmale erzeugt den Eindruck der Attraktivität, und eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Gesichtertypen wird als schön empfunden.
Johanna Bayer
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