Börsenausblick: Für Aktienkurse wird die Luft dünner Von Annette Entress, Sebastian Sachs und Nicola Liebert
An den Finanzmärkten steigt in dieser Woche der Grad der Nervosität, Rückschläge an den Börsen werden wahrscheinlicher. Etliche Unternehmen in Europa und den USA präsentieren Quartalsbilanzen, darunter Schwergewichte wie General Motors oder SAP.
In den USA machen am Montag Bank of America und Citigroup den Anfang. Die Daten müssten außerordentlich gut ausfallen, damit es nach dem kräftigen Aufschwung der vergangenen Monate an den Aktienmärkten weiter nach oben gehen kann, sagen Analysten. Die Erwartungen an die Ergebnisse seien hoch, vielleicht überzogen.
Überraschend schwache Unternehmens- oder Konjunkturdaten sind auch eine Gefahr für den Dollar. An den Anleihemärkten erwarten Experten kurzfristig eine Beruhigung - zumindest vor den Reden von Alan Greenspan vor dem US-Repräsentantenhaus und dem Senat am Dienstag und Mittwoch. Sollte der Chef der US-Notenbank in seinem halbjährlichen Bericht zur Geldpolitik und Konjunktur wider Erwarten stärker vor Deflationsgefahren warnen, könnte das den Bondmärkten erneut Auftrieb geben.
Den Firmenchefs werden Anleger genau zuhören, was sie von der Zukunft erwarten. "Die Ausblicke der Unternehmen sind entscheidend", sagt Richard Zellmann, Aktienstratege bei Helaba Trust. "Eine Konsolidierung an der Börse wird wahrscheinlicher." Unter die Marke von 3100 Punkten sollte der Dax seiner Ansicht nach aber nicht fallen. Noch sei die Stimmung der Investoren zu gut, als dass wieder die alten Tiefs vom März erreicht werden könnten. Seitdem gewann der Dax gut 49 Prozent, der Dow Jones kletterte rund 20 Prozent.
Positive Charttechnik
Dass die Grundstimmung trotz möglicher Korrekturen weiter positiv ist, bestätigt auch der Blick auf die Charttechnik. Beim Dax oder beim Euro Stoxx 50 etwa seien die jeweiligen Aufwärtstrends zuletzt recht eindrucksvoll bestätigt worden, schreiben die Analysten von Helaba Trust.
So verteidigten vergangene Woche die wichtigsten Aktienindizes in Europa und den USA moderate Gewinne. Der Dax rückte um 2,7 Prozent vor, und der Stoxx 50 verbesserte sich um 1,5 Prozent. Auch in den USA ging es aufwärts. Der Dow Jones legte 0,5 Prozent zu, und der technologieorientierte Nasdaq Composite schaffte ein Plus von 4,2 Prozent.
So rasant wie in manchen Wochen zuvor ging es allerdings nicht mehr aufwärts. "Die Kursgewinne werden nun auf den Prüfstand gestellt", sagt Aktienstratege Zellmann. Dazu gibt es in dieser Woche vielfach Gelegenheit. Im Technologiesektor präsentieren mit Nokia , Ericsson und SAP gleich drei europäische Schwergewichte ihre Zahlen. Nokia und SAP berichten Donnerstag, Ericsson am Freitag.
Konjunkturdaten aus den USA
Aus den USA kommen wichtige Konjunkturdaten, wie am Mittwoch die Verbraucherpreise und die Industrieproduktion für Juni. Am Donnerstag folgt der Konjunkturindex der Notenbank Philadelphia und am Freitag der Juli-Index des Verbrauchervertrauens der Universität Michigan.
Am Montag veröffentlichen der Chiphersteller Intel und Motorola , der Pharmakonzern Johnson & Johnson und Merrill Lynch Quartalszahlen.
Am Mittwoch folgen die Investmentbank J.P. Morgan Chase , der Chiphersteller AMD , die Computerkonzerne IBM und Apple sowie Ford . Am Donnerstag sind General Motors und Coca Cola , sowie der Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Honeywell und das Softwareunternehmen Microsoft dran. Aber auch, wenn die Zahlen im Rahmen der Erwartungen liegen, könnten sich Anleger zu Gewinnmitnahmen entschließen. Dies war in der vergangenen Woche bei Yahoo der Fall. Obwohl der Internet-Dienstleister seinen Quartalsgewinn verdoppelte und die Analystenerwartungen erfüllte, sackte der Aktienkurs um sieben Prozent ab. Vor allem Chipwerte, die zuletzt kräftig im Aufwind waren, könnten unter Druck geraten, nachdem Intel-Chef Craig Barrett von einer Verlangsamung der Wachstumsraten sprach.
Wende erwartet
Noch ist die Zahl derjenigen, die mit überraschend schlechten Unternehmensnachrichten rechnen, klein. "Ich fürchte, dass im Juli die Wende am Aktienmarkt kommt, wenn die Zahlen enttäuschen", sagt Aktienstratege Volker Borghoff von HSBC Trinkaus & Burkhardt. HSBC hält die Erwartungen der Analysten an die Unternehmensgewinne in den USA - vor allem aber in Deutschland und Europa - für überzogen und hebt sich damit von anderen Banken ab. "Für 2003 liegen wir für Deutschland mit unseren Schätzungen 26 Prozent unter dem Konsens", sagt Borghoff.
Große Sorgen macht vielen Analysten allerdings, dass die Konjunktur insgesamt weder in Europa noch in den USA auf Touren kommt. "Vor allem aus Europa kommen ganz schwache Daten", sagt Zellmann von Helaba Trust. In den USA enttäuschten vergangene Woche die Arbeitsmarktdaten und sorgten für einen Kursrutsch an der Wall Street. Unter der schwachen Wirtschaft dürfte der Dollar wieder stärker leiden.
"Da der Dollar bereits sehr optimistische Konjunkturerwartungen für die USA eingepreist hat, sehen wir große Risiken für Enttäuschungen", schreiben die Devisenexperten der Deutschen Bank. Zudem hätten in der Vergangenheit Kurserholungen des Dollar oft drei bis vier Wochen nach einer Zinssenkung durch die Fed ihre Spitze erreicht.
Starker Dollar
Vergangene Woche zeigte sich der Dollar noch stark. Der Euro schwächte sich von rund 1,15 $ auf knapp unter 1,13 $ ab.
Die Bondmärkte kommen vorerst zur Ruhe. Allgemein sehen Bondstrategen kurzfristig keine Gefahr, dass die Renditen weiter stark steigen. "Die Anleihekurse werden zwar ihre Höchststände des vergangenen Monats nicht mehr erreichen können", sagt Cyril Beuzit von BNP Paribas. "Doch die Voraussetzungen für einen Bärenmarkt sind noch genauso wenig gegeben." Vor allem verweisen Strategen darauf, dass die Gefahr einer Renditeexplosion wie 1994 nicht aktut sei. Damals waren die Renditen langlaufender US-Treasuries innerhalb eines Jahres um rund 300 Basispunkte in die Höhe geschossen. Bei den Bundesanleihen betrug der Renditeanstieg rund 200 Basispunkte. ftd
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