Schröder vor dem Fall? Erinnerungen an 1982
Die SPD steckt tief in der Krise. Bundeskanzler Gerhard Schröder muss sich der Attacken der Parteilinken gegen seine Reformpläne erwehren. Ein Sonderparteitag soll es richten – dessen Ausgang Schröder mit seinem politischen Schicksal verknüpft. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt ist mit den Schröder-Kritikern scharf ins Gericht gegangen und hat einen interessanten historischen Vergleich gewagt.
Das Thema ist anders
Schmidt verglich die heutige Lage mit der des 1982 gestürzten Kanzlers Helmut Schmidt. " Wir stecken in einer vergleichbaren Phase. Nur das Thema ist anders " , sagte Schmidt in einem Zeitungsinterview. Daher brächten die Kritiker Schröders die SPD als Institution in Gefahr.
Der Blick zurück lehrt: nicht nur das Thema war „anders“. Auch die Umstände und Akteure gehörten einer ganz anderen Zeit an. Sie war bestimmt vom Ost-West-Konflikt, der Friedensbewegung und durchaus auch von der Wirtschaftskrise.
Koalition in der Krise
Das Ende der unter Kanzler Helmut Schmidt regierenden Koalition aus SPD und FDP hatte sich bereits seit Sommer 1981 abgezeichnet: Zwischen den beiden Partnern war das Verhältnis wegen wirtschafts- und finanzpolitischer Differenzen brüchig geworden, insbesondere vor dem Hintergrund stetig steigender Arbeitslosenzahlen bis auf damals skandalöse 1,3 Millionen.
Erste Vertrauensfrage
Die SPD-Fraktion im Bonner Bundestag herrschte Streit über den NATO-Doppelbeschluss und die damit verbundene Stationierung von Atomraketen auf deutschem Boden. Aber auch Arbeitslosigkeit und Inflation beherrschten die Auseinandersetzung. Der Anlass zur ersten Vertrauensfrage Schmidts im Februar 1982 klingt sehr aktuell: Es ging um ein Beschäftigungsprogramm, um das SPD und FDP zuvor heftig gerungen hatten. Teile der SPD hatten seinerzeit die Gewerkschaftsforderung übernommen, über eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende Mehreinnahmen zu erzielen. Schmidt erzwang sich zwar mit der Vertrauensfrage die Disziplin der Fraktion, dennoch war seine Machtbasis erschüttert.
Erschwerend kam auch noch dazu, dass Schmidt im Gegensatz zu Gerhard Schröder heute zur damaligen Zeit nicht den SPD-Vorsitz innehatte, ein Umstand, den der Hamburger in späteren Gesprächen als " nicht hilfreich" einschätzte. Als damaliger stellvertretender SPD-Vorsitzender lag Schmidt vor allem in der Raketenfrage mit Parteichef Willy Brandt " über Kreuz" .
Bruch mit der FDP
Im September eskalierte die Situation noch einmal. Unüberbrückbare Schwierigkeiten mit der FDP in der Finanz- und Wirtschaftspolitik führten zum Bruch der sozialliberalen Koalition. Der SPD-Kanzler entließ am 17. September seine vier FDP-Minister, darunter den Außenminister und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher. Während Schmidt kurzzeitig eine Minderheitenregierung anführte, verhandelte die FDP mit der CDU/CSU bereits über eine Koalitionsvereinbarung.
FDP gelang der Spagat
Mit diesem politischen Seitenwechsel hatten zunächst die Liberalen eine Zerreißprobe zu bestehen. Mehrere einflussreiche Mitglieder wechselten in der Folge zur SPD, darunter etwa der ehemalige FDP-Generalsekretär und heutige EU-Kommissar Günter Verheugen. Andere scheitern mit dem Versuch, eine eigene, linksliberale Partei zu gründen.
Von Schmidt zu Kohl
Sehr schnell sollte eine machtpolitische Erstaufführung gelingen: Am 1. Oktober stürzte im Bundestag eine Mehrheit von Union und FDP Helmut Schmidt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum und wählte den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl zum Nachfolger als Regierungschef - mit gerade einmal sieben Stimmen über der notwendigen absoluten Mehrheit.
Geistig-moralische Wende
Für Helmut Kohl erfüllte sich mit der Übernahme des Kanzleramtes ein Traum. In der ersten Regierungserklärung sprach sich Kohl für eine " Politik der Erneuerung" , die Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses und die Bekämpfung der " schwersten Wirtschaftskrise" der Republik aus. Vor allem aber prägte der Pfälzer in Abgrenzung von den Sozialdemokraten den Slogan einer " geistig-moralischen Wende" .
Schmidt enttäuscht von der SPD
Für die SPD begann eine 16 Jahre dauernde Phase der Opposition im Bundestag. Helmut Schmidt gab kurz nach dem Ausscheiden aus dem Kanzleramt seiner Partei die Mitschuld am Verlust der Macht. Er sprach davon, dass ihm ein Mangel an politischer Disziplin und Solidarität innerhalb der eigenen Partei das Regieren in der letzen Phase seiner Kanzlerschaft zunehmend schwer gemacht habe.
Helmut Schmidt scheiterte an der eigenen Partei von Mathias Zschaler
Gerhard Schröder sieht sich gern in der Rolle eines neuen Helmut Schmidt. Doch das dürfte etwas übertrieben sein. Und auch was die jeweilige Krise anbelangt, die den Vorgänger scheitern ließ und die den amtierenden Kanzler in die Bredouille bringt, so gibt es zwar Ähnlichkeiten des Konfliktmusters, aber doch Unterschiede hinsichtlich des Formats.
Als Schmidt am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt wurde, war er nur vordergründig ein Opfer des Koalitionswechsels der FDP von der SPD hin zur Union. Doch die tieferen Gründe für das Ende der sozialliberalen Ära hatte nicht der treulose Partner mit seinem Begehren nach ökonomischer Erneuerung geliefert, sondern die eigene Partei, die weithin in den Bann und unter das Banner der Friedensbewegung geraten war. Damals wie heute stand ein außenpolitisches Großthema auf der Agenda, der Nato-Doppelbeschluss, der der Sowjetunion Nachrüstung androhte für den Fall, dass sie ihre Mittelstreckenraketen nicht abzog. Aber anders als heute Schröder in Sachen Irak war Schmidt in der Nachrüstungsfrage mit seiner Partei nicht einig. Dem Verantwortungsethiker und Atlantiker Schmidt, der übrigens mühelos gleich gute Beziehungen zu Washington wie Paris pflegte, war der grassierende Gesinnungspazifismus seiner Genossen so fremd, wie er einem Politiker seines Schlags und Selbstverständnisses nur sein konnte, der nicht Positionen bezog, sondern Überzeugungen besaß.
Umgekehrt mutete sein oft gnadenloser Pragmatismus, präpariert mit jener abgeklärten Arroganz, die aus der Sicherheit der Sachkenntnis erwachsen kann, der Parteiseele einiges zu. Obschon Schmidt bis heute gern betont, er sei " Sozialdemokrat" , brachte ihm die Partei nie Zuneigung entgegen wie einem Willy Brandt, höchstens Respekt. Und die Umstände taten damals das Ihre, die Distanz bis zur Entfremdung zu beschleunigen.
Das so genannte Wendepapier des FDP-Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff, in dem unter anderem Steuersenkungen für Unternehmen und Leistungskürzungen für Arbeitslose eingefordert wurden, bot nur noch den formalen Anlass für den Abschied von der Macht. Der damalige SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz attestierte den Liberalen - anspielend auf den sozialen Kahlschlag in Großbritannien - " gemäßigten Thatcherismus" . Immerhin war es einige Jahre zuvor kein anderer als Brandt gewesen, der das Wort von der " sozialen Hängematte" in Umlauf setzte. Dass der Sozialstaat dringend der Reform bedurfte, war eigentlich allen klar.
20 Jahre später geht es immer noch um dieselben Probleme. Und die SPD droht in jenen Zustand zurückzufallen, an dem sie nach dem Machtverlust 1982 so lange litt, weil sie jetzt mit demselben Schröder, der sie aus der Regierungsunfähigkeit erlöste, nicht zurechtkommt.
Artikel erschienen am 17. Apr 2003
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wahllügner ist ja wohl unbestritten, siehe eichels leistung. noch vor den wahlen tönten sie, es gebe keine neuen schulden. wir wissen es besser!!! höchste neuverschuldung seit dem 2. weltkrieg.
gruß proxi
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