Berlin (dpa) - Die Wirtschaft hofft nach dem Energiegipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder auf längere Laufzeiten für ihre Atomkraftwerke. Deutschlands führende Stromkonzerne machten gleichzeitig aber klar, dass sie sich auf jeden Fall an die geltenden Verträge zum Atomausstieg halten werden. In den koalitionsinternen Streit um die Kernenergie brachte das Spitzentreffen keine Bewegung. Einig sind sich die Regierungspartner in der grundsätzlich positiven Bewertung des Gipfeltreffens. Deutliche Kritik kam am Dienstag von Opposition sowie Verbraucher- und Umweltschützern. Das Treffen mit der Energiebranche habe nur vage Ankündigungen gebracht. - Anzeige - Die Vorstandchefs der vier größten deutschen Versorger RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW hätten sich bei Merkel deutlich für längere Laufzeiten ausgesprochen, berichteten Teilnehmer. Die Kanzlerin habe zwar die Diskussion schließlich unterbunden, doch seien die Unternehmen zuversichtlicher geworden, dass die Politik sich doch noch bewegen werde. Die Atommeiler sind für die Unternehmen wichtige Gewinnbringer. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen (CDU) hält im Atom-Streit ein Umschwenken der SPD für möglich. Diesen Eindruck wies Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) umgehend zurück. Die Energieunternehmen hätten sich eindeutig zu dem vertraglich festgelegten Atomausstieg bekannt. SPD- Generalsekretär Hubertus Heil sagte, das Spitzengespräch habe eine solide Grundlage gelegt. «Am vereinbarten Atomausstieg wurde nicht gerüttelt. Die Verträge gelten und die Beteiligten stehen dazu.» Dies bekräftigte Unions-Fraktionschef Volker Kauder: «Wir halten uns an den Koalitionsvertrag.» Die Grünen wollen die Sozialdemokraten in die Pflicht nehmen. «Wir erwarten, dass die SPD nicht umfällt», sagte Fraktionschefin Renate Künast. Alles andere wäre für den in Umwelt- und Zukunftstechnologien engagierten Mittelstand der Todesstoß. Der Gipfel sei «statistisches Mittelmaß statt Innovationsschub» gewesen. Die Grünen kündigten die Bildung eines «Rats der Energieweisen» an, um eigene Vorschläge für ein Energiekonzept der Zukunft zu erstellen. Die Linkspartei forderte, die Strom- und Gasnetze wieder vollständig zu verstaatlichen und den Konzernen bei der Preisgestaltung stärker auf die Finger zu schauen. «Die gestiegenen Preise sind nicht Ausfluss der Ölpreisentwicklung. Das Geld der Kunden wandert direkt in die Taschen der Aktionäre», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Ulrich Maurer. Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, kritisierte, auf dem Gipfel sei zu wenig über Energie-Effizienz, Energiesparen oder alternative Kraftstoffe gesprochen worden. Die Energiewirtschaft hatte am Montag bei dem Treffen mit der Kanzlerin Investitionen von insgesamt 70 Milliarden Euro bis 2012 zugesagt. Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) begrüßte die Pläne, «vorausgesetzt die Unternehmen engagieren sich dann auch wirklich in dieser Höhe». Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, die Regierung werde die auf dem Gipfel gesammelten Ergebnisse auch während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands und der G8- Präsidentschaft in 2007 aufgreifen. Die Branche der erneuerbaren Energien wertete das Treffen bei Merkel als Meilenstein für eine nachhaltige Energiepolitik. CSU- Landesgruppenchef Peter Ramsauer hob hervor, dass er die 30 bis 40 Milliarden Euro, die für erneuerbare Energien aufgewendet werden sollen, für «sehr realistisch hält». Beim Gipfel sei überdies «die Versöhnung zwischen erneuerbaren Energien und der traditionellen Stromerzeugung gelungen». Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen bezweifeln jedoch Stromkonzerne und Industrie, dass die Anbieter alternativer Energien den angekündigten Investitionskraftakt schaffen können. Damit sei auch unklar, ob erneuerbare Energien nach der stufenweisen Abschaltung der Atomkraft diese bis 2021 vollständig ersetzen könnten. |