http://www.tagblatt.ch/...gzeilen&jahr=2007&ressortcode=tb-os#«Wir nutzen bloss den Spielraum» Die «Sonntags-Zeitung» meldete gestern, St. Gallen ergreife drastische Massnahmen gegen junge ausländische Straftäter und weise sie aus. Justizdirektorin Karin Keller sagt: «Wir nutzen bloss den Spielraum, den uns das Gesetz gibt.» Der Kanton St. Gallen hat bereits im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit einer vermuteten Zwangsheirat zwei Türken ausgewiesen und damit schweizweit Aufsehen erregt. Jetzt erscheinen Sie schon wieder als Hardlinerin.Karin Keller-Sutter: Das nehme ich zur Kenntnis. Ich sehe mich nicht so. Als Justiz- und Polizeidirektorin ist es nun mal meine Aufgabe, die gesetzlichen Normen durchzusetzen. Das mache ich konsequent und dazu stehe ich auch. Ich halte ohnehin nichts von diesem Links-Rechts-Schema. Die Linke als verständnisvolle Seite, die nur auf Integrationsmassnahmen setzt und die Rechte, die nur auf Härte aus ist. Ich sehe das ähnlich wie in der Drogenpolitik: Die Probleme lassen sich nur dann lösen, wenn man auf mehrere Säulen baut. Eine Säule ist Repression. Ist es richtig, dass der Kanton seit Anfang Jahr junge ausländische Straftäter konsequent ausweist?Keller-Sutter: Die «Sonntags-Zeitung» hat ihre Meldung sehr zugespitzt. Es betrifft notorische Straftäter, die schwere Taten begangen und sich nicht um ihre Integration bemüht haben. Da geht es um Raubdelikte, schwere Körperverletzung oder Sexualdelikte. Nur weil einer ein Töffli gestohlen hat, wird er noch nicht ausgewiesen. Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir haben nicht spezielle Massnahmen beschlossen. Wir nutzen nur den Spielraum, den uns das revidierte Strafgesetz lässt, das seit dem 1. Januar in Kraft ist. So bestimmen neu nicht mehr die Richter über einen Landesverweis, neu kommen alle rechtskräftigen Urteile, die Ausländer betreffen, zum Ausländeramt. Und wie wirkt sich das aus?Keller-Sutter: Das Strafgesetz betont den Aspekt der Resozialisierung und beurteilt die Chancen auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das Ausländeramt vollzieht das Ausländergesetz. Es hat einen anderen Fokus. Nicht die Wiedereingliederung in die Gesellschaft steht hier im Vordergrund, sondern die öffentliche Sicherheit. Insofern werden wohl strengere Massstäbe angelegt. Wichtig ist die frühe Koordination, wenn es um den Vollzug von Strafurteilen geht. Der Vollzug von Straftätern, die die Schweiz verlassen müssen, ist anders zu gestalten als bei jenen, die hier bleiben können. Die Berichterstattung erweckt den Eindruck, es gehe hier vor allem um die Bekämpfung von Jugendgewalt.Keller-Sutter: Das ist bloss ein Teil der Wahrheit. Es geht natürlich nicht nur um jugendliche Straftäter. Unabhängig von der Revision des Strafgesetzes habe ich jährlich rund 200 ausländerrechtliche Rekurse zu beurteilen. Wenn wir davon ausgehen, dass nicht alle gegen den Verlust ihres Aufenthaltsrechts rekurrieren, wird deutlich, dass wir die gesetzlichen Möglichkeiten schon vorher zu nutzen wussten. Wie ich schon bei anderer Gelegenheit betont habe, geht es dabei auch um ein klares Signal: Wer sich in unserem Land nicht korrekt verhält, muss mit Konsequenzen rechnen. Das gilt für Schweizer wie für Ausländer. Bundesrat Blocher ruft nach härteren Gesetzen. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» haben Sie gesagt, dass Sie nichts von «gesetzgeberischem Aktivismus» halten.Keller-Sutter: Das ist so. Mit dem neuen Jugendstrafrecht und dem neuen Ausländergesetz haben wir ja die entsprechenden Grundlagen geschaffen. Wir können beispielsweise schon heute Eltern von jugendlichen Straftätern ermahnen, die ihrer erzieherische Aufsichtspflicht nicht nachkommen. Das kann im Extremfall bis hin zur Ausweisung der Familie gehen. Ist Jugendgewalt ein Ausländerproblem?Keller-Sutter: Ausländische Jugendliche sind eindeutig auffälliger bei schweren Delikten, sie sind überproportional vertreten. Aber es ist natürlich kein reines Ausländerproblem. Genauso so wie die Jugendgewalt kein reines Jugendproblem ist, sondern Teil der allgemein gestiegenen Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft. Man muss differenzieren. Bis jetzt war nur die Rede von Repression. Wie steht es im Kanton St. Gallen mit Prävention?Keller-Sutter: Der Lehrermord im Jahr 1999 in der Stadt St. Gallen hat viel in Bewegung gebracht. Wir haben für sehr schwierige Schüler die Besondere Unterrichts- und Betreuungsstätte im Platanenhof, die zu Beginn viele als Jugendknast denunziert haben, wir haben Time-out-Klassen, unsere Polizei geht in die Schulen und betreibt Aufklärung wie jüngst bei der Internet-Kriminalität, wir gehen konsequent gegen Bedrohungen vor. Zudem fördert der Kanton aktiv zahlreiche Integrationsvorhaben. Der Kanton St. Gallen muss sich jedenfalls nicht vorwerfen, er sei untätig geblieben. Interview: Andreas Fagetti http://www.tagblatt.ch/...gzeilen&jahr=2007&ressortcode=tb-os#
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