US-Raketenabwehr schürt Kubakrise light?
Russland macht zum Ärger der USA Ernst mit der Wiederannäherung an das zu Sowjetzeiten unterstützte Kuba. Kremlchef Dmitri Medwedew und sein Regierungschef Wladimir Putin lobten bereits die Belebung dieser alten Partnerschaft. Sie sei vor allem von Wirtschaftsinteressen geleitet. Dennoch haben russische Politiker und Militärexperten auch eine Verlegung russischer Soldaten in die Karibik ins Gespräch gebracht. Was in Moskau als mögliche Reaktion auf die umstrittene US-Raketenabwehranlage in Polen und Tschechien gehandelt wird, bereitet dem Westen zunehmend Sorgen. Die russische Politologin Maria Lipman vom Moskauer Carnegie-Center hält die nun oft geäußerten Befürchtungen, es könne zu einer neuen Kubakrise kommen, für überzogen. "Es gibt aus Kuba keine entsprechenden Signale, dass dort russisches Militär erwünscht ist", sagt die Expertin. Die Führung in Moskau suche händeringend nach einer passenden Antwort auf die in Polen geplante Stationierung von Raketen. Dabei würden verschiedene Szenarien ausgelotet. Ungleiches Kräftemessen Putin hatte noch als Präsident im vergangenen Jahr damit gedroht, russische Raketen auf Polen zu richten. Moskau fühle sich bedroht, erklärte er. Als spontane Drohgebärde hatte er erstmals seit Sowjetzeiten russische Langstreckenbomber wieder auf Dauerpatrouille über die Weltmeere geschickt. Russische Militärvertreter sollen sich auf Kuba bereits umgesehen haben, ob die Bomber dort aufgetankt werden könnten. Der frühere kubanische Präsident Fidel Castro zeigte sich im Juli offen für Sicherheitsgespräche, riet seinem Bruder und Nachfolger Raul aber zum Schweigen in der heiklen Militärfrage.
Es liegt in den Händen der Nachfolger Putins und Fidel Castros. Washington reagierte prompt und scharf. Kommentatoren erinnerten die Wortgefechte an das Kräftemessen der Supermächte im Jahr 1962, das als die "Kubakrise" in die Weltgeschichte einging. Washington und Moskau gerieten damals an die Schwelle eines Atomkrieges wegen Russlands Raketensilos auf Kuba. Die Führung in Moskau verpflichtete sich schließlich, keine Offensivwaffen mehr auf Kuba zu errichten, während Washington zustimmte, Raketen aus der Türkei zu entfernen und keinen gewaltsamen Systemsturz auf der Karibikinsel zu verfolgen. Russland wirft den USA seit Monaten vor, Abrüstungsverträge auszuhebeln. Das wirtschaftlich wieder starke und politisch selbstbewusste Riesenreich fühlt sich in seiner Sicherheit von der Osterweiterung der NATO bis vor seine Landesgrenzen bedroht. Doch sogar Militärexperten im eigenen Land sehen angesichts der maroden russischen Streitkräfte kaum eine ernsthafte Gefahr für den Westen. Venezuela im Waffenkaufrausch Russland und den Westen verbinden wirtschaftliche Abhängigkeiten, die für Moskau weit wichtiger sind als die Beziehungen mit Caracas oder Havanna. Russisches Geld steckt in westlichen Unternehmen, Banken und Immobilien - das wird Moskau nach Meinung von Beobachtern nicht aufs Spiel setzen. Trotzdem gehörte es von jeher zu den Grundzügen russischer Politik, die Türen nach allen Seiten offen zu halten. Zudem will Russland vor allem Waffen verkaufen.
Chavez und Medwedew: Man ist sich einig. Führer wie der venezolanische Präsident Hugo Chávez nutzen diese Angebote der Russen gern. Venezuela ist seit langem bester Kunde russischer Waffenlieferanten in Lateinamerika. Die Regierung des Linksnationalisten kaufte in den vergangenen Jahren bereits für rund vier Milliarden US-Dollar (2,59 Milliarden Euro) in Moskau ein. Kein Land gibt in Südamerika so viel Geld für Waffen aus wie das OPEC-Land. Das Feindbild hat Moskaus Stammgast Chávez schon vor vielen Jahren definiert: die "imperialistische" Regierung in Washington. Erst am Sonntag drohte der frühere Oberstleutnant und Fallschirmjäger Chávez wieder in Richtung USA, als er die Ankunft des letzten von insgesamt 24 bestellten russischen Suchoi-Kampfjets bekanntgab: "Wenn eine Invasion versucht wird, schlagen wir zurück." Sorgen und Kritik löste in der jüngsten Vergangenheit nicht nur in Caracas, sondern auch in Brasilia und Buenos Aires die nach einem halben Jahrhundert reaktivierte Vierte US-Flotte in der Karibik aus. "Jedes Gringo-Schiff, das in einen unserer Flüsse segelt, wird untergehen", warnte Chávez im venezolanischen Fernsehen. Experten meinten in den vergangenen Monaten mehrfach, die Kaufwut Venezuelas habe schon einen Rüstungswettlauf in der Region angeheizt. Ulf Mauder und Emilio Rappold, dpa
N-TV 6.8.08
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