„Die Herren sind kreativ, sie wühlen wie verrückt“ Hans-Dietrich Winkhaus über die Zukunft des attackierten Vorstandsvorsitzenden, den katastrophalen Börsenkurs und die umstrittenen hohen Vorstandsgehälter. Interview: Marc Beise und Gerhard Hennemann Stärkt Ron Sommer den Rücken: Telekom-Aufsichtsratschef Winkhaus. (AP )
(SZ vom 24.05.02) - Telekom-Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus springt dem bedrängten Vorstandschef bei und weiß sich dabei der Zustimmung von Arbeitnehmervertretern und Bundesregierung sicher. Der Kontrolleur legt aber zugleich die Messlatte höher: Das Wachstum bei Umsatz und Ergebnis muss zweistellig sein und der teure US-Kauf VoiceStream ein Erfolg werden. SZ: Herr Winkhaus, Sie sind Mitglied im Gesellschafterausschuss der Henkel KGaA und sollen zugleich die Telekom-Manager kontrollieren. Was verbindet denn Persil mit T-Mobil? Winkhaus: Ich weiß, worauf Sie anspielen. Tatsächlich könnte ich auch heute noch keinen Journalisten kompetent über neueste Techniken im Telekombereich informieren – was aber auch nicht meine Aufgabe ist.
SZ: Wir haben eine Frage an Sie, für deren Beantwortung Sie keine besonderen technischen Vorkenntnisse benötigen: Wie lange ist Ron Sommer noch als Telekom-Chef zu halten? Winkhaus: Darauf kann ich Ihnen die klare Antwort geben, dass der Aufsichtsrat nach wie vor geschlossen hinter Herrn Sommer steht und ihn voll unterstützt.
SZ: Das ist einhellige Auffassung im Aufsichtsrat, bei Unternehmern wie Arbeitnehmervertretern? Winkhaus: Er ist aus unserer aller Sicht nach wie vor der richtige Mann an der Spitze des Konzerns. » Glauben Sie mir, dass ich abends oft da sitze und mir den Kopf zerbreche über die Telekom. « SZ: Zumindest die Aktionäre der Telekom sind da ganz anderer Meinung und werden Ihnen das bei der Hauptversammlung in der kommenden Woche vermutlich auch deutlich sagen. Winkhaus: Meine Kollegen und ich haben sehr großes Verständnis für die Enttäuschung der Aktionäre. Der Kursverfall der T-Aktie ist ja wirklich dramatisch. Glauben Sie mir, dass ich abends oft da sitze und mir den Kopf zerbreche über die Telekom.
Aber ich möchte als Vorsitzender des Aufsichtsrates nicht in die Situation wie beim Fußball geraten. Vier Spiele verloren, die Fan-Kurve pfeift und der Trainer wird gefeuert. Ein neuer Mann wird angeheuert und das fünfte Spiel wird dann gewonnen. Wer solches von mir erhofft, der setzt darauf, dass ich populistischen Strömungen – insbesondere in Wahlkampfzeiten – nachgebe.
SZ: Und das wollen Sie nicht? Winkhaus: Warum sollte ich das ausgerechnet im Fall Sommer tun? Bei einem Mann, den ich als herausragenden Analytiker schätzen gelernt habe und dem konstruktive Teamarbeit über alles geht. Nein, der Telekom-Vorstand ist nach meiner Einschätzung sehr gut besetzt. Die Herren sind kreativ, sie wühlen wie verrückt, sind international vernetzt und ausreichend kritikfähig untereinander.
SZ: Wirklich? Sommer gilt als ein von der Realität abgehobener Einzelkämpfer mit Starallüren. Winkhaus: Genau das ist er nicht. Das in den Medien immer wieder verbreitete Bild eines emotional agierenden Managers trifft auf ihn einfach nicht zu. Wäre dem so, dann hätte er wohl kaum nach all den Turbulenzen immer noch die uneingeschränkte Unterstützung des 43-Prozent-Aktionärs Bund.
SZ: Sind Sie sich dieser Unterstützung ganz sicher? Winkhaus: Ja, er hat sie und das gilt sowohl für den Bundeskanzler als auch für BundesfinanzministerHans Eichel ...
SZ: ...der aber darüber erzürnt sein soll, von Ron Sommer nicht über die Dividendenkürzung informiert worden zu sein. Winkhaus: Das halte ich für ausgeschlossen, denn das Finanzministerium war in diese Diskussion eingebunden. Natürlich kann es in einem großen Ministerium hier und da bad feelings gegenüber der Telekom geben. Der Aufsichtsrat hat die Dividenkürzung jedenfalls einvernehmlich beschlossen. Die schlechte Lage gab einfach nicht mehr her.
SZ: Hätten Sie dann die Dividende nicht ganz streichen müssen? Winkhaus: Auch ich habe mich damit zunächst schwer getan. Man hat ja irgendwie im Kopf, dass es ohne Gewinn auch keine Dividende geben kann. Hier fängt dann die Analytik an: Was sind das für Verluste, die ausschließlich durch Good-will-Abschreibungen, also den Abzug immaterieller Firmenwerte, entstehen? Was ist eigentlich die richtige Steuerungsgröße für das Ergebnis der Telekom? Wie stark muss man die Marktpsychologie berücksichtigen, wenn man den enttäuschten Aktionären auch noch die Dividende streicht?
SZ: ... und die Herren Vorstände bei ihren Bezügen gleichzeitig über Gebühr absahnen. Die Aufwendungen für den Vorstand haben sich verdoppelt. Winkhaus: Das stimmt so nicht, denn die hohe prozentuale Steigerung ergibt sich in erster Linie aus den Abfindungen für zwei ausgeschiedene Vorstandsmitglieder sowie aus den Bezügen der Nachrücker Ricke und Hirschberger.
SZ: Trotzdem ging es auch für die anderen bemerkenswert nach oben. Winkhaus: Die Bezüge setzten nun mal am Erfolg des Jahres 2000 an, der erheblich war und der deshalb den Sprung auch rechtfertigte. Und wenn Sie da anderer Meinung sein sollten, so bedenken Sie bitte, dass auch die Telekom wettbewerbsfähige Gehälter zahlen muss.
SZ: Haben Ron Sommer und seine sieben Vorstandskollegen bisher so wenig verdient? Winkhaus: Ein namhaftes Beratungsunternehmen hat uns davon überzeugt, dass die Vorstandsbezüge der Telekom, die immer noch deren Behördenvergangenheit widerspiegeln, weder im Inland und schon gar nicht im Ausland wettbewerbsfähig waren. Wenn aber ein Vorstand mit eindrucksvollen Managern gut arbeitet, dann sollte er nach meiner Meinung auch nicht ständig Versuchungen ausgesetzt sein. Wobei wir hier nicht über Exotengehälter reden.
SZ: Und Sie erwarten, dass Ihnen der gebeutelte T-Aktionär in der Köln-Arena all das abkauft? Winkhaus: Ich weiß, dass eines ganz und gar nicht zu meiner eher positiven Grundeinschätzung passt: nämlich der Börsenkurs. Aber mein Optimismus gründet darauf, dass sich die Telekom mit ihren vier Säulen schon bisher als wesentlich standfester als ihre großen weltweit agierenden Wettbewerber erwiesen hat. Würden wir heute allein Mobilfunk anbieten, wie etwa Vodafone, dann könnte ich nicht mehr ruhig schlafen.
SZ: Es ist ja nicht nur der Kurs. Der Erwerb des US-Telekommunikationsunternehmens VoiceStream und die UMTS-Lizenzen haben die Verschuldung des Unternehmens in die Schwindel erregende Höhe von 67 Milliarden Euro getrieben. Winkhaus: Ich habe, wie die meisten Menschen, einen großen Respekt vor der absoluten Höhe solcher Zahlen, und den sollte man sich auch bewahren. Vergleicht man diese Zahl jedoch mit dem Eigenkapital von 60 Milliarden Euro, dann sieht das Bild schon wesentlich undramatischer aus. Wir vergleichen unser Ergebnis regelmäßig mit unserer Verschuldung: Da haben Investmentbanker eine bestimmte Vorstellung von Angemessenheit, der wir schon recht nahe kommen.
SZ: Glauben Sie ernsthaft, dass die Telekom ihren Schuldenberg alsbald wie angekündigt von 67 auf 50 Milliarden Euro abbauen kann? Winkhaus: Ja, das glaube ich. Unsere Planung ist solide. Und lassen Sie mich hinzufügen: Wenn wir die 50 Milliarden erreichen, dann sollte es dabei auch sein Bewenden haben.
Ich will dieser Diskussion nicht vorgreifen, aber wenn das Wachstum bei Umsatz und Ergebnis dann stimmt, brauchen wir eigentlich nicht mehr viel Schulden abbauen. Wir sind dann bei einem Verhältnis von Einnahmen und Schulden, wie das für jede normale Firma gilt. In absoluten Zahlen ist es viel Geld, in Relation zum Eigenkapital stimmen sie aber.
SZ: Insgesamt sehen Sie also im Unterschied zu zahlreichen Analysten und Börsianern keinerlei Grund, an der Unternehmensstrategie des Ron Sommer zu zweifeln? Winkhaus: Ich zweifele nicht daran, und auch die übrigen Aufsichtsratsmitglieder zweifeln nicht daran, dass die Strategie der Telekom richtig ist. Nehmen wir VoiceStream. Der Kaufpreis – das stimmt – war hoch, sehr hoch, aber die Strategie, die dahinter steckt, halte ich nach wie vor für richtig. Der Aufsichtsrat hat keinen Grund, die Strategie in Frage zu stellen. Das kann sich natürlich ändern.
SZ: Wann wäre das der Fall? Winkhaus: Wenn wir nicht halten können, was wir dem Markt versprochen haben: ein zweistelliges Umsatzwachstum und zweistellige Zuwachsraten beim Betriebsergebnis vor Abschreibungen, beim Ebitda. Wenn wir das nicht erreichen, dann wäre das für mich ein ganz wesentlicher Punkt.
SZ: Insbesondere VoiceStream ist damit also zum Erfolg verdammt. Winkhaus: Die Zukunft der Telekom ist einfach schon auf Grund der hohen Beträge, die für den Kauf des amerikanischen Mobilfunkunternehmens ausgegeben werden mussten, sehr stark mit der Entwicklung von VoiceStream gekoppelt. VoiceStream muss ein Erfolg werden – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
SZ: In den USA haben Sie mit mächtigen Wettbewerbern zu tun. Winkhaus: Das stimmt, und die sind immer für eine Überraschung gut. Aber im Moment stehen dort die Ampeln auf grün, und deshalb bin ich guter Dinge. Wenn dieser Optimismus nicht gerechtfertigt wäre, würde das einen herben Rückschlag bedeuten.
SZ: Wann werden wir denn endgültig wissen, ob VoiceStream ein guter Schachzug war? Winkhaus: Ich schätze mal in drei bis vier Jahren.
SZ: Solange ist Ron Sommer sicher? Winkhaus: Bitte verstehen Sie, dass ich keine Prognose abgeben möchte, wann hinter Herrn Sommer eine Fragezeichen gesetzt werden könnte. Wir machen einmal im Jahr ein so genanntes Vorstands-Review und vergleichen die Planungen und Zielsetzungen mit den tatsächlich erreichten Werten.
Gruß Pichel
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