Sozialhilfe doppelt gezahlt Computerfehler: Behörde überwies an 5000 Hamburger zu viel Geld: Millionenschaden.
Von Jan-Eric Lindner
Als Holger C. (44) in der vergangenen Woche einen Kontoauszug bei der Haspa in Eimsbüttel holte, traute er seinen Augen kaum: Der erwerbslose Sozialhilfeempfänger bekam für den Monat August gleich die doppelte Menge Geld von der Stadt überwiesen, konnte plötzlich über 544 Euro verfügen statt wie sonst monatlich über 272. Wie Holger C. ging es insgesamt 5000 Sozialhilfeempfängern in ganz Hamburg. Durch einen Softwarefehler im Senatsamt für Bezirksangelegenheiten wurden Tausende von Überweisungen doppelt ausgeführt. Der Schaden summiert sich auf mehr als zwei Millionen Euro.
Zwar hat die Stadt Anspruch auf eine Rückerstattung der zu viel gezahlten Hilfsgelder, doch in vielen Fällen dürfte eine Durchsetzung dieses Anspruches schwierig werden. Und: Nicht nur Beträge an die Sozialhilfeempfänger wurden doppelt ausgezahlt, auch Mieten, Stromkosten und andere vom Amt übernommene Leistungen sind durch den Computerfehler viel zu üppig ausgefallen. Um wie viele Fälle es sich hier handelt und wie hoch der Gesamtschaden ist, wird im Amt noch geprüft. Mutmaßlich wird es sich auch hier um einen Millionenbetrag handeln, der vom Amt zu viel ausgezahlt wurde. Dr. Kai Nitschke, Sprecher des Senatsamtes für Bezirksangelegenheiten: "Bei den Versorgungsfirmen wie den HEW und der SAGA, die von uns doppeltes Geld bekommen haben, können wir die Überweisungen mit den Geldern für den kommenden Monat verrechnen. An die Sozialhilfeempfänger haben wir in der vergangenen Woche, direkt nachdem das Problem erkannt wurde, Briefe verschickt." Auf dem Briefpapier des jeweils für sie zuständigen Bezirksamtes werden die Sozialhilfeempfänger darin aufgefordert, "im Rahmen Ihrer Mitwirkungspflicht umgehend" und unter Angabe des Kassenzeichens den zu viel überwiesenen Betrag zurückzuzahlen. "Für die dadurch entstandenen Aufwände bitten wir um Entschuldigung", heißt es am Ende des Amtsbriefes. Dass die insgesamt 5000 bevorteilten Sozialhilfeempfänger das Geld schnell und bereitwillig zurückzahlen werden, gilt auch im Amt als eher unwahrscheinlich.
Dr. Nitschke: "Die Stadt wird eine Monatsfrist setzen, dann das Geld der säumigen Rückzahler einklagen. Doch viele der Sozialhilfeempfänger haben das Geld sogar schon zurückgezahlt, bevor der Brief überhaupt raus war." Genaue Zahlen liegen im Amt indes noch nicht vor. Auf "höchstens 40 Prozent" schätzt eine Hamburger Berufsbetreuerin die Quote der Sozialhilfeempfänger, die das Geld tatsächlich zurückgeben werden. Die Betreuerin: "Bei vielen ist es sicher schon jetzt weg. Entweder ausgegeben oder durch Gläubiger, die zur Schuldentilgung Zugriff auf die Konten haben, eingezogen."
Der Bund der Steuerzahler in Hamburg zeigt Verständnis für den Softwarefehler, fordert aber, dass die Verursacher den Schaden in unbezahlten Überstunden rückabwickeln. "Sonst entstehen noch mal Kosten", so Geschäftsführerin Gertrud Erdmann. Um den Sozialhilfeempfängern, die das Geld bereits ausgegeben haben, eine Rückzahlung zu erleichtern, erwägt das Amt, Ratenzahlungen zuzulassen.
erschienen am 12. Aug 2003 in Hamburg
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