Also ich sehe es sehr ähnlich wie Du, wobei bei mir EK-Quote, Buchwert und KUV bei bestimmten Aktien durchaus auch eine Rolle spielen können, aber doch eher selten.
Wenn beispielweise eine Aktie im Branchenvergleich ein niedriges KUV hat, könnte das darauf schließen, dass dieses Unternehmen möglicherweise aus einem temporären Grund (z.B. hohe Abschreibungen, Auftragsverschiebungen im Periodenzeitraum) einen niedrigen Gewinn erzielt hat, und deswegen die Aktie abgestraft wurde. Das sind dann aber eben oft nur temporäre Gründe, die den Gewinn verringert und damit das KGV extrem erhöht haben. Insofern ist das KGV manchmal natürlich noch weniger aussagekräftig als das KUV. Und im angesprochenen Fall könnte das KUV ein Hinweis auf eine Turnaroundchance im Folgejahr sein. Also antizyklisches Kaufen.
Den Buchwert verwende ich eigentlich nur, wenn die Aktie auf Buchwert oder darunter notiert, denn dann sichert er einfach ab. Ist natürlich auch egal, wenn gar keine Aussicht auf positiven CashFlow in den nächsten Jahren besteht, aber es gibt genügend Aktien (wie eben derzeit Parsytec), die auf Buchwert notieren, auch sonst eine gute Bilanz aufweisen (da wären wir bei der EK-Quote), und immerhin einen guten CashFlow haben, also letztlich den Buchwert sogar noch steigern. Da ist dann auch mal ein KGV von 15-20 nicht weiter wild, zumindest wenn es eine gewisse Wachstumsperspektive gibt.
In Stichpunkten kann ich es deswegen schwer zusammenfassen, denn es gibt wenig Aktien, wo alles so klar auf der Hand liegt. Nemetschek hätte ich zum Beispiel letztes Jahr bei Kursen von 6,5 € nicht entdeckt, wenn ich auf Aktienkennzahlen wie KGV, KUV oder auch KBV geguckt hätte. Da war ein Blick auf die Bilanzrelationen und den CashFlow wichtig. Daraus war eben klar erkennbar, welche CashCow Nemetschek ist, und wie sich nach der neuen Rechnungslegung auch die Gewinne ab 2005 stark erhöhen werden. Dazu kam der Cashbestand des Unternehmens, der anorganisches Wachstum, hohe Dividenden und ein positives Zinsergebnis ermöglicht. Also alles Dinge, die du in deinen Stichpunkten nicht erwähnt hast, die aber durchaus in Verbindung mit diesen Stichpunkten eine enorme Performence bringen können.
Wenn ich es aber doch in Stichpunkten zusammenfassen müsste, würde ich vermutlich eher beschreiben, in welcher reihenfolge ich eine Aktie analysiere.
1. Man wird über Internetforum oder Börsenmagazin entweder auf eine bestimmte Aktienkennzahl oder auf eine Chartformation aufmerksam gemacht. Ich schaue mir zuerst den Chart an, ob der interessant aussieht. Überkauft, überverkauft, gerade ausgebrochen, unter Unterstützung gefallen etc.! Da fallen dann schon mal 50% der Tipps raus. 2. Ich gucke mir die GUV-und BilanzDaten im Jahresvergleich an. 2a) wächst das Unternehmen bei Umsatz und überproportionale beim Gewinn 2b) wie hoch ist die Verschuldung? EK-Quoten unter 30% kommen nur in Ausnahmen in Frage. 2c) wie hoch ist das KGV? Gemessen am Wachstum vertretbar? 3. Lässt das Geschäftsmodell weiteres Wachstum erwarten?! Wenn ich das nicht selbst einschätzen kann, frage ich in den Foren nach. Geht mir derzeit bei einigen Medizintechnikaktien so, die ich sehr interessant finde, aber nicht bescheid weiß. Ein Indiz ist aber sicherlich der Auftragseingang. 4. Genaue Analyse des letzten Berichts, also auch des Anhangs. Sind bestimmte Sonderfaktoren vorhanden, die den Gewinn im Periodenzeitraum stark geschmälert haben, und die der breite Markt noch nicht entdeckt hat? Denn das sind meist die Aktien, die zwar nicht die typische Turnaroundspekulation eines Pennystocks darstellen, aber die trotzdem genügend Gewinnwachstum in den Folgequartalen versprechen, selbst wenn das Umsatzwachstum nur 5-10% groß sein sollte.
Sollte ich nach diesen Punkten zu einem positiven Urteil gekommen sein, muss ich mich halt entscheiden, ob ich gleich zuschlage. Hängt dann stark von dem Bekanntheitsgrad der Aktie und der daraus resultierenden Psychologie am Markt ab. Oder warte ich aus charttechnischen Gründen auf einen besseren Einstieg.
Jedenfalls kann ich nicht sagen, dass ich bestimmte Aktienkennzahlen eindeutig vorziehe, auch wenn es sicherlich einige User hier bei ARIVA und WO gibt, die desöfteren der Meinung sind, ich würde zu sehr auf das KGV schauen. Ist aber immer eine Verbindung des KGVs mit dem Wachstum und den Bilanzdaten. Grob zusammengefasst gesagt, ich schaue, wie eine Aktie das KGV erreicht. Und da spielen eben diverse Gründe eine Rolle. Was bringt mir beispielsweise ein hohes Ebitda, wenn aber die Bilanz Abschreibungen befürchten lässt? Was bringt mir ein hohes Ebit, wenn das Unternehmen hochverschuldet ist, und enormen Zinsaufwand bewältigen muss, und vielleicht sogar eine Kapitalerhöhung nötig wird? Was bringt mir 30% Gewinnwachstum pro Jahr bis 2007, wenn die Aktie jetzt schon mit KGV von 60 bewertet ist? etc. etc. Du weißt schon, was ich sagen will.
Na ja, das Posting ist lang geworden. Zeigt wie kompliziert die Analyse sein kann. Obwohl ich sagen muss, das man irgendwann dafür ein Auge entwickelt hat. Meist brauche ich keine Stunde mehr, um zu erkennen, ob eine Aktie ein Kauf ist oder nicht. Viele Börsianer nehmen sich aber nicht mal mehr die Zeit für 10 Minuten Analyse, und die fallen dann oft aus allen Wolken, wo denn plötzlich die Abschreibungen herkommen oder die Kapitalerhöhung, weil sie sich die Bilanz nicht einmal angeschaut haben. Deswegen finde ich 99% aller Analystenempfehlungen auch total unsinnig, weil sie sich meist nur auf das KGV und das Wachstum beziehen. Da muss der Anleger voraussetzen können, dass sich der Analyst auch sonst mit dem Unternehmen befasst hat, was ich bei vielen Analysten bezweifle. Insofern spielen Buchwert und EK-Quote genau wie das KUV wie beschrieben durchaus ein Rolle.
Grüße
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