19.01.2007 Lycos stellt "Jubii" vor Verzettelt im Netzwerk Eine "neue und bisher einzigartige" Kombination von Web 2.0 Services verspricht die neue Internet-Plattform "Jubii" von Lycos. So richtig zum Jubilieren ist das Portal aber nicht. Von Jörg Donner Jan Wergin ist ganz euphorisch, wenn er von Jubii erzählt. Einen Großteil seiner Karriere hat der Lycos-Manager in Amerika verbracht, unter anderem bei Microsoft.Deshalb rutschen ihm bei der Präsentation immer wieder englische Worte über die Lippen. Wenn er davon schwärmt, was die neue Plattform "Jubii" ist, sagt er ganz gerne "social communication". Darum gehe es bei der Webseite, die im März online gehen soll. Und weil soziale Netzwerke wie StudiVZ, MySpace oder Xing gerade ein Hype-Thema sind, will sich Lycos ein Stück vom Kuchen abschneiden. Dabei bietet Jubii nicht wirklich Neues: Im Prinzip handelt es sich um einen Mail-Anbieter, ähnlich den Angeboten von gmx oder web.de. Allerdings, so schränkt Wergin ein, wären die Mailboxen in anderen Systemen oft unübersichtlich, Wichtiges somit nur schwer von Unnützem zu unterscheiden. "Wichtig ist doch die social communication", sagt Wergin wieder, und die fände vor allem mit Leuten statt, denen man vertraut. Deshalb gibt es in Jubii zwei Eingangsboxen: die private und die öffentliche. Mails von unbekannten Absendern landen automatisch im öffentlichen Eingang, nur vertrauenswürdige Mails erreichen die private Postbox, ganz unabhängig vom Inhalt. Dieses Prinzip ist aber bei anderen Anbietern bereits gängige Praxis, auch bei web.de sind beispielsweise die Mailboxen getrennt nach vertrauenswürdigen Personen und unbekannten Absendern. Sortiert und übersichtlich Jubii soll zudem in der Live-Version automatisch wichtige Mails hervorheben. Dies geschieht zum einen über eine vordefinierte Liste, zum anderen aber über automatische Prozesse. Wird ein Kontakt besonders häufig angeschrieben, wandert er in der Priorität nach oben. Die Antwort erscheint dann hervorgehoben im Posteingang. Durch diese "intelligente" Hervorhebung unterscheidet sich Jubii von den meisten anderen Produkten auf dem Markt. Auch die Oberfläche selbst ist komfortabler. So unterstützt die Browser-basierte Applikation beispielsweise drag&drop. Das heißt, Mails können mit der Maus auf den Papierkorb gezogen werden. Von der Ordnernavigation hat sich Lycos mit diesem neuen Produkt völlig verabschiedet. Statt dessen vergeben die Nutzer sogenannte Tags, also Schlagwörter, die ihren E-Mail-Verkehr charakterisieren. Mit einem Klick auf das entsprechende Kriterium lässt sich der Posteingang damit schnell sortieren. Seine besondere Stärke soll Jubii aber nicht als reine Mailplattform ausspielen, sondern als "soziales Netzwerk". Im Klartext heißt das, statt einem einfachen Adressbuch kann man sich ein Netzwerk aus anderen Mitgliedern zulegen. Bekannte und Freunde werden hinzuaddiert und dürfen dann bestimmte Daten des eigenen Profils einsehen. Das Prinzip, das Plattformen wie Xing oder StudiVZ längst nutzen, hat durchaus Vorteile. So pflegt jeder Kontakt selbst seine Daten, unterschiedliche Zugriffsrechte regeln die Privatsphäre. Warum nun aber die Kunden der bestehenden Portale zu Jubii wechseln sollen, sagt Wergin nicht. Voice over IP mit im Angebot "Wenn wir kommunizieren, wollen wir uns nicht mit Technologien beschäftigen", erklärt Wergin. Zwangsläufig müsse man sich aber mit verschiedenen Programmen auseinandersetzen: "Wir brauchen ein Tool für Voice over IP-Telefonate, für Chats ein anderes Programm und auf eine Webseite wie Flickr laden wir Fotos hoch." Statt verschiedener Plattformen und Programme sollen die Nutzer bei Jubii alle Web 2.0-Dienste in Anspruch nehmen können. "Jubii vereint alle Möglichkeiten der Kommunikation", heißt es in der Präsentation. Je nachdem, welche Daten hinterlegt sind kann man per Mausklick entscheiden, ob ein Kontakt eine E-Mail, eine sms oder einen VoIP-Anruf erhalten soll. Ein Telefonat soll sogar ohne entsprechende Hardware, wie etwa ein Headset, möglich sein. "Sie geben einfach zwei Telefonnummern ein, zum Beispiel die eines Hotelzimmers und ihre eigene, beide Telefone klingeln und sie telefonieren", erklärt Wergen. Zu Beginn sei dieser Service wie alle anderen Angebote kostenlos, verspricht er. Später soll es Gesprächsguthaben zu kaufen geben, ein Preis stünde noch nicht fest. Nur Mitglieder haben Vollzugriff Für den Austausch von Fotos und Dateien stellt Jubii jedem Nutzer kostenlos einen Speicherplatz von acht Gigabyte zu Verfügung. "Mehr als die Mitbewerber"wie Wergin versichert. Durch eine Zugriffsregelung innerhalb des eigenen Netzwerkes können Freunde und Bekannte damit auf einen kontrollierten Bereich zugreifen, der für die Öffentlichkeit nicht einsehbar ist. Allerdings ist es Nicht-Mitgliedern von Jubii verwehrt, die Bilder in der vollen Auflösung zu sehen. "Dadurch wollen wir natürlich neue Mitglieder gewinnen" sagt Wergin. Insgesamt gesehen bietet Jubii zwar eine Reihe von interessanten Angeboten, allerdings ist eine solche Gemeinschaft nur dann interessant, wenn sie viele Mitglieder hat. Um alle Services zu nutzen, die Jubii anbietet, muss man momentan noch auf mehrere einzelne Programme und Webseiten zugreifen. Ob sich die Nutzer deshalb aber überreden lassen, zu einem neuen Anbieter zu wechseln, ist eher zweifelhaft. Im März geht Jubii online, zunächst in den USA. Ende März, Anfang April soll dann auch das deutsche Portal zur Verfügung stehen. Momentan erreicht man unter der Adresse www.jubii.de noch den Jubiiblog von Lycos. Eine Blog-Oberfläche, bei der die Nutzer die Möglichkeit haben, ihre Einträge mit der Tages-Stimmung zu verknüpfen. Lycos bezeichnet sich selbst als "europäischen Marktführer im Bereich Communities", der Jubiiblog ist bereits seit Oktober 2005 online. (sueddeutsche.de)
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