Sinn entschuldigt sich bei Juden
Normalerweise interpretiert der Ifo-Chef Zahlen, nun hat er sich an der Geschichte versucht: Hans-Werner Sinn verglich Kritik an Managern mit der Judenverfolgung und erntete breite Empörung. Jetzt hat sich der Ökonom entschuldigt - und das Zitat als missverständlich dargestellt
Er habe "das Schicksal der Juden nach 1933 in keiner Weise mit der heutigen Situation der Manager vergleichen wollen", schrieb Sinn in einem auf Montag datierten Brief an die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch. "Ein solcher Vergleich wäre absurd. Mir ging es allein darum, Verständnis dafür zu wecken, dass die wirklichen Ursachen weltwirtschaftlicher Krisen Systemfehler sind, die aufgedeckt und beseitigt werden müssen. Die Suche nach vermeintlichen Schuldigen führt stets in die Irre."
Der Präsident des Ifo-Instituts hatte dem "Tagesspiegel" gesagt: "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken." In der Weltwirtschaftskrise von 1929 "hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager". Sinn Äußerungen hatten unter vielen Politikern für Empörung gesorgt, zuletzt forderte auch die Bundesregierung eine Klarstellung. Sinn ist seit 1989 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium.
In seinem Brief an Knobloch schreibt Sinn, die "tiefe persönliche Freundschaft mit vielen jüdischen Kollegen auf dieser Welt" sowie "meine Scham und mein Entsetzen gegenüber dem, was den Juden von Deutschen angetan wurde" hätten sein Leben geprägt. "Ich bitte die jüdische Gemeinde um Entschuldigung und nehme den Vergleich zurück."
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hatte Sinn zuvor aufgefordert, seine Aussagen "so schnell wie möglich ohne Wenn und Aber zurückzunehmen und sich zu entschuldigen". Der Vergleich sei "empörend, absurd und absolut deplatziert, eine Beleidigung der Opfer", sagte Kramer der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung". "Mir wäre neu, dass Manager geschlagen, ermordet oder ins Konzentrationslager gesperrt würden."
Die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann sagte, sie kenne Sinn als klugen Mann. "Mir ist aber völlig unverständlich, wie jemand die menschenverachtende und zerstörerische nationalsozialistische Ideologie des Antijudaismus, die Millionen Menschen ermordet hat, in eine Verbindung mit der Frage nach den Verantwortlichen in der aktuellen Bankenkrise bringen kann."
"Angesichts solcher Äußerungen hat man den Eindruck, Herr Sinn ist nicht bei Sinnen", sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Edathy fügte hinzu: "Bankmanager, die für Fehlleistungen verantwortlich sind, werden bekanntermaßen nicht wegen ihres religiösen Glaubens, sondern wegen ihres Handelns kritisiert."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sprach in Berlin von einer "beispiellosen Geschmacklosigkeit". Auch er forderte Sinn auf, seine Äußerung zurückzunehmen. "Die Wirtschaftskompetenz von Herrn Sinn mag in der Fachwelt strittig sein. Seine Geschichtsvergessenheit ist ab heute unumstritten."
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