Hallo ulm, sorry für meine verspätete Antwort und nochmals Danke für Deine ausführliche Begründung und Analyse.
Gegen die von Dir genannten Zahlen kann und will ich gar nicht argumentieren, denn sie stimmen ja. Dass Conergy in den vergangenen Jahren mehr als grobe Fehler gemacht und sich massiv übernommen hat, wird, glaube ich, niemand (auch nicht der Nachbarthread;.)) bestreiten. Allerdings finde ich, dass Du die Zahlen doch sehr statisch interpretierst. Immerhin kann man doch an den ein oder anderen Zahlen eine erfreuliche Tendenz beobachten: so hat sich z.B. der Umsatz vom 1. zum 2. Quartal 2009 fast verdreifacht, der Cashflow ist deutlich angestiegen, die Nettoverschuldung hat sich immerhin im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr in etwa halbiert - zugegebenermaßen aufgrund der Kapitalerhöhung .
Ein Unternehmen, dass derart in Schieflage war, wir nicht über Nacht wie ein frischpoliertes, nagelneues Auto dastehen. Es erfordert Arbeit und viele kleine Schritte, die dann erst peu à peu greifen. Restrukturierungen und Mitarbeiterabbau (immerhin über 10% im Vergleich zum Vorjahr) haben zu Einsparungen geführt. Aus bestimmten Regionen wie z.B. Korea hat sich Conergy vollständig zurückgezogen, da dort aufgrund der Währungsturbulenzen vernünftige Margen schwierig zu erwirtschaften waren.
Hinsichtlich ihres Zulieferes MEMC war Conergy mittlerweile mit der Klage und den Schlichtungsgesprächen schon sehr erfolgreich, da MEMC die Gegenklage auf eine Summe von über 100 Mio US Dollar zurückgezogen hat. Momentan kann keiner mit Sicherheit sagen, wie die Gespräche zwischen den beiden weitergehen werden und ob es Conergy eine „ordentliche Stange Geld kosten wird“, wie Du es geschrieben hast. Vertrag ist eben NICHT Vertrag…offensichtlich sah auch die Richterin Scheidlin den Punkt von Conergy, als sie der Klage von Conergy in 7 von 8 Punkten stattgegeben hat. Und in dieser Klage geht es halt um AUFHEBUNG des Vertrages, da wettbewerbsfeindlich. Im Gegensatz zu Dir gehe ich davon aus, dass Conergy und MEMC sich auf jeden Fall einigen werden – und zwar zugunsten von Conergy. Und die Einigung wird auf jeden Fall ein besseres Szenario in finanzieller Hinsicht darstellen als der ursprüngliche Vertrag, der ja momentan noch gilt.
Bezüglich der Konsolidierung im Solarsektor bin ich durchaus bei Dir. Allerdings muss ich Dich in einem Punkt korrigieren bzgl der Strategie der Big Player: hier erinnere ich Dich an die Übernahme von aleo solar (die Module herstellen) diesen August durch Bosch. Es gibt also durchaus auch noch die Möglichkeit der Übernahme im Bereich der Solarmodulherstellung.
Hinsichtlich der politischen Marschrichtung der neuen Regierung sind wir uns durchaus einig. Auch ich glaube, dass es zu einer Reduzierung der Solarsubventionen kommen wird. Vom theorethisch-ökonomischen Standpunkt längst überfällig. Aber hier spielt die Politik eine große Rolle und es geht um Arbeitsplätze in einer sogenannten Wachstumsbranche. Was die Regierung natürlich jetzt, nach den Riesenpleiten und Fast-Pleiten der letzten Monate, nicht gut verkaufen kann, ist der Abbau von weiteren Arbeitsplätzen durch das Kürzen von Subventionen. Ich tippe im Gegensatz zu Dir darauf, dass die Regierung zu einem bestimmten Stichtag (und zwar nicht mehr im Jahr 2010!) die Subventionen kürzen wird. Dann käme es, wie von Dir richtig prognostiziert, zu Vorzugseffekten. Die Arbeitsplätze wären aber damit erstmal eine Zeitlang noch gesichert. Wenn dann das allgemeine Wirtschaftswachstum wieder an Fahrt aufgenommen und sich die Lage der Gesamtwirtschaft in Deutschland deutlich verbessert hat, und das dürfte wohl 2011 so sein, dann fallen potentielle Arbeitsplatzverluste durch ein Kürzen der Subventionen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit auch nicht mehr so ins Gewicht.
Im Übrigen glaube ich, dass auch gerade durch eine Änderung des ökologischen Bewusstseins in den USA und des Wiederansteigens des Ölpreises sich durchaus Märkte weiter erschließen und ausbauen lassen. Wie das den einzelnen Solarfirmen gelingt, wird man sehen.
Ob der Bau der Fabrik in Frankfurt/Oder wirklich ein so „grosser, unreparabler Fehler“ war, wage ich zu bezweifeln. Ganz klar sind die Produktionskosten hier deutlich höher als z.B. in China oder auch in den USA. Ich bin aber überzeugt, dass Conergy durch die geographische Nähe der Produktion einen großen und direkten Einfluss auf die Qualität hat. Und dass kann sich noch mal als komparativer Wettbewerbsvorteil erweisen.
Insgesamt sehe ich die Conergy-Aktie noch für eine mittelfristige Zeitspanne als ein volatiles Papier und deshalb zum Shorten durchaus geeignet. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob die Rückschläge in der Zukunft noch so massiv ausfallen, als dass sich das auf Dauer lohnen würde.
Lieber ulm, noch ein Wort zu kritischen Postings: ich freue mich immer, wenn ich etwas Fundiertes, Kritisches lese. Man muss immer wieder die eigene Strategie hinterfragen. Über Deine Ausführungen habe ich sehr intensiv nachgedacht. Ich bleibe aber dabei, dass Conergy für mich ein turn-around Kandidat ist, wohlwissend, dass der gesamten Branche durchaus stürmische Zeiten bevor stehen. Trotzdem bin ich optimistisch, da ich glaube, dass Conergy aufgrund der eigenen misslichen Lage schon deutlich früher als die Mitwettbewerber auf Restrukturierung, Verschlankung und Fokussierung auf die Kernkompetenzen gesetzt hat und damit mittelfirstig, auch trotz der momentan hohen Schuldenlast, gut positioniert ist.
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