Die Sommerballade von der armen LuiseLouise stand am Herd den langen Tag, ihr Gesicht war schon ganz schwarz vom Rauch. Und wenn sie nachts auf ihrem Strohsack lag, war sie müd und ausgehungert auch. Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte lieber sein ein Baum im Sommerwind. Und als ein Herr sie stehen sah am Herd, so schwarz vom Rauch verwandelt das Gesicht, war sie ihm trotzdem die Dukaten wert für eine Nacht. Sie aber mochte nicht. Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte lieber sein ein Baum im Sommerwind. Da sagte ihr der Herr: Dass sie ihm bald sein Weib möcht sein und ganz in Seiden gehn, auch habe er ein schönes Schloss im Wald, dort würde sie nie wieder von ihm gehn. Sie war nur armer Leute Waisenkind und blühte wie ein Baum im Sommerwind. Und jetzt verstand sie auch, warum nicht Brot allein satt machen kann den Bauch, es muss auch Liebe sein. Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte, dass er bliebe, dieser Sommerwind. Doch der Sommerwind ging hin mit Kriegsgeschrei und färbte in der Nacht den Himmel rot. Und in der Schlacht war auch ihr Mann dabei, sie wusste nicht wohin mit ihrer Not. Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte wieder sein ein Baum im Sommerwind. Im Feld lag mancher Reiter schon verweht wie Blätter vom vergangnen Jahr. In Ihrem Herzen drin war kein Gebet, nur wie der Schnee so weiß war jetzt ihr Haar. Sie war nur armer Leute Waisenkind und hatte nur den einen Gott, den Sommerwind. Und als ihr Leib so welk war wie ein Baum im Herbst, da ging sie in den Fluss und machte mit dem alten Sommertraum und ihrer grauen Armut endlich Schluss. Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte nie mehr sein ein Baum im Sommerwind. Villon führte ein Vaganten- und Gaunerleben, das ihn mehrmals wegen Diebstahls und Raufereien ins Gefängnis brachte. 1463 entging er nur durch Begnadigung dem Galgen. Hier eines seiner damals berühmten Häfenlieder. Eine kleine Ballade von dem Mäuslein, das in Villons Zelle Junge bekam Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein, weil er da draußen so allein bei den entlaubten Bäumen stand. Ich habe ihm ein Kissen hingerückt, damit er ruhen konnte, und er tat's beglückt sich untern Kopf. Ich legte ihm die Hand schnell auf die Augen, und da schlief er auch. Mich aber plagte schlechte Luft im Bauch. Sie plagte mich, bis eine Uhr schon zwölfe schlug. Da hatte ich verdammt genug und ließ sie ab, die Luft. Davon ist zwar der Mond nicht aufgewacht, doch in dem Fenstereck die Mäusefrau. Sie hat im ersten Schreck geboren, was noch gar nicht fällig war. Die kleinen rosa Schnauzen piepsten da so nett, dass ich sie zu mir nahm ins warme Bett. Mein Gott, die lütten Dinger, noch ganz nackt und blind: Wie hat das Elend mich gepackt! Ich glaub, dass mir was Nasses in die Augen kam. Dabei hat manches Mädchen schon von mir ein Kind gekriegt und starb vor Scham. Die armen Würmer aber kuschten sich in meine Hand, als wär ich ihr Vater Mäuserich. Zuletzt war auch die Mäusefrau so zahm geworden, dass sie schwänzelnd zu mir kam. Die schwarzen Augen glänzten froh und groß in mein Gesicht hinein. Und plötzlich war auch ich so mäuseklein, wie dieses Tier und nahm es in den Schoß. Ich habe wohl die ganze Nacht mit ihr verbracht und an kein andres Weib dabei gedacht. Nachgedanken: Im milden Licht der Winternacht hab ich mich zu den Mäusen aufgemacht. Du aber fragst, warum denn nur? Hör zu, es ist kein Tier so klein, das nicht von dir ein Bruder könnte sein. Villon wurde nach seiner Begnadigung aus Paris ausgewiesen. Er trieb sich in den Provinzen umher und dichtete für Fürsten und Grafen, aber auch für Räuber und Huren, die ihm, wie auch unserem Herrn Jesu, sehr nahe gestanden sind. Seine unvergänglichen Lieder und Balladen, seine Gedicht-Geschichten, zeugen vom echten Leben und waren mir immer leuchtendes Vorbild. Villons Spur verliert sich in den letzten Lebensjahren. Wahrscheinlich ist er 1463, also schon mit 32 Jahren, gestorben. www.eklein.de
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