Meyer Burger in Minne
Analyse | An der ausserordentlichen Generalversammlung stimmten die Aktionäre einer weiteren Kapitalerhöhung zu.
SYLVIANE CHASSOT
Der Solarzulieferer will bis zu 1,83 Mrd. Aktien zu je 9 Rappen ausgeben. (Bild: KEYSTONE/Peter Schneider)
Das Ergebnis war absehbar: Die Aktionäre von Meyer Burger (MBTN 0.2892 3.51%) haben der Kapitalerhöhung an der ausserordentlichen Generalversammlung (a.o. GV) grünes Licht gegeben. Stimmrechtsberater hatten das Anliegen unterstützt, Studien der UBS (UBSG 11.11 1%) und des Analysehauses Research Partners kamen zu wohlwollenden Urteilen der neuen Strategie, die Meyer Burger mit dem frischen Geld umsetzen will. Mindestens 150 Mio. Fr. soll die Kapitalerhöhung einbringen. Das Geld wird in den Aufbau einer Produktion von Solarzellen und -modulen fliessen. Bisher hat Meyer Burger Maschinen für diese Produktion geliefert, nun wird sie zur eigenen Kundin.
Auch Sentis unterstützte die Kapitalerhöhung vehement, drängte der einst aktivistisch agierende Ankeraktionär doch schon 2018 auf den Einstieg in die Zellproduktion. Nun sitzt Sentis-Vertreter Mark Kerekes im Verwaltungsrat von Meyer Burger und sah zufrieden aus, nachdem die Geldspritze mit 81,4% Ja-Stimmen durchgewinkt worden war. Insgesamt umfasst das Aktionariat von Meyer Burger weit über 10’000 Personen. Von ihnen waren an diesem Freitag im Kongresszentrum in Thun nur wenige vor Ort. 104 Personen waren angereist, inklusive Stimmrechtsvertreter war knapp ein Drittel des Kapitals vertreten.
Keine Alternative
Viele der Meyer Burger trotz jahrelangen Kurszerfalls treu gebliebenen Aktionäre dürften der Kapitalerhöhung mangels Alternativen zugestimmt haben. Mit der alten Strategie, Maschinen für die Herstellung von Solarzellen und -modulen zu verkaufen, kam Meyer Burger nicht aus der Verlustzone heraus. Die flüssigen Mittel wurden knapp, die Flucht nach vorn scheint der letzte Ausweg.
Ungewohnt an der Aktionärsversammlung war hingegen die Minne, in der sie abgehalten wurde. Mehrere Votanten lobten CEO Gunter Erfurts «radiophone» Stimme, und auch inhaltlich sprach der Solarexperte aus Deutschland, der seit April Chef von Meyer Burger ist, in den Ohren vieler Anwesender überzeugend. Bedauern vom Rednerpult der Aktionäre erklang beinahe ausschliesslich darüber, dass der «Meyer Burger» – der traditionelle Imbiss an Generalversammlungen – Corona-bedingt wegfiel. Verwaltungsratspräsident Franz Richter tröstete mit der Aussicht auf einen Doppel-Burger bei der nächsten Gelegenheit.
So viel Zustimmung von Seiten der strapazierten Aktionäre ist man sich bei Meyer Burger nicht gewohnt. Vergangene Kapitalerhöhungen in den Jahren 2009, 2014 und 2016 verliefen weniger harmonisch, und zum offenen Streit zwischen Sentis und dem damaligen Führungsduo Brändle/Lütolf führte Kerekes’ Kandidatur für den Verwaltungsrat vergangenen Herbst.
Lob für neue Strategie
Lob erntete das neue Duo Richter/Erfurt für die neue Strategie. Das Management und einige Aktionäre sind überzeugt, Meyer Burgers Technologie zur Herstellung hocheffizienter Solarzellen werde den Unterschied ausmachen, um die Paneele zur Gewinnung von Sonnenstrom in Deutschland wieder konkurrenzfähig produzieren zu können. Standorte der ersten Produktionslinien, die mit dem Geld aus der Kapitalerhöhung aufgebaut werden sollen, stammen aus der Konkursmasse der deutschen Modulhersteller Sovello und Solarworld. Für letzteren war Erfurt selbst einst tätig.
Künftig will Meyer Burger die Technologie zur Herstellung der Zellen und Module – namentlich Heterojunction in Verbindung mit Smart Wire – nicht mehr an Dritte verkaufen. Frühere Schwierigkeiten beim Patentschutz sollen so überwunden werden. Haken an dieser Überlegung ist, dass die von Brändle eingegangene strategische Partnerschaft mit Modulherstellerin REC bedeutet, dass auf Meyer-Burger-Maschinen hergestellte Module der neusten Technologie schon am Markt erhältlich sind, wie an der a.o. GV ein Aktionär auch kritisch anmerkte.
Erfurt ist dennoch überzeugt, die Zeit in der Solarindustrie zurückdrehen zu können. Es sei ein Märchen, dass die Produktion in Deutschland teurer sei als in Asien; ein promovierter Ingenieur etwa koste in China inzwischen mehr als in Deutschland. Die Personalkosten würden nicht mehr als 10% der Gesamtkosten betragen, meinte Erfurt weiter. Zugleich will er bei Erreichen der Kapazität von 5 Gigawatt bis 2026 über 3000 Stellen schaffen.
Teurer als die Konkurrenz
Im ersten Schritt soll mit der Kapitalerhöhung eine Produktionskapazität von 400 Megawatt erlangt werden. Damit sei man «nicht weit weg von Standardherstellkosten», meinte Erfurt. «Aber natürlich produziert ein 10-Gigawatt-Hersteller in Asien günstiger.» «Finanz und Wirtschaft» schätzt die Chancen des Thuner Unternehmens, mit der neuen Strategie Geld verdienen zu können, daher als gering ein. Photovoltaik wird als Energielieferant noch wichtiger werden, auch in Europa werden in den kommenden Jahren zahlreiche weitere Solaranlagen gebaut, um den Anteile des Solarstroms am Energiemix zu steigern. Der Preisdruck in der Branche ist allerdings enorm. Vereinzelt mag das Verkaufsargument «Made in Germany» locken, doch grosse Marktanteile sind damit kaum zu gewinnen. FuW empfiehlt langfristig orientierten Anlegern, die Titel zu verkaufen.
Unmittelbar sorgt die Kapitalerhöhung nichtsdestotrotz für Schwung. Das Unternehmen hat mit der sogenannten Pipe (Private Investment in Public Equity) eine Struktur gewählt, die ein Mindestvolumen der Kapitalerhöhung garantiert. 110,2 der 165 Mio. Fr. sind durch Pipe-Investoren bereits garantiert. Beim Bezugspreis von 5 Rappen und zum Ausgabepreis von 9 Rappen werden nun bis zu 1,83 Mrd. neue Aktien ausgegeben. 685 Mio. Aktien sind heute bereits am Markt.
Die potenzielle Verwässerung ist also beträchtlich. Der theoretische Wert der künftigen Meyer Burger liegt bei 14,2 Rappen, wie das Unternehmen in der Mitteilung nach der a.o. GV schreibt. Dass der Kurs nach Beschluss der Kapitalerhöhung dennoch von 28 auf über 30 Rappen gestiegen ist, dürfte Erleichterung spiegeln. Die Bezugsfrist beginnt am 14. Juli und endet am 22. Juli.
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