Israel tötet Hamas-Gründer Jassin Jetzt wächst im jüdischen Staat die Angst vor einer neuen Terrorwelle Von Gisela Dachs für ZEIT.de Ahmed Jassin wusste, dass seine Tage gezählt waren. Schon vor Monaten hatte die israelische Regierung klar signalisiert: Auch das an den Rollstuhl gefesselte spirituelle Oberhaupt der islamistischen Hamas-Bewegung dürfe sich künftig nicht mehr in Sicherheit wiegen. Als im vergangenen September eine schwere Bombe auf das Haus fiel, in dem der Scheich mit anderen Hamas-Anführern saß, kam er mit einer Handverletzung davon. „Wir fürchten den Tod nicht", hatte Jassin damals erklärt, „wir suchen das Märtyrerdasein." Am Montagmorgen früh um fünf, er befand sich auf dem Weg zum Beten in einer Moschee in Gaza-Stadt, ist sein Auto beschossen worden. Die Raketen waren tödlich. Den Ausschlag für den erneuten Angriff mag der Hamas-Anschlag vom 13. März auf die israelische Hafenanlage von Ashdod gegeben haben, bei dem zehn Israelis ums Leben kamen. Da es sich dabei erstmals um ein strategisches Ziel handelte – im Hafen sollen gefährliche Chemikalien lagern – könnte das Attentat möglicherweise für einen neuen Typ von Terror stehen. Nach dem Attentat auf Jassin gingen im Gazastreifen zehntausende aufgebrachte Palästinenser auf die Straße, von schwarzen Rauchwolken umgeben und von Gewehrsalven begleitet. Sie bildeten den Trauerzug für den Gründer der Hamas-Bewegung, der für sie ein Symbol des Widerstands war. Gegen die israelische Besatzung, gegen den jüdischen Staat überhaupt, gegen die Ungläubigen auf der Welt. Abdul Aziz-Rantissi, einer der möglichen Nachfolger an der Spitze des politischen Flügels der Hamas, schwor Rache. Sein „Kollege" Ismail Haniya drohte mit Krieg. „Brennende Lava und ein Erdbeben" werde Israel demnächst überziehen. Während in Israel nun die Angst vor der nächsten Terrorwelle oder einem Mega-Anschlag wächst, wurde in den Medien der Sinn der Tötungsaktion hinterfragt. Eine der Hauptfragen lautete, welcher Nutzen denn daraus zu ziehen sei, wenn der Terror jetzt nur noch mehr zunehme? „Selbst wenn es jetzt kurzfristig harsche Reaktionen der Hamas gibt, und damit ist zu rechnen, werden die Hamas und andere Terror-Organisation auf längere Sicht eingedämmt, weil ihre Anführer wissen, dass sie umgebracht werden", erklärte der israelische Finanzminister und ehemalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Verfolgung von hochrangigen Hamas-Mitgliedern könnte deshalb in nächster Zeit sogar noch zunehmen. Im Vorfeld des geplanten einseitigen Rückzugs aus dem Gazastreifen will Ministerpräsident Sharon alles tun, um den Eindruck zu vermeiden, dass die israelische Armee nach dreieinhalb Jahren Gewalt die Flucht ergriffen hätte. Bleibt jedoch die Frage, ob ein Abzug auch dann noch stattfinden wird, wenn die Anschläge gegen Israel in nächster Zeit zunehmen- und sich herausstellt, dass die Attentäter – wie im Fall von Aschdod – aus dem Gazastreifen kamen. Der palästinensische Premier Abu Alla jedenfalls sieht in dem Anschlag auf Jassin einen Versuch, ihn und seine Regierung zu destabilisieren. Die Palästinenserbehörde hatte im vergangenen Jahr mehrmals versucht, zu einer Einigung mit der radikalen Hamas-Bewegung zu kommen. Doch die Gespräche waren immer wieder an der Weigerung der Hamas gescheitert, sich entwaffnen zu lassen. Auf einen Bürgerkrieg aber will sich die ohnehin geschwächte Palästinenserbehörde, deren Popularität in den vergangenen Jahren zugunsten der Hamas gesunken ist, nicht einlassen. Zu Ehren von Scheich Jassin ließ PLO-Chef Arafat im Westjordanland und im Gazastreifen eine dreitägige Trauerzeit ausrufen. Arafat nannte Jassin einen „Helden und einen Märtyrer" und fürchtet sich nun davor, dass er selber als nächster auf der Liste an die Reihe kommen könnte. Für alle Fälle zog er sich deshalb in einen sicheren Raum in der Mukataa, seinem Hauptquartier in Ramallah, zurück. ZEIT.de
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