Regulierer droht Stromkonzernen Matthias Kurth will mit einem schärferen Gesetz gegen Energieunternehmen vorgehen | | Die steigenden Preise alarmieren nun auch die Kontrollbehörden Foto: dpa | |
Die angekündigten Preiserhöhungen der Stromkonzerne hat Regulierungspräsident Matthias Kurth stark kritisiert. "Der Verdacht liegt nahe, dass von einigen Stromkonzernen die Zwischenzeit bis zur Regulierung genutzt wird, mit den Entgelten noch einmal nach oben zu gehen", sagte Kurth "Welt am Sonntag". Der Chef der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg-TP), der in Zukunft auch den Strom- und Gasmarkt regulieren wird, hat deswegen mit Konsequenzen gedroht.
"Dieses Verhalten kann dazu führen, dass wir uns gerade diese Unternehmen genauer ansehen", sagte Kurth. Denkbar sei eine gesonderte Prüfung derjenigen, die nach dem 1. Juli 2004 ihre Netzentgelte erhöht haben. "Das geht auch rückwirkend, wobei uns hier die Politik mit einer Präzisierung des Gesetzes unterstützen könnte." Kurth will dies als "deutliches Signal an die schwarzen Schafe der Branche" verstanden wissen.
Das Bundeskabinett hat Ende Juli die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) verabschiedet. Sie sieht die Regulierung der Preise vor, die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie die Leitungen der großen Versorger nutzen wollen. Das Gesetz ist zustimmungspflichtig, daher beschäftigt sich derzeit der Bundesrat mit dem Entwurf. Erst wenn das Gesetz verabschiedet ist, kann die Regulierungsbehörde mit ihrer Arbeit beginnen.
Der Regulierer reagiert mit seiner Forderung nach einer Verschärfung des Gesetzes auf die Ankündigung des Energiekonzerns RWE, die Strompreise zu erhöhen. Haushalte sollen demnach vom nächsten Januar an fünf Prozent mehr bezahlen. RWE erzeugt rund 40 Prozent des Stroms, der in das öffentliche Netz eingespeist wird. Das Unternehmen versorgt sieben Millionen Haushalte und hunderttausende von Großabnehmern.
Vattenfall Europe, drittgrößter Stromversorger des Landes, hat Ende der Woche ebenfalls eine Erhöhung der Strom- und Netzpreise angekündigt. Die Vattenfall-Töchter HEW in Hamburg und Bewag in Berlin planen eine Anhebung der Stromkosten um vier bis sechs Prozent. Für einen durchschnittlichen Drei- bis Vier-Personen-Haushalt verteuert sich der Strom damit um rund 30 Euro im Jahr. Eon hält sich mit konkreten Zahlen noch zurück, will eine Preisanhebung aber nicht ausschließen.
Bereits die Ankündigung der RWE hatte eine Welle der Empörung ausgelöst. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) warf den Unternehmen vor, "abkassieren" zu wollen. Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) drängt zu mehr Transparenz bei den Preisen: Dann könne jeder Verbraucher nachvollziehen, "was begründet und was reine Abzocke ist". Und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nannte die Gründe für den Preisanstieg "nicht überzeugend".
RWE nannte die höheren Kosten für die Strombeschaffung an der Leipziger Strombörse EEX und staatliche Auflagen als Gründe für den Anstieg. Der Preis an der Strombörse stieg im vergangenen Jahr um ein Cent pro Kilowattstunde. In Leipzig werden allerdings nur zehn Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs abgewickelt.
Tatsächlich hat sich die Strombeschaffung durch steigende Preise bei Öl, Gas und Kohle verteuert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Terrorangst hat das Öl teuer gemacht, die hohe Nachfrage aus China führte zu steigenden Kohlepreisen und der Gaspreis ist traditionell an den Ölpreis gekoppelt (siehe Kasten). Die Strompreise in Deutschland liegen wieder über denen, die vor der Liberalisierung des Marktes 1998 bezahlt wurden. Zwar sind sie in den ersten zwei Jahren nach der Marktöffnung kräftig gefallen, doch seitdem legen sie wieder ebenso kräftig zu. Nach einer Untersuchung des Energieberatungsunternehmens NUS Consulting sind die Preise in Deutschland im vergangenen Jahr um 9,3 Prozent gestiegen. Im internationalen Strompreisvergleich befindet sich das Land an zweiter Stelle. Nur Italien ist teurer (siehe Grafik).
"Preistreiber ist jedoch der Staat", sagt Werner Brinker, Präsident des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). "Der Staatsanteil an der Stromrechnung wurde seit der Marktöffnung verdoppelt", sagt er. Tatsächlich ist der Nettostrompreis heute rund 16 Prozent günstiger als noch vor sechs Jahren. Die staatlichen Abgaben hingegen sind auf rund 40 Prozent gestiegen. Dazu gehören die Öko- und Mehrwertsteuer sowie die Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien.
Durch das novellierte Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) dürfen die Kosten für die Einspeisung der Windkraft auf alle Stromversorger im Bundesgebiet umgelegt werden. Sie sind verpflichtet, Windstrom abzunehmen.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin lässt dieses Argument nicht gelten. Im letzten Jahr sei die Menge des eingespeisten Stroms aus erneuerbaren Energien nicht gestiegen, sagt der Minister. "Mit den Preiserhöhungen wird unter Berufung auf die erneuerbaren Energien Bilanzverbesserung betrieben, von Konzernen, die Gewinnzuwächse im zweistelligen Prozentbereich ausgewiesen haben." RWE und Vattenfall erhöhten bereits zum zweiten Mal ihre Tarife mit dieser Begründung.
"Die politischen Lasten auf den Energiepreisen gefährden erheblich die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes", sagt Michael Rogowski, Präsident des Bundes der Deutschen Industrie (BDI). Der Verband befindet sich in einer schwierigen Situation. Zu seinen Mitgliedern zählen sowohl die Energiekonzerne, die die Preise anheben wollen, als auch die Unternehmen, die unter hohen Strom- und Gaspreisen leiden.
Um die Position des Verbandes abzustimmen, hat Rogowski am vergangenen Mittwoch zu einem "Krisengipfel" nach Berlin geladen. Drei Stunden lang redeten RWE-Chef Harry Roels, Eon-Chef Wulf Bernotat und Vattenfall-Chef Klaus Rauscher von der Notwendigkeit der Preiserhöhungen, während sich Thyssen-Krupp-Chef Ekkehard Schulz, BASF-Chef Jürgen Hambrecht, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Zementindustrie (BDZ), Jürgen Lose, und der Chef der Norddeutschen Affinerie (NA), Werner Marnette, über die hohen Preise beklagten.
Am Ende einigte man sich schließlich auf ein Memorandum, das vor allem dem Staat die Schuld an den hohen Kosten gibt. Das Papier fordert den "Abbau wettbewerbsverzerrender politischer Lasten auf den Energiepreisen".
Vor allem Unternehmen aus der Stahl-, Metall-, Chemie-, Papier- und Zementindustrie seien von den nicht wettbewerbsfähigen Energiepreisen betroffen, sagte Rogowski. In diesen Branchen, in denen etwa 600 000 Beschäftigte arbeiten, betragen die Energiekosten bis zu 40 Prozent der Gesamtkosten. "Damit diese Industriezweige auch weiterhin in Deutschland produzieren, brauchen sie eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen." Auch nach der Verabschiedung des Energiewirtschaftsgesetzes lassen sich die Strompreise nicht direkt regulieren. Denn die Reg-TP darf nur die Preise kontrollieren, die für die Nutzung der Netze bezahlt werden. Dafür ist es nach Meinung von Reg-TP-Chef Kurth aber höchste Zeit. "Die natürlichen Monopole im Netzbereich haben einen wettbewerblich strukturierten Markt noch nicht ermöglicht", sagt Kurth.
Die Netznutzungsentgelte machen rund 40 Prozent der Strompreise aus. Da einige Bundesländer noch Änderungen an dem Gesetzentwurf wünschen, ist der Beginn der Regulierung im Januar wieder infrage gestellt. In der Zwischenzeit, so die Befürchtung von Beobachtern, könnten die Energiekonzerne genau diese Tarife noch einmal erhöhen.
RWE hat dies neben der Erhöhung der normalen Strompreise bereits angekündigt. Die RWE-Betreibergesellschaft des Höchstspannungsnetzes will ab Januar die Netznutzung um 9,6 Prozent verteuern. Während die Strompreise den Genehmigungsbehörden der Länder vorgelegt werden müssen, sind die Netznutzungsentgelte nicht genehmigungspflichtig.
Allerdings stehen die Konzerne nach der öffentlichen Entrüstung bereits jetzt unter genauer Beobachtung. Kartellamtspräsident Ulf Böge hat nach einer entsprechenden Ankündigung des Stromkonzerns Vattenfall bereits Vorermittlungen wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung aufgenommen.
Das Kartellamt wagt sich damit auf unsicheres Terrain vor. Denn die Kalkulation der Netznutzungspreise ist äußerst schwierig. Fallen die Investitionen in das Leitungsnetz zu gering aus, kann die Versorgung nicht mehr ausreichend gesichert werden.
"Preisgünstige Netzkosten sowie Sicherheit und Qualität der Strom- und Gasnetze sind kein Gegensatz", sagt Reg-TP-Chef Kurth. Damit deutet der Regulierer an, das die guten Zeiten für die Energiekonzerne bald vorbei sein könnten: "Die Mehrheit der Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, muss ihre Prozess effizienter und kostengünstiger gestalten, ohne Abstriche an Qualität und Sicherheit vorzunehmen."
Mitarbeit: Manfred Fischer
Artikel erschienen am 5. September 2004 Wettbewerb ist noch immer verzerrt von Thomas Heuzeroth Öl-Bindung -Die Koppelung der Gaspreise an die Ölpreise wurde mit Beginn der ersten Gaslieferungen nach Deutschland in den sechziger Jahren vereinbart. Seither folgt der Gaspreis im Abstand von sechs Monaten der Entwicklung der Rohölpreise. Diese Vereinbarung ist Bestandteil der Verträge zwischen ausländischen Produzenten und deutschen Importeuren. Sie sollte sicherstellen, dass die Importeure bei sinkenden Ölpreisen nicht der Marktmacht der Gasproduzenten ausgeliefert sind. Darüber hinaus sollten die hohen Investitionen in die Erschließung der Gasvorkommen geschützt werden. Verbraucherschützer kritisieren, dass die Gasversorger die steigenden Einkaufspreise regelmäßig zu saftigen Aufschlägen bei den Tarifen nutzen. "Diese Preisbindung ist heute nicht mehr gerechtfertigt", sagt Bundesumweltminister Jürgen Trittin. "Heute hat der Gaspreis mit dem Ölpreis so viel zu tun, wie der von Olivenöl mit dem von Gänseschmalz."
Wenig Auswahl -Die europäischen Staaten sind unterschiedlich weit mit der Öffnung ihrer Energiemärkte. Spätestens 2007 sollen in allen EU-Mitgliedsländern die Strom- und Gaskunden ihre Lieferanten frei wählen dürfen. In Deutschland ist dies bereits heute der Fall. Allerdings wird hier zu Lande im siebenten Jahr der Liberalisierung die Transparenz und Kostenkontrolle im Wettbewerb kritisiert. Insbesondere bei der Strom-Durchleitung gibt es praktisch keine Konkurrenz. Daher soll dieser Bereich künftig von der Regulierungsbehörde für Energie, Gas, Telekommunikation und Post (Reg-TP) reguliert werden. Derzeit werden 60 Mitarbeiter auf die Arbeit vorbereitet. Insgesamt sind 120 Mitarbeiter vorgesehen.
Teurer Strom -Innerhalb von zwei Jahren nach der deutschen Marktöffnung 1998 reduzierte sich die monatliche Stromrechnung eines Drei-Personen-Haushaltes von knapp 50 Euro auf gut 40 Euro. Die Stromkonzerne klagten über einen ruinösen Wettbewerb. In den folgenden Jahren stieg die Rechnung wieder auf heute mehr als 52 Euro. Die Euphorie der ersten Jahre ist inzwischen verschwunden. Die Energiewirtschaft klagt über den hohen Staatsanteil an der Stromrechnung. Tatsächlich hat sich der Anteil dieser Abgaben seit 1998 verdoppelt.
Artikel erschienen am 5. September 2004
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