Nach fünf langen Jahren der politischen Ungewissheit und des teilweise blutigen Chaos scheint Thailand wieder auf den Weg der Normalität einer parlamentarischen Demokratie einzuschwenken. Dass die Parlamentswahlen ruhig und geordnet über die Bühne gingen und der Wahlverlierer Abhisit seine Niederlage frühzeitig eingestand, lässt darauf hoffen, dass die politische Auseinandersetzung sich vorläufig nicht mehr vom Parlament auf die Strasse verlagert.
Dort hatte sie seit dem Militärputsch von 2006, mit dem der damalige Ministerpräsident Thaksin Shinawatra gestürzt worden war, zur Hauptsache stattgefunden und das Land in einer Mischung aus politischem Volksfest und blutiger Konfrontation tief gespalten. Der teilweise absurde Kampf zwischen einem «gelben» und einem «roten» Lager scheint der Vergangenheit anzugehören; die politischen Fronten sind komplexer geworden, und weder die «gelben» Bangkoker Eliten mit ihrer Nähe zum Militär und zum Königshaus noch die Anhänger Thaksins und der sogenannten Rothemden bilden heute homogene Gruppierungen. Anzeige:
Anderseits scheint sich aber auch recht wenig verändert zu haben. Das, was die damaligen «Gelben» unter Missachtung demokratischer Prinzipien und mit dem Boykott jeglicher Wahl zu verhindern versucht hatten, ist nun trotz all der Unrast, die dem Land wirtschaftlich nur geschadet hat, eingetreten: Thaksin kehrt zurück – nicht persönlich, aber in Form des Klons, als den er seine Schwester Yingluck bezeichnet. Yinglucks Erfolg an den Wahlurnen ist nicht nur ihrer geschickten Kampagne, die sie mit Konzilianz und fern von Rachegelüsten führte, zu verdanken, sondern auch der ungebrochenen Popularität ihres in Dubai im Exil lebenden Bruders bei der Landbevölkerung und in den Regionen ausserhalb von Bangkok.
Wie die erste Frau an Thailands Regierungsspitze politisieren und welche Rolle ihr Bruder Thaksin im Hintergrund spielen wird, dürfte sich bald einmal zeigen. Welchen Kurs auch immer Yingluck steuern wird, unumstritten wird er wohl kaum sein. Die Probleme, die ins Chaos der letzten Jahre geführt haben, bestehen nämlich unverändert. Die künftige Rolle der Monarchie ist unklar, das grosse wirtschaftliche und auch intellektuelle Gefälle zwischen dem Machtzentrum Bangkok und den übrigen Gebieten vor allem im Norden und Osten des Landes bleibt explosiv, die demokratischen Institutionen sind schwach, das Militär lauert permanent im Hintergrund.
Es werden grosse Fragen und Auseinandersetzungen auf Thailand zukommen. Nur wenn die entsprechenden Diskussionen im Rahmen funktionierender demokratischer Institutionen stattfinden können, vermag ein Erfolg in greifbare Nähe zu rücken. Ein wichtiger, hoffnungsvoller Anfang wäre es, wenn der Wahlsieg der Pheu Tai Party von den Verlierern ohne Wenn und Aber anerkannt und akzeptiert würde, auch wenn sie dem hinter der Partei stehenden Thaksin nicht vertrauen. Dieser selbst könnte seinen Teil zu einer ruhigen und reifen politischen Debatte beitragen, wenn er sich weiterhin im Hintergrund halten und nicht nach einer schnellen Rückkehr in seine Heimat drängen würde.
Yingluck Shinawatra hat in der Wahlkampagne versucht, insofern nicht als Klon ihres Bruders zu erscheinen, als sie nicht als Rächerin des Militärputsches auftrat und die Rückkehr sowie die Amnestierung ihres Bruders nicht propagierte. Überdies versucht sie trotz der errungenen absoluten Mehrheit, die Fühler auch in Richtung anderer Parteien auszustrecken, um eine möglichst breite politische Basis zu erlangen. Auch wenn vieles noch sehr ungewiss ist, nach diesem Urnengang besteht mehr Hoffnung für die thailändische Politik als auch schon. http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/...uer_thailand_1.11167388.html ----------- "Wir leben Zürich und Bangkok"
|