Parlamentarier Martin Hohmann Stets auf dem rechten Weg
Von Ulrike Putz und Michaela Schießl
"Mannesmut vor Königsthronen" nennt der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann seine stärkste Tugend. Deshalb will er sich auch nicht beugen und seine antisemitischen Äußerungen zurücknehmen. In einem rhetorischen Salto mortale findet er nun, dass weder Juden noch Deutsche ein "Tätervolk" seien. Die CDU ist schockiert.
Berlin - Die Rede war kein Ausrutscher, das wurde spätestens am Freitagmorgen klar. Der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann, der in seiner Ansprache am 3. Oktober die jüdische Beteiligung am Stalinismus und dabei die Juden als "Tätervolk" dargestellt hatte, hielt auch unter Druck seinen Kurs. "Ich bezeichne weder Juden noch Deutsche als Tätervolk", erklärte er in einem Statement. Und: "Es war und ist nicht meine Absicht, Gefühle zu verletzten."
Nun also andersherum: Die Deutschen - kein Tätervolk? "Wir sollten uns nicht definieren als Tätervolk, als die, die Auschwitz verursacht haben", hatte Hohman schon am Vorabend in den ARD-"Tagesthemen" gesagt und "für uns als Deutsche Gerechtigkeit" eingefordert.
Der CDU-Politiker weigert sich trotz heftigster Kritik auch aus der Parteispitze, seine Äußerungen zurückzunehmen. Man hätte es ahnen können: Der rechtskonservativen "Jungen Freiheit" gegenüber bezeichnete er 1997 "Mannesmut vor Königsthronen" als seine beste Eigenschaft. Für die CDU ist der Skandal damit komplett - und die Frage drängt sich auf, warum man so einen Mann hat so lange gewähren lassen. Für den 55-jährigen Parlamentarier indes, der sich als "Wertkonservativer" versteht, ist seine Rede nur ein weiterer Schritt in die Richtung, die er schon immer bevorzugte: nach rechts.
Hohmann kennt sich aus mit Extremismus, bis 1984 war er beim Bundeskriminalamt Experte in der Abteilung Terrorismus. 1984 wurde er in Neuhof nahe Fulda zum Bürgermeister gewählt - und kam auch in dieser Stellung ins Gerede. In dem kleinen Ort, dem Hohmann bis 1998 vorstand, waren bei einer Feier zum "Tag der deutschen Einheit" am 3. Oktober 1997 auf einem Liederzettel alle drei Strophen der Nationalhymne gedruckt worden. "Man muss auch die Freiheit haben, die Gefühle eines echten Patrioten zur Geltung kommen zu lassen, dem sein Vaterland das Wichtigste ist", erklärte Hohmann damals der "Frankfurter Rundschau" im Bezug auf den Verfasser des Textes, Hoffmann von Fallersleben.
Die "Junge Freiheit" feierte die konservative Nachwuchshoffnung bereits 1997
Kaum verwunderlich, dass die rechtskonservative Wochenzeitung "Junge Freiheit" diesem Bürgermeister bereits 1997 ein Porträt widmete. In höchsten Tönen lobte der Autor den "begeisterten Soldaten und schneidigen Fallschirmjäger", der "keine Scheu vor heißen Eisen hat", der die Abschaffung des Rechtsanspruchs auf Asyl fordere und Sozialhilfeempfänger 25 Stunden pro Woche gemeinnützige Arbeiten verrichten lasse und so "die Spreu vom Weizen trennt". "Wir müssen den Wert 'Nation' wieder verinnerlichen", zitiert das Blatt ihre konservative Nachwuchshoffnung.
1998 zog der Vater von drei Kindern als Nachfolger des streng konservativen Parteikollegen Alfred Dregger für den Wahlkreis Fulda in den Bundestag ein und übernahm zügig die Rechtsaußen-Rolle. Er verteidigte Roland Kochs Wahlkampfkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und ließ sich Anfang 1999, kurz nach Kochs Wahlsieg in Hessen, sogleich wieder von der "Jungen Freiheit" zitieren: "Die Bezeichnung 'ausländerfeindlich' hat mit der Realität in Deutschland nichts zu tun, sie ist eine Beleidigung für das Deutsche Volk".
Screenshot der Webseite der CDU-Neuhof: Politiker Hohmann mit Militärauszeichnung Dieselbe Publikation nutzte er, um Ende 2000 gegen die hochkarätig besetzte Berliner "Demonstration gegen Rechts" zu wettern: Sie sei "beschissen", vornehmlich, weil die PDS mitmarschiere. Man müsse der Tendenz eines "totalitären Gutmenschentums" etwas entgegensetzen, sagte er der "Frankfurter Rundschau" und bekannte: "Viele unserer Wähler stehen - wie ich selbst - eben rechten Werten näher als linken."
Wenige Tage später schaffte es der Hinterbänkler bundesweit in die Schlagzeilen, in dem er den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, angriff. Spiegel hatte auf der Massendemonstration in einer Polemik gegen das in jenen Monaten kursierende Wort "deutsche Leitkultur" gefragt, ob es etwa deutsche Leitkultur sei, "Synagogen anzuzünden" oder "Obdachlose zu töten". Hohmann attestierte ihm daraufhin eine "schlimme Entgleisung" - der er anscheinend in nichts nachstehen wollte.
Hohmann kritisiert die Entschädigung der Zwangsarbeiter als übertrieben
Denn was nun folgte, zeugt davon, dass Hohmann zwecks politischer Meinungsmache auch nicht vor populistischen Verkürzungen zurückschreckt. Er, Hohmann, unterstelle ja auch Spiegel nicht die Verantwortung dafür, "dass beim letzten Racheakt der israelischen Armee zwei unschuldige Frauen getötet wurden oder dass ein Zwölfjähriger von israelischen Soldaten erschossen wurde". Weshalb der deutsche Staatsbürger Spiegel sich für das Verhalten der israelischen Armee verantwortlich fühlen soll, erläuterte Hohmann nicht. Lieber stellte er die Frage, ob Spiegel mit seiner Rede "das Klima zwischen den Juden und Nicht-Juden in Deutschland nicht nachhaltig schädigt".
In einer Bundestagsrede kritisierte der Jurist die Entschädigung der Zwangsarbeiter als übertrieben und kritisierte "übermäßiges Moralisieren". Schließlich seien doch die meisten Opfer bereits kräftig finanziell entschädigt worden, sagte er. Auch gegen die historische Ausstellung des Unternehmers Jan Philipp Reemtsma "Verbrechen der Wehrmacht 1941-45" zog der Major der Reserve ins Felde. "Reemtsma versucht mit der Ausstellung die Reinwaschung seiner Familie. Sie hat mit Systemnähe in der NS-Zeit Riesenprofite gescheffelt", sagte er im November 2001. Auch das Holocaust-Denkmal in Berlin lehnt Hohmann ab.
Das politische Einmaleins des Rechtsaußen-Flügels Hohmanns gesammelte Presseerklärungen, die auf seiner Homepage www.martinhohmann.de zu finden sind, lesen sich wie das politische Einmaleins des Rechtsaußen-Flügels der CDU. So will Hohmann - Wahlspruch: Weil Charakter zählt - vor allem der "Politik einer multikulturellen Gesellschaft entgegenwirken". Seine zahlreichen Äußerungen zu religiösen Fragen zeugen dabei jedoch weniger von Fachwissen, denn von einem ideologisch in der Wolle gefärbtem Politiker, der sich zum Hüter der abendländischen Kultur berufen fühlt.
So mahnte er im Oktober 2001, der islamische Begriff "Allah" dürfe nicht mit "Gott" übersetzt werden: "Die Gleichsetzung des christlichen Gottes mit Allah ist falsch und eine unzulässige Vermischung. Sie ist in der gegenwärtigen Situation geeignet, die christliche Religion zu diskreditieren." Dass arabische Christen ihren Gott ebenfalls Allah nennen, scheint Hohmann, für den Allah eine "altarabische Naturgottheit" ist, bei seinen Recherchen ignoriert zu haben. In seinem Kommentar zum jüngst ergangenen Kopftuch-Urteil weiß Hohmann: "Diese bis zur Selbstzerstörung reichende Härte ist keine Ausnahme, sondern ein typisches Merkmal des im Koran grundgelegten islamischen Glaubens."
Politisch blieb Hohmann im Hintergrund, seine Themen sind nicht die der Tagespolitik. Sein Engagement für die Wiedereinführung einer Tapferkeitsauszeichnung für deutsche Soldaten war nicht von Erfolg gekrönt, seine parlamentarische Anfrage wurde von der Bundesregierung abschlägig beantwortet. Wenn Hohmann, der in den vergangenen fünf Jahren siebenmal im Bundestag das Wort ergriff, spricht, dann zu Themen, die ihm am Herzen liegen: Holocaust-Mahnmal, Zwangsarbeiter-Entschädigungen, Gedenken an den Nationalsozialismus. Der Tenor seiner Reden: Wir Deutschen haben Buße getan, zu viel und zu lang, jetzt muss ein Schlussstrich gezogen werden.
Gegner der Homosexuellen
Im Mai 2002, auf dem Höhepunkt der Möllemann-Affäre, warf Hohmann sich für Jürgen Möllemann in die Bresche und eiferte: "Friedman betrachtet sich wohl als sakrosankt und über dem demokratischen Diskurs stehend."
Überdies gilt der papsttreue Katholik und Anhänger des vor drei Jahren verstorbenen konservativen Bischofs Johannes Dyba als ausgemachter Schwulenfeind. So nannte Hohmann das Adoptionsrecht für Homosexuelle eine "Denaturierung des Leitbildes der Familie". Mit Berufung auf die Bibel warnte er, der Homosexualität gegenüber sei "falsche, feige Toleranz und Akzeptanz" nicht angebracht. Mit "Empörung und Entsetzen" reagiert er im Juli 2002 auf die weitgehende Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften zur Ehe durch einen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts. Sprachlich näherte sich Hohmann dabei amerikanischen Fernsehpredigern an, wenn er lamentierte, nun sei "der einzelne Christ" und ein "mutiges Bekenntnis zur naturgesetzlichen Lebensordnung und zu Gottes Wort" gefordert.
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© SPIEGEL ONLINE 2003
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