Erst einmalmuss hier JEDEM endlich klar werden, dass der Terror nichtvon den Israelis ausging: also Erst die Geschichte richtig studieren , dann gegen Israel polemisieren .
Danke
Adieu, zionistische Moral Warum sich Benny Morris, einst Stichwortgeber der israelischen Linken, heute zur Vertreibung der Palästinenser bekennt Der israelische Soziologe Natan Sznaider in der Zeitung "Die Welt" vom 6. März 2004
"Ich glaube an die Gerechtigkeit, aber bevor ich die Gerechtigkeit verteidige, werde ich meine Mutter verteidigen." Albert Camus, 1957 Unlängst erschütterte ein Interview große Teile der israelischen Gesellschaft. Ausgerechnet in der israelischen liberalen Tageszeitung "Ha'aretz" riss Benny Morris, der Kopf der so genannten Neuen Historiker in Israel, die Leser aus ihrer Ruhe. Morris hatte wie kein Zweiter von der Vertreibung der Palästinenser im Unhabhängigkeitskrieg von 1948 geschrieben; nun rechtfertigte er diese Vertreibungen. Dabei zitierte er Albert Camus, der angesichts des algerischen Terrors gegen die Franzosen gesagt haben soll, dass ihm seine Mutter wichtiger sei als universale Gerechtigkeit.
Morris behauptete nun klipp und klar: Ohne Vertreibung gäbe es den jüdischen Staat Israel nicht. Viele Leser von Morris waren von seiner Haltung erschüttert, denn die Neuen Historiker wie Morris sollten ja nicht nur vergangenes Unrecht erforschen, sondern universale Konsequenzen aus dem selbstkritischen Geschichtsnarrativ der eigenen Nation ziehen. Morris hat nun genau das Gegenteil getan.
Was waren die Ziele der neuen Historiografie, die man oft fälschlicherweise auch Postzionismus nennt? Die westliche Modernität, die als dominant, progressiv, zukunftsträchtig und bewundernswert galt, wurde zum intellektuellen und praktisch-handlungsbezogenen Leitmotiv. Benny Morris hat in seinen Büchern, die sowohl auf Hebräisch als auch auf Englisch vorliegen, identitätstragende Mythen zerstört. So hat er den israelischen Unabhängigkeitskrieg als Eroberungskrieg entlarvt. Neue Historiker wie Benny Morris spielten eine wichtige Rolle dabei, den Modernisierungsprozess zu formen und eine neue Tradition zu erfinden.
Diese neue akademische Protestkultur, die in den ausländischen Medien oft und gern zitiert wird, ist auch Teil einer neuen Auffassung des Staatsbürgertums, die das ethnische Prinzip der israelischen Identität ersetzen soll. Die Neuen Historiker suchten nach einer Identität, die nicht mehr traditionell sein sollte - nach einer israelischen Variante des Verfassungspatriotismus.
Historiker wie Morris zeigten, dass der Ursprung Israels auf einer Ursünde beruht: nämlich der Vertreibung von ungefähr 700 000 Palästinensern, die nun mehr als 50 Jahre später ihr Recht auf Rückkehr fordern. Der Mythos, dass die Palästinenser nicht vertrieben wurden, sondern freiwillig ihre Dörfer verließen, um im Sog der siegreichen arabischen Armeen wieder zurückzukehren, war nach der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Arbeiten von Benny Morris nicht mehr aufrecht zu halten. Die Vertreibung als historische Tatsache drang langsam in das Bewusstsein der Bevölkerung ein.
Wäre Morris Teil der israelischen Rechten, hätte sich niemand über sein Interview in "Ha'aretz" gewundert. Die israelische Rechte hat die Formel des skeptischen Geschichtsnarrativs nie akzeptiert. Sie war schon immer kompromisslos, weil sie von der Kompromisslosigkeit der anderen Seite ausging. Sie glaubte nie daran, dass man die Palästinenser mit machtfreier Kommunikation beschwichtigen kann. Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzungen war in ihren Augen nicht 1967 - das Datum des Sechstagekriegs und der Beginn der Besatzung -, sondern 1948, die Staatsgründung. Oder noch klarer: die jüdische Existenz selbst. Deshalb waren die Rechten gegen die Oslo-Abkommen - sie glaubten nicht an die Formel der israelischen Friedensbewegung, dass mit dem Abzug aus den von Israel 1967 eroberten Gebieten das Problem gelöst sei. Realistischer als viele andere verstanden sie, dass die Palästinenser die Demütigung und die Vertreibung von 1948 den Israelis nicht verzeihen können. Und sie verstanden, dass es ohne diese Vertreibung keinen jüdischen Staat gegeben hätte.
Morris schließt sich nun dieser Meinung an: Staatsgründung ist für ihn jenseits der Moralität. Es geht um die Legitimität Israels selbst. Mit einer großen Zahl feindseliger Palästinenser im Herzen Israels hätte der Staat nicht existieren können. Deshalb, so Morris, tat die israelische Führung das Richtige, als sie die Palästinenser vertrieb. Es geht um Politik, nicht um Moral. Die Alternative wäre gewesen, das jüdische Nationalprojekt aufzugeben.
Als die Palästinenser vor Ausbruch der jüngsten Intifada in der letzten Verhandlungsrunde das "Recht auf Rückkehr" auf die Tagesordnung setzten (das heißt die Rückkehr der 1948 vertriebenen Palästinenser), schien sie die Analyse der Rechten zu bestätigen: Offenbar ging es den Palästinensern nicht um die Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens, sie wollten dem Staat Israel selbst die Legitimität absprechen. Das brachte die israelischen Liberalen zum Schweigen und zu der Einsicht, dass sie sich mit diesem Konflikt aus dem politischen Raum verabschieden; die Zeit des Nullsummenspieles brach an. Und Morris hat gerade diesen Punkt auch durch seine Forschungsarbeiten verstanden.
Die Intellektuellen Israels - unter ihnen Benny Morris - sahen sich mit Beginn der Friedensverhandlungen mit einer palästinensischen Gewalt konfrontiert, die zwar durch die israelische Besatzung ausgelöst war, sich aber längst von ihrem ursprünglichen Motiv losgelöst und verselbstständigt hat. Damit verwandelte sich der Terror von einer politischen Waffe in ein antipolitisches Instrument, das jegliche Kommunikation auslöscht. Verständnis beginnt da, wo die Gewalt aufhört, doch die anhaltende Gewalt hat langsam jedes Verständnis untergraben. Friedenswillige und kompromissbereite Israelis zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück und begannen allen Ernstes zu überlegen, ob nicht die Rechte Recht hat - und sie selbst jahrelang einem Irrtum aufgesessen sind. Das ist der Hintergrund für das Interview, das Morris nun gab.
In den vergangenen Jahren hat sich über alle nationalstaatlichen Grenzen hinweg ein globales Gedächtnis ausgebildet, das von der Erinnerung an den Holocaust, an Völkermord, Sklaverei und Kolonialismus bestimmt wird. Dieses Gedächtnis wird nun gegen Israel gewandt - und das gerade in Europa, wie die jüngste Gerichtsverhandlung des internationalen Gerichtshofs in Den Haag zeigt, wo über die Trennungsmauer zwischen Israel und Palästina verhandelt wird. Die israelische Position beharrt auf dem Nationalinteresse. Dadurch definiert sie sich geradezu als Gegenstück zum globalen Kosmopolitismus. Das in Kategorien des 19. Jahrhunderts verfangene Israel hinkt dem 21. Jahrhundert hinterher.
Israels Reaktion auf das Gerichtsurteil von Den Haag war, der Weltöffentlichkeit klar zu machen, dass auch Israelis Opfer sind und leiden. Man hat begriffen, dass man nur dadurch die Sympathien der aufgeklärten Weltöffentlichkeit erreichen kann. Morris will dieses globale Spiel nicht mitspielen. Es geht ihm um eine Position jenseits der Moral, wo das Überleben der eigenen Gruppe Vorrang hat. Das Interview mit Benny Morris verdeutlicht aber noch einen weiteren Punkt: Skeptische Geschichtsnarrative haben in einer Zeit des Überlebenskampfes keine universalen Gerechtigkeit zur Folge. Dies stößt in Gesellschaften, in denen universale Moral normativ geworden ist, oft auf Unverständnis. Die Unterstützung, die die jüdische Mehrheit Israels oft ihrer Regierung für all ihre Maßnahmen gibt, ist auch Ausdruck der steigenden Existenzängste, die der Terrorismus erzeugt hat. Dadurch wird die Distanz zwischen Europa und Israel immer größer.
Früher war die israelische Linke auf der Suche nach einer Vergangenheit, die universalistische Konzeptionen anbietet. Das kann man sich heute nicht mehr erlauben. Der moralische Wandel Europas kann in einer solchen Situation nicht mehr mitgetragen werden.
Die europäischen Reaktionen auf "ethnische Säuberungen" während des vergangenen Jahrzehnts sind Ausdruck eines normativen Wandels der internationalen Gemeinschaft. Vor 1948 galten Vertreibungen noch als legitim, als ein Mittel der internationalen Stabilisierung. Nach 1948 hat "ethnische Säuberung" ihre Legitimation verloren - sie ist zu einer verbotenen und unmoralischen Praxis geworden. Diese neue Beurteilung wird von einem Wandel der rechtlichen Grundlagen internationaler Maßnahmen in Gang gesetzt, einem Wandel, der die moralische und gesetzliche Beurteilung der Behandlung von nationalen Minderheiten ortlos macht, indem er übernationalen Foren Autorität und politisches Durchsetzungsvermögen überträgt. Das war ja gerade auch in Den Haag der Fall - und ist nun zum Dilemma geworden, mit dem sich israelische Intellektuelle auseinanderzusetzen haben.
Für Benny Morris und viele andere Israelis, die bis zum Sommer 2000 zum Friedenslager gehörten, waren diese moralischen und gesetzlichen Maßnahmen Auslöser für ihren Friedenswillen. Als nun just zu der Zeit, da die israelische Friedensinitiative ihren Höhepunkt erreichte, auch der palästinensische Selbstmordterror begann und sich die Palästinenser auf ihr Rückehrrecht beriefen, musste die universale Moralität neu gedacht werden. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten von Morris lagen nun aber offen dar, und es gab kein Weg mehr zurück. 1948 haben die Israelis Unrecht begangen, um ihren Staat zu gründen. Die alte Interpretation lautete, dass das damals begangene Unrecht dazu dienen sollte, nun wieder Recht zu schaffen; doch ist die neue Situation sehr viel grausamer. Unrecht wurde begangen, aber es war richtig für die eine Seite, dass sie es beging. Morris geht sogar noch weiter. Er "beschuldigt" David Ben-Gurion, Israels Staatsgründer, dass er die Austreibung nicht vollendet habe, und erlaubt sich zu spekulieren, dass ein ethnisch homogener jüdischer Staat stabiler wäre als ein Staat mit einer feindlich eingestellten Bevölkerung in seiner Mitte. Morris schließt auch eine künftige Vertreibung der in Israel lebenden Palästinenser nicht mehr aus. Der Zionismus kann sich nicht mehr erlauben, universal zu sein.
Nun ist es gerade diese amoralische Haltung, die in den vergangenen Monaten Fünkchen der Hoffnung auf Frieden aufkommen ließ. Man denke nur an das Genfer Abkommen der israelischen Linken, das ja auf dem Prinzip der ethnisch homogenen Zweistaatlichkeit beruht. Kann es wirklich sein, dass das Wohlergehen der eigenen Mutter letzten Endes gerechter ist, als die universale Moral und Gerechtigkeit?
Für die Juden Israels ist das gewiss der Fall.
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