Begleiterscheinungen der Eroberung Amerikas durch die Spanier, Portugiesen, Briten und Franzosen gehören sicher nicht zu den großen Ruhmestaten der westlichen Zivilisation. Aber man soll immer versuchen, sein Weltbild nicht nur aus einzelnen Teil-Tatsachen zusammenzuzimmern. Deshalb ein paar ergänzende Hinweise.
Was die Rolle von Kirche und christlicher Religion bei der Eroberung Mittel- und Südamerikas angeht: Die Vorstellung, daß da Heere von Priestern friedliche Völker überfallen hätten, um sich jede Menge Gold unter den Nagel zu reißen, ist kompletter Unsinn.
Unbestreitbar ist allerdings, daß die Legitimation für die Eroberung im Christentum gesucht wurde und daß Kirchenvertreter die Eroberung auch legitimierten. Das hatte allerdings seine Gründe. Denn die von den Spaniern in Süd- und Mittelamerika besiegten Reiche waren blutrünstige Unterdrückungssysteme allerübelsten Ausmaßes, geprägt von vieltausendfachen Menschenopfern, Versklavung unterjochter Völker und ständigen Eroberungskriegen.
Warum konnten sich die paar hundert Leute der Spanier gegen das wohlorganisierte Reich ihrer Gegner durchsetzen? Sie schafften das mit indianischen Hilfstruppen, die ihnen in großer Zahl zuströmten, weil sie sich von den Weißen die Befreiung von der Herrschaft der Azteken und Inkas erhofften. Das war ein Irrtum. Die Herrschaft der spanischen Eroberer war ebenfalls blutig.
Unbestreitbar ist auch, daß die Eroberer im wesentlichen von Goldgier getrieben waren. Nur - das war eben nicht "die Kirche", auch wenn sich die Eroberer gern auf die Religion beriefen und zu Beginn der Eroberung viele Kirchenvertreter das auch unterstützten. Das war aber eine sehr kurze Periode. Die hohe Zahl von Opfern unter der eingeborenen Bevölkerung gab es nicht bei der eigentlichen Eroberung, sondern in der Zeit danach, als sich die weltliche zivile Macht installierte, die Eroberer ihre Krankheíten brachten und Teile der eingeborenen Bevölkerung in ihren Plantagen versklavten. Hier war die Kirche - und das wird leider immer wieder übersehen - oft die Macht, die dem entgegenwirkte.
Es kam nämlich sehr bald zu ganz heftigen Differenzen zwischen der Kirche und der neugebildeten weltlichen Macht. Und die Rolle der Kirche dabei war oft ausgesprochen positiv. Bekanntestes Beispiel hierfür ist das Wirken der Jesuiten unter Bartolomé de las Casas im Gebiet des heutigen Paraguay (und auch von Teilen Boliviens) relativ bald nach der Eroberung.
Zusammenfassend: Die Rolle von Kirchenvertretern bei der Eroberung Lateinamerikas war häufig ausgesprochen negativ. Andere Kirchenvertreter haben aber relativ bald danach sehr positiv gewirkt und Fehler korrigiert.
Und nun ein kurzer Vergleich mit der Eroberung Nordamerikas. Dort gab es zwar auch religiöse Motivationen, aber in vergleichsweise geringem Umfang und die Rolle der Kirche (als Organisation) war wesentlich geringer und zurückhaltender. In Lateinamerika gibt es einen _sehr_ hohen indigenen Bevölkerugsanteil. Und in Nordamerika?
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