Um den philosophischen Gehalt des Threads noch etwas anzureichern, gebe ich nun auch noch etwas Senf dazu: Es gibt da die Idealisierung der Börse als den vollkommenen Kapitalmarkt, auf dem jeder Mitspieler die gleichen Chancen und den gleichen Zugang zu Informationen hat. Auf diesem vollkommenen Markt sei jede Spekulation, jedes erkennbare Risiko, jede Gewinnerwartung immer praktisch ohne Zeitverzögerung sofort in allen Werten eingepreist. Mit der Folge, daß es scheißegal sei, welche Papiere (auch egal ob Aktie oder Anleihe) Du Dir herausgreifst und ins Depot legst. Der Erwartungswert, wie sich Dein Portfolio entwickelt, sei immer der gleiche. Einzig und allein die Varianz unterscheide sich, je nach gewähltem Risiko und Diversifizierung. Sollte das stimmen, würde das all unser Mühen nach optimaler Performance ad absurdum führen. Die Falsifizierung der These ist gar nicht so einfach: Nehmen wir z.B. das Alltagstheorem, daß mit Aktien mehr Geld verdient sei als mit Anleihen: Nimmst Du Dir den DJ seit 1896 zur Hand, so findest Du eine durchschnittliche Performance von 6-7% p.a., je nachdem, wo Du innerhalb des letzten aussergewöhnlich turbulenten Jahres den Endpunkt wählst.- Also gar nicht so berauschend viel. Davon ist nun der Index-verzerrende Effekt von Kapitalerhöhungen abzuziehen (diese finden bekanntlich immer eher in den Boom-Phasen statt) und schwuppdiwupp ist das Alltagstheorem gefallen. Sogar zur Höhe des mittleren Zinssatzes gibt es eine eher ernüchternde Theorie: Der Zinssatz repräsentiere nur das mittlere Risiko abzukratzen, bevor Du Deine Kohle ausgeben kannst, d.h. befindet sich die Kohle ca. 1 Generationendauer in einer Hand, so entspräche dies einer Realverzinsung von ca. 3% (damit der Erwartungswert der Kohle, die Du in diesem Zeitraum ausgibst ungefähr gleich dem eingesetzten Kapital ist, Du also von Deiner Entscheidung zu sparen im Mittel keinen Nachteil hast). Zu dieser Realverzinsung kommt der Steuersatz und die Infaltion und schon bist Du bei Deinen 6-7%. Worauf fußt diese Theorie ? - Ganz einfach: Ist die Realverzinsung höher, so bewirkt sie einen Anreiz zu sparen, weil der Erwartungswert positiv ist. Es fließt mehr Geld in den Kapitalmarkt, die Kurse steigen, die Zinsen sinken. Analog: Ist die Realverzinsung zu niedrig, ziehen die Leute ihre Kohle wieder ab. Das passiert nach dieser Theorie natürlich alles nur auf einer intuitiven Basis beim Individuum. Selbstverständlich kann man zu diesen beiden Miesmacher-Theorien laut die Gegenstimme erheben. Zum Beispiel nach Keynes: Langfristig gesehen sind wir alle tot ! - oder, mit dem Verweis auf erfolgreiche Börsianer, wie Kosto, die über einen extrem langen Zeitraum auf der Siegerstraße geblieben sind. Böse Gegenüberlegung dazu: Es läßt sich eine Abfolge von Roulett-Spielen mit jeweils kleinen Einzelbeträgen (bezogen auf die insgesamt als max. Gesamteinsatz definierte Summe = Gesamtvermögen) definieren, bei denen man über hunderte von Spielen mit Wahrscheinlichkeiten deutlich oberhalb der 50%-Region am Ende im Plus abschneidet, obwohl der Erwartungswert jedes Spiels negativ ist - nur dem steht mit geringerer Wahrscheinlichkeit der Totalverlust gegenüber. Der Erwartungswert bleibt negativ. Wir wissen also nicht, ob auch langjährig erfolgreiche Börsenprofis wirklich besser sind, oder ob sie Glückspilze sind. Ihnen stehen Tausende Looser gegenüber - auch in den eigenen Reihen (= professionelle Anleger). Wie verhält es sich nach diesen Theorien eigentlich mit Optis ? - Deren Gewinnchancen entsprechen, sofern der Hebel von Opti in Kombination mit Anleihe oder Basiswert in Summe 1 beträgt, denen der Aktien oder Anleihen. Alles was an Hebel darüber hinausgeht (also nicht gekoppelt ist), ist reines Glückspiel mit Gewinnerwartung +/- 0. Nun bin ich selbst kein hundertprozentiger Anhänger dieser Theorien, da es offensichtlich einige Abweichungen von der Vollkommenheit in den Kapitalmärkten gibt: So die Auswirkungen der Gebühren und Spesen, der Mindeststückelung, der Insider-Informationen, der Tatsache, daß nicht alle Teilnehmer zur gleichen Zeit über den gleichen Anteil an Liquidität verfügen. Letzterer Punkt drückt sich insbesondere darin aus, daß viel Kohle im Markt ist, wenn auch der "kleine Mann" mal ein paar Kröten investieren kann, und wenig, wenn diesem die Luft ausgeht und die verbliebenen Teilnehmer günstig einsammeln können. An der Börse sind also nicht alle gleich, sondern es gilt erstens der Grundsatz: "nicht höher scheißen als der Arsch gewachsen ist" (zugegeben etwas derb formuliert) und sich immer und überall über den Anlagehorizont im klaren sein. Auf die Fehler, die hier gemacht werden, kann man gezielt spekulieren (was natürlich nicht zu "spektakulären" Erfolgen führt, dafür aber zu guter langfristiger Performance). Alles andere ist Gezocke (warum auch nicht, macht ja Spaß, auch mir) und dessen sollte man sich immer bewußt sein. Börse ist meiner Ansicht nach genauso wenig voraussagbar wie das Wetter. Es ist ein echt chaotisches (in mathematischem Sinne) rückgekoppeltes System. Und wie beim Wetter wird viel Aufwand auf die Voraussage des nicht Vorhersehbaren verwendet. - Genug geschwafelt. Einfach mal so vor mich hin gesponnen.
|