Die Gedanken sind frei – oder? Eine Kolumne von Burkhard Ewert | 10.05.2024, 09:00 Uhr
Kann ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter aufgrund ihrer Weltanschauung benachteiligen? Der neue Präsident der evangelischen Diakonie will keine AfD-Wähler in seiner Belegschaft. Das sagt Chefredakteur Burkhard Ewert dazu.
Bei der „Diakonie“ handelt es sich um eines der unterschätztesten Großunternehmen der Republik. Mit rund 600.000 Mitarbeitern erwirtschaftet der evangelische Sozialkonzern mit Betreuung, Bildung und Beratung einen Umsatz in der Höhe von Telekom oder Tui, Hochtief oder Porsche.
Offenkundig will der neue Präsident dem dezentralen Verbund jetzt zu mehr Profil verhelfen. Dafür spricht vieles. Im Fokus steht allerdings eine für einen christlichen Arbeitgeber eher überraschende Positionierung, nämlich die Ausgrenzung.
Geht es nach Rüdiger Schuch, der der Diakonie seit dem Jahreswechsel als neuer Präsident vorsteht, dürfen erneut reihenweise Leute gehen, und zwar wer Fan der AfD ist. Wie bereits andere Einrichtungen der Kirche wirft er der Partei ein Weltbild vor, das dem Christentum zuwiderlaufe.
Legt man gängige Werte für eine Wahlbeteiligung und einen Stimmenanteil der AfD zugrunde, will Schuch damit auf rund 50.000 Beschäftigte in sozialen Einrichtungen quer durch den Rest der Republik verzichten. Ob er sich gut überlegt hat, was passiert, falls sich diese tatsächlich verabschieden? War da nicht etwas mit Fachkräftemangel? Wird nicht jemand wegen seiner Weltanschauung benachteiligt? Und missbraucht hier nicht ein Arbeitgeber seine Macht? Was die Bibel sagt
Aber mich irritieren Pfarrer Schuchs Worte aus ganz anderen Gründen. Von den Geschichten in der Bibel haben mich immer jene am stärksten beeindruckt, die Jesus Menschen gegenüber als milde zeigen, die ausgestoßen oder sogar seine Feinde waren.
Gleichzeitig empfinde ich die Kirche immer dann als regelrecht abstoßend, wenn sie selbst einer Neigung zu Eifer und Hetze nachgibt. Als nichts anderes betrachte ich es, wenn sie pauschal den Stab bricht nicht nur über radikalen Funktionären, nicht einmal nur über glühenden Mitgliedern, sondern schlicht und einfach über jeden Wähler, der von der AfD überzeugt und zufällig bei der Diakonie beschäftigt ist.
Daraus spricht Hochmut. Es handelt sich zudem um einen Affront Leuten gegenüber, die sich in der Pflege engagieren. Sie haben alleine durch ihre Berufswahl bewiesen, dass ihnen Nächstenliebe mehr bedeutet als bequeme Arbeitsbedingungen und hoher Verdienst - und dass sie bedürftigen Bürgern ohne Ansehen der Person und ohne Schuldzuschreibung zu helfen bereit sind.
Müssen sich diese Menschen ernsthaft einem politischen Pastorenkontrolleur gegenüber rechtfertigen, der ihre ethische Eignung in Zweifel zieht? Vermutlich verspricht sich der Geistliche davon breiten Beifall. Entschuldigung, aber auf meinen muss er verzichten. Die Gedanken sind frei.
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