Statement Dr. Bruno M. Kübler, anlässlich Pressekonferenz der Thielert Aircraft Engines GmbH
ILA, Berlin - Sehr geehrte Damen und Herren,
ein Insolvenzverfahren ist für alle Beteiligten ein brutaler Einschnitt. Für den Unternehmer, der den Verlust seines Lebenswerks befürchten muss. Für die Gläubiger, vornehmlich Banken und Lieferanten, die viel Geld verlieren und – soweit es die letzteren betrifft – nicht selten in ihrer Existenz bedroht sind. Für die Gesellschafter, die in aller Regel um ihr Kapital gebracht sind. Für die Kunden, die auf die Unterstützung des insolventen Unternehmens angewiesen sind. Und nicht zuletzt für die Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze bedroht sind.
Als Insolvenzverwalter der Thielert Aircraft Engines GmbH (TAE) ist es nun meine Aufgabe, diese unterschiedlichen und aufeinander prallenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Nach deutschem Insolvenzrecht bin ich zunächst und in erster Linie den Interessen der Gläubiger verpflichtet. Gleichzeitig legt der Gesetzgeber einen weiteren Schwerpunkt auf die Rettung des Unternehmens und der Arbeitsplätze.
Was die Position des Firmengründers angeht, werden manche meinen, dass Herr Thielert wegen der strafrechtlichen Vorwürfe in der Öffentlichkeit hier nicht mehr auftreten sollte. Dazu möchte ich anmerken, dass wir noch im Stadium des vorläufigen Insolvenzverfahrens sind und Herr Thielert nach wie vor Geschäftsführer ist. Auch ist er weiter persönlich Inhaber luftfahrtrechtlicher Genehmigungen, wie derjenigen für den Herstellungs- und den Instandhaltungsbetrieb. Das Luftfahrtbundesamt, mit dem Gespräche stattgefunden haben, sieht derzeit keine Veranlassung, aufsichtsrechtlich personelle Konsequenzen zu fordern. Insofern ist Herr Thielert weiter für die mit den vorstehenden Genehmigungen zusammenhängenden Aufgaben verantwortlich.
Was meine Person angeht, bin ich in meiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter neutraler, vom Gericht bestellter Amtswalter. Die Geschäftsführung des Unternehmens in Person von Herrn Thielert bedarf für alle finanziellen Maßnahmen meiner Zustimmung. Die umfassende Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das Unternehmen geht erst mit der endgültigen, für Ende Juni 2008 geplanten Eröffnung des Verfahrens auf den Verwalter über. Im Übrigen ist der vorläufige – und auch der endgültige – Verwalter nicht für die strafrechtliche Aufklärung zuständig. Dies ist allein die Staatsanwaltschaft. Ich möchte aber betonen, dass ich hinsichtlich der strafrechtlichen Vorwürfe gegen Herrn Thielert und andere den Ermittlungsbehörden pflichtgemäß meine umfassende Kooperation angeboten habe.
Was die Gläubiger angeht, habe ich unmittelbar nach meiner Bestellung als vorläufiger Verwalter intensive Gespräche aufgenommen. Im Zuge eines Insolvenzverfahrens ist es völlig normal, dass die Beziehungen zu Banken und Zulieferern erschüttert sind. In dieser Situation ist es von zentraler Bedeutung, neues Vertrauen zu schaffen und die Gläubiger für die Rettung des Unternehmens zu gewinnen. Es ist mir und meinem Team weitgehend gelungen, Banken und Lieferanten davon zu überzeugen, dass es in ihrem Interesse liegt, dass das Unternehmen fortgeführt wird. Die Banken haben ihre grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, dafür Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Auch die Lieferanten zeigen sich äußerst kooperativ.
Was die Kunden betrifft, sind wir, namentlich gegenüber den Endkunden, in einer schwierigen Lage. Das deutsche Insolvenzrecht lässt es nicht zu, dass für vor der Insolvenz gelieferte Produkte und Dienstleistungen weiter kostenfrei Gewährleistung oder Garantien übernommen werden. Wir wären wirtschaftlich zur Zeit dazu auch gar nicht in der Lage. Wir hoffen deshalb darauf, dass die Flugzeughersteller hier in die Bresche springen. Im europäischen Rechtsraum ist dies ohnehin geltende Verpflichtung. Für die nach Insolvenzanmeldung neu ausgelieferten Ersatzteile und Motoren besteht natürlich die volle Gewährleistung im Rahmen der Geschäftsbedingungen, nicht aber die Garantiebedingungen der beschränkten Pro Rata Herstellergarantie.
Wie wir bereits gestern bekannt gegeben haben, hat die Thielert Aircraft Engines GmbH die Lieferung von Ersatzteilen und Motoren an ihre Kunden wieder aufgenommen. Aus insolvenzrechtlichen Gründen sind wir allerdings gezwungen, nur noch gegen Vorkasse zu liefern. Gleiches gilt auch für Instandhaltungsarbeiten. Diese Maßnahmen sind derzeit zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unverzichtbar.
Ich will Ihnen nichts vormachen: Die Sanierung eines Unternehmens erfordert von Kunden und Gläubigern schmerzhafte Zugeständnisse. Und ich sehe natürlich ein, dass es für die Kunden nicht erfreulich ist, dass wir dafür höhere Preise als in der Vergangenheit nehmen müssen. Das Vorkasse-Verfahren ist fair und transparent und beruht auf dem zwingenden Prinzip des deutschen Insolvenzrechts, alle Kunden und Gläubiger gleich zu behandeln.
Ziel ist es, kurzfristig die Produktion bei der Thielert Aircraft Engines GmbH zu sichern. Dies wiederum eröffnet potenziellen Investoren eine Perspektive und trägt so langfristig zur Erhaltung des Unternehmens und der Arbeitsplätze bei. Letztlich kann nur so erreicht werden, dass auch in Zukunft weiterhin Centurion-Motoren und -Ersatzteile erhältlich sein werden. Und darauf kommt es schließlich an.
Thielert-Ersatzteile und -Motoren werden nach Bezahlung zuverlässig versandt. Kunden, die Vorkasse leisten, müssen sich keinerlei Sorgen machen, dass die bestellten Teile nicht geliefert werden: Bei jeder Anfrage wird geprüft, ob das gewünschte Teil vorrätig ist oder produziert werden kann. Dies ist in aller Regel der Fall. Nur dann wird der Kunde zur Vorauszahlung aufgefordert. Daraufhin wird ihm das Teil so schnell wie möglich geliefert. Als Insolvenzverwalter versichere ich, dass jeder Kunde, der Vorkasse leistet, das bestellte Teil auch bekommt.
Die aktuelle Verunsicherung der Kunden geht zurück auf eine Desinformationskampagne des Flugzeugherstellers Diamond Aircraft. Diamond hatte in den vergangenen Tagen wiederholt verbreiten lassen, ich sei in Verhandlungen nicht kooperationsbereit und deshalb offenbar nicht an einer langfristigen Sicherung der Thielert Aircraft Engines GmbH interessiert.
Diese Argumentation verkennt mutwillig die Sachlage. Tatsache ist zwar, dass Diamond angeboten hat, eine große Zahl von Motoren und Ersatzteilen abzunehmen – jedoch zu deutlich vorteilhafteren Konditionen als sie Endkunden gewährt werden. Auf diese Weise hat Diamond versucht, für sich Sonderkonditionen zu erzwingen. Auf unser Angebot vom 13. Mai 2008, Diamond rund 90 Prozent der vorhandenen Ersatzteile zu liefern, hat sich Diamond bisher nicht direkt geäußert. Nachdem nun über eine Woche verstrichen ist, geben wir die Teile für den Markt frei.
Dort ist die Nachfrage nach wie vor groß: Seit Beginn der vorläufigen Insolvenz sind bereits zahlreiche verbindliche Ersatzteil-Bestellungen zugesagt worden, die entweder schon ausgeliefert wurden oder in Kürze ausgeliefert werden. Die Kunden, mit denen wir Lieferungen abgewickelt haben, zeigten sich beruhigt, dass alle benötigten Teile vorrätig waren und sie diese auch geliefert bekommen haben.
Wir haben zudem der Firma Diamond Aircraft einen weit reichenden Vorschlag für die Lieferung von neuen Motoren für die Produktion von Diamond-Flugzeugen unterbreitet. Dieses Angebot – das wir unverändert aufrechterhalten – sieht die sofortige Wiederaufnahme der Lieferung von Thielert-Motoren in einem großen Volumen vor. Damit könnte Diamond seine Produktion binnen weniger Tage in großem Umfang wieder aufnehmen.
Stattdessen hat Diamond wider besseres Wissen und mit ausnahmslos unwahren Behauptungen versucht, ihre Kunden massiv zu verunsichern und über die Öffentlichkeit Druck auf mich auszuüben. Dies war verbunden mit persönlichen Vorwürfen gegen mich, die die Grenzen des Anstands deutlich sprengen. Diamond spielt hier auf Kosten ihrer eigenen Kunden Poker.
Meine Damen und Herren,
nicht zuletzt möchte ich Sie über die Situation der über 300 TAE-Mitarbeiter an den drei Standorten in Lichtenstein (Sachsen), Altenburg (Thüringen) und Hamburg informieren. Über die Vorfinanzierung des Insolvenzausfallgeldes ist es mir gelungen, die Lohnzahlungen an die Mitarbeiter für drei Monate sicher zu stellen. Dadurch haben die Beschäftigten die ausstehenden April-Gehälter bereits erhalten, die Gehaltszahlungen für die Monate Mai und Juni werden ebenfalls erfolgen. Mein Ziel ist die Sicherung möglichst vieler, wenn nicht aller Arbeitsplätze.
Um es noch mal mit aller Deutlichkeit zu sagen: Die Thielert Aircraft Engines GmbH ist trotz der aktuellen Krise ein aufgrund seiner Technik international renommiertes Unternehmen, das in der Konstruktion und im Bau von Flugzeugmotoren eine führende Position einnimmt. Zudem ist das Unternehmen integraler Teil einer internationalen Wertschöpfungskette. Insofern sehe ich gute Chancen, das Unternehmen zu erhalten.
Es hat bereits eine große Zahl vornehmlich strategischer Investoren Interesse am Kauf der Thielert Aircraft Engines GmbH bekundet. Die Gespräche mit den Interessenten sollen noch im Juni beginnen. Alle infrage kommenden Investoren erhalten dann auch Einsicht in die Bücher des Unternehmens. Die Verhandlungen können sich erfahrungsgemäß mehrere Monate hinziehen. Weitere Angaben kann ich jedoch mit Rücksicht auf den laufenden Prozess nicht machen. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.
Bevor ich nun das Wort an Herrn Thielert übergebe, möchte ich Ihnen noch Herrn Professor Dr.-Ing. Günter Kappler persönlich vorstellen. In der Pressemappe finden Sie die Pressemitteilung, die wir in der vergangenen Woche anlässlich der Aufnahme der Tätigkeit von Herrn Prof. Kappler versandt haben. Herr Prof. Kappler gehört international zu den renommiertesten Triebwerksexperten und wird in den kommenden Monaten die Thielert Aircraft Engines GmbH bei der Fortführung des operativen Geschäfts unterstützen. Insbesondere wird er auch bei den demnächst beginnenden Investorengesprächen den Interessenten ein kompetenter Ansprechpartner sein. Ich freue mich außerordentlich, dass ich ihn für unser Team gewinnen konnte.
Vielen Dank! Es geht nur um die GmbH!!! Vorsicht ist geboten! Gruß und viel Glück
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