Handelsblatt.com - Vorsorge + Anlage / Bulle & Bär Schwierige Wahl Montag 20. Dezember 2004, 07:00 Uhr Aktionäre des Berliner TecDax-Unternehmens Teles wissen derzeit nicht, ob sie weinen oder lachen sollen. Wurde doch in der letzten Woche bekannt, dass das bisherige Kernstück des Internet-Dienstleisters – der bei der Tochter Strato angesiedelte Bereich Webhosting – an den Konkurrenten Freenet verkauft wird.
FRANKFURT. Dafür fließen 80 Mill. Euro in bar und 3,1 Mill. Freenet-Aktien, die aktuell nochmal 51 Mill. Euro wert sind. Wird das Ganze um die 17 Mill. Euro an liquiden Mitteln reduziert, die noch in dem Geschäftsfeld steckten, ergibt sich ein Nettozufluss von 114 Mill. Euro.
„Eine nette Summe“, werden sich viele Aktionäre sagen, zumal sie selbst nicht leer ausgehen. Innerhalb von zwei bis drei Jahren soll der zufließende Cash an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Beachtet werden sollte ANZEIGE dabei aber, dass exakt 49,78 Prozent der Aktien in den Händen des Gründers und Vorstandschefs Sigram Schindler liegen. Das wären nach aktuellem Stand knapp 40 Mill. Euro für ihn!
Bleibt für die freien Aktionäre unabhängig von der Neiddiskussion die Frage, was sie nun machen sollen: Zwei bis drei Jahren warten, um von den verbleibenden 40 Mill. Euro zu profitieren, oder aussteigen, weil drei Viertel von Umsatz und Gewinn weg sind. Ein weiterer Verbleib hängt in erster Linie davon ab, wie groß die Wachstumschancen für die verbleibenden Geschäftsfelder eingestuft werden. Der Aktienkurs ist dafür kein geeignetes Indiz. Seitdem die Meldung raus ist, hat er sich kaum verändert. Grund hierfür ist die bei einem Kurs von 7,80 Euro aktuelle Marktbewertung von 162 Mill. Euro, die bei Investoren weitgehend als fair betrachtet wird. Rund 33 Mill. Euro sind auch ohne Strato noch in der Kasse, man verfügt über eigene Aktien im Wert von 17 Mill. Euro und 131 Mill. Euro kommen bald hinzu. Das entspräche nach aktuellem Stand einer Unterbewertung. Die Aktie hätte so gerechnet Luft nach oben. Sind die 80 Mill. Euro aus dem Strato-Verkauf aber in spätestens drei Jahren ausgeschüttet, dann stünden an dieser Stelle nur noch rund 100 Mill. Euro. Nach aktuellen Bewertungsmaßstäben dürfte die Aktie dann auch nur noch entsprechend weniger kosten.
Es müsste sich also was auf der geschäftlichen Seite tun, damit zumindest die aktuelle Bewertung gehalten werden kann. Die verbleibenden drei Bereiche TCS, Sky DSL und TEIA sind derzeit aber alles andere als Ertrags-Stützen. Mit TCS, hier werden Telekommunikationssysteme entwickelt und vertrieben, ist Teles (Xetra: 745490.DE - Nachrichten - Forum) eher bei Kunden der zweiten und dritten Reihe positioniert. Es müsste schon eine namhafte Adresse hinzukommen, sollte es hier aufwärts gehen. Im Rahmen des Strato-Verkaufs wurde mit Freenet vereinbart, dass in den kommenden drei Jahren netztechnische Systeme im Volumen von zehn Millionen Euro an Freenet geliefert werden sollen. Spricht sich in der Branche herum, dass dabei gute Arbeit geleistet wurde, könnte das zum Türöffner für weitere Großprojekte werden. Ähnlich vage ist die Situation bei TEIA, dem Ausbildungssystem für Internet und E-Business. Das hatte in der Vergangenheit nur wenig Erfolg bei den Kunden. Eine Produktoffensive müsste also her.
Bleibt der Hoffnungsschimmer Sky DSL, der Internet-Breitbanddienst per Satellit. Mindestens 25 Mill. Euro will Teles in den nächsten beiden Jahren einsetzen, damit das System die nötige Akzeptanz beim Kunden findet. Vor allem „Standard-Surfer“ aus Regionen, die über das terrestrische DSL nicht abgedeckt werden können, sind die Zielgruppe. Aus mindestens 55 000 Kunden im kommenden Jahr sollen 500 000 Kunden bis 2008 werden. Europa, der Nahe Osten und Nordafrika sind das Zielgebiet.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage „behalten oder verkaufen“ lautet also: Wer derzeit auf ein Erreichen all dieser Ziele setzt, der soll die Aktie behalten und an der Ausschüttung teilnehmen. Wer so seine Zweifel bekommen hat, der soll verkaufen.
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