Börsen-Optimismus Die Super-Bullen sind zurück Einigen Beobachtern ist der aktuelle Stand des Dow Jones von über 12.100 Punkten nicht genug. Sie sehen Kursziele von 36.000 und 100.000 Punkten. Und haben dafür gute Argumente. Washington - Sie sind zurück, jene Optimisten, die für den US-Leitindex Dow Jones ein Ziel von 36 000 oder gar 100 000 Punkten gesetzt haben. Nur etwas früh sei er dran gewesen, gibt etwa James Glassman zu, Autor des Börsen-Reißers "Dow 36.000". Glassmans Buch kam Ende 1999 auf den Markt, und einen Monat später legte ein Kollege sogar noch nach: Charles Kadlec veröffentlichte "Dow 100.000". Beide Titel wurden in der Folgezeit Metaphern für die übertriebenen Erwartungen zu Zeiten der IT-Blase. Zwei Jahre nach ihrem Erscheinen hatte die Benchmark 29 Prozent verloren, und Investoren hätten sich schon über "Dow 10.000" gefreut.
Wer im Oktober 1999 bei den 30 Dow-Werten einstieg, musste vier Jahre warten, bis sich sein Portfolio wieder aus der Verlustzone arbeitete. Inzwischen hat der Leitindex den Rekord von 2000 eingestellt. In der vergangenen Woche kletterte er nach vier Gewinnjahren erstmals über 12.000 Punkte.
Zeit für die beiden optimistischen Schreiber, ihre Prognosen zu wiederholen. "Ich bin heute noch mehr davon überzeugt, dass wir am Beginn einer Wachstumsperiode stehen, und dass der Dow bis Mitte 2020 die Marke von 100.000 Zählern erreichen wird", sagt Kadlec, geschäftsführender Direktor bei J&W Seligman & Co. in New York. Auch Glassman bleibt bei dem von ihm und Co-Autor Kevin Hassett aufgestellten Ziel für das Börsenbarometer. Allerdings, so räumt er ein, werde sich der Dow nicht wie ursprünglich angenommen bis 2005 verdreifachen, sondern erst bis 2021.
Glassman und Hassett vertraten 1999 die These, Aktien seien eine sicherere Geldanlage als Anleihen. Sie beriefen sich auf Untersuchungen von Jeremy Siegel, einem Professor der Universität Pennsylvania. Dieser rechnete vor, dass Aktien seit Anfang 1800 nie Verluste brachten, wenn sie mindestens 17 Jahre gehalten wurden. Wenn Investoren dies einsähen, argumentiert Glassman, werde der Dow auf 36.000 Punkte vorpreschen. "In den vergangenen fünf Jahren ist nichts passiert, das mich davon überzeugt hätte, meine These zu revidieren", sagt der Autor nun.
Kräftiger Zuwachs in den vergangenen Jahren
Tatsächlich konnte der Dow seit 1928 im Schnitt jährlich fünf Prozent zulegen, wobei es in den letzten drei Jahrzehnten sogar zwölf Prozent pro Jahr aufwärts ging. Um sich bis 2021 zu verdreifachen, muss der Index jährlich 7,6 Prozent anziehen. "Wenn man bedenkt, dass sich der Markt alle sieben bis zehn Jahre verdoppelt hat, dann ist das nicht völlig aus der Luft gegriffen", konstatiert Barry James, Chief Investment Strategist bei James Investment Research.
Kadlec verwies in seinem Buch auf mehrere Trends, die dem US-Leitindex in den sechsstelligen Bereich verhelfen sollten: höhere Produktivität der Wirtschaft, Anlagegelder der sogenannten Baby Boomer, niedrigere Steuern, eine niedrige Inflation und Frieden. Bis auf den letzten Punkt habe sich das Umfeld bis heute nicht geändert, erklärt der 60-Jährige. Um bis 2025 das Ziel von 100 000 Punkten zu erreichen, muss der Dow jährlich etwa zwölf Prozent klettern.
Beide Aktien-Optimisten bewiesen während der Baissejahre starke Nerven und blieben im Markt. "In einigen Jahren war ich bis zu 20 Prozent im Minus", erläutert Glassman. "Ich habe mehr Geld hineingesteckt und unter dem Strich ist es mir recht gut ergangen." Kadlec lag mit seinem Konto Ende 2002 etwa 40 Prozent unter dem Hoch von 1999, konnte den Einbruch 2003 aber fast vollständig ausgleichen. "Ende 2004 war das selbe Portfolio wieder im Plus", erläutert er. "Ich habe mich an meine eigenen Empfehlungen gehalten."
Bloomberg
Artikel erschienen am 25.10.2006
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