Die letzten Tage des F. Gerster - Entlastende Akten angefertigt Die Bundesagentur für Arbeit (BA) kommt nicht aus den Schlagzeilen, offenbar sind bei einem überraschenden Kontrollbesuch neue Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Millionenaufträgen festgestellt worden. Im Bundeswirtschaftsministerium werde eine Entlassung Gersters nicht mehr ausgeschlossen, berichtete die „Bild"-Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise.
Die Unregelmäßigkeiten wurden bei einem überraschenden Kontrollbesuch des Verwaltungsratschefs der Behörde, Peter Clever, entdeckt. Clever, der in dem Gremium die Arbeitgeber vertritt, führte demnach am Montag in Nürnberg Gespräche mit dem Leiter der Innenrevision und dem Leiter der Auftragsvergabe.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement prüfe die neuen Vorwürfe gegen Gerster. Nach Informationen aus der BA sei angesichts der schweren Beschuldigungen mit „Konsequenzen auf Vorstandsebene“ zu rechnen, berichtete „Bild“. Clements Ministeriums bezeichnete den Bericht als „Spekulation“.
Die „Rheinische Post“ zitierte aus zwei auf den 20. März 2003 datierten Vermerken aus der Nürnberger Behörde, wonach Gerster zur Auftragsvergabe an die Berater-Firma WMP Eurocom drängte, weil nach Bundeskanzler Gerhard Schröders (SPD) Regierungserklärung zur Arbeitsmarkt-Reform vom Vortag die Zeit dränge. Gleichzeitig, schreibt die Zeitung, gehe aus den Akten aber eindeutig hervor, dass der Vorstand der damaligen BA den umstrittenen Auftrag an WMP Eurocom bereits am 19. Februar 2003 erteilt hatte.
Aus dieser Unstimmigkeit schließt das Blatt, dass Gerster nachträglich entlastende Akten anfertigen ließ. In einem Fall findet sich demnach die handschriftliche Warnung eines BA-Mitarbeiters, wonach Gerster Formulierung „Ich schlage vor, die Fa. WMP Eurocom AG mit der Beratungstätigkeit zu beauftragen“, nicht stehen bleiben könne, da die Auftragsvergabe längst entschieden sei.
Keine Kommentare vorab
Eine Sprecherin Clements sagte: „Uns liegt der Bericht der Innenrevision noch nicht vor. Wenn wir den kennen, dann werden wir uns dazu äußern und ihn bewerten.“
Gerster sagte der Agentur in Nürnberg: „Wir haben die Prüfung noch laufen. Sobald das Ergebnis vorliegt, werde ich mit dem Verwaltungsrat der Bundesagentur sprechen und die Ergebnisse auch öffentlich machen. Das wird noch in dieser Woche sein.“ Über Teilergebnisse könne und wolle er nichts sagen. Gerster war in den vergangenen Wochen wegen der Vergabepraxis bei Beraterverträgen in die Kritik geraten.
Meyer sieht Bundestag getäuscht
Der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer zeigte sich am Montag überzeugt, dass Gerster Ende November vor dem Wirtschaftsausschuss nicht die volle Wahrheit gesagt hat. Meyer bezog sich in der „Berliner Zeitung“ auf die erste Anhörung des Chefs der BA zum Beratervertrag mit WMP am 28. November.
Im Gegensatz zu Gersters Aussage habe es vor der Vergabe des Auftrags ohne die eigentlich zwingend vorgeschriebene Ausschreibung keine rechtliche Vorab-Prüfung bei der Behörde gegeben, wie sich jetzt herausgestellt habe. Der von Gerster geführte Vorstand habe vielmehr die Dringlichkeit und damit die freihändige Vergabe des Millionenauftrags ohne eine solche Absicherung beschlossen und die Vergabeabteilung im Zentralamt der Behörde erst im Nachhinein darüber in Kenntnis gesetzt.
Mit seiner Darstellung habe Gerster das Vertrauen der Abgeordneten verspielt, so Meyer. „Fehler können überall vorkommen.“ Sie seien aber nur dann hinnehmbar, wenn sie auch eingestanden würden und damit eine Wiederholung für die Zukunft ausgeschlossen werde. Gerster dagegen habe den Wirtschaftsausschuss „ganz offensichtlich getäuscht“. Damit sei er zur Führung der Arbeitsverwaltung nicht mehr geeignet.
Der Zeitung liegen nach eigener Angabe interne Dokumente der Arbeitsverwaltung vor, die Meyers Vorwurf stützen.
Union will alle Verträge lesen
Im Zusammenhang mit der Gerster-Affäre verlangte die Union von der Regierung, ihre Ausgaben für externe Experten komplett offen zu legen. In einer Kleinen Anfrage wurden alle Ministerien aufgefordert, ihre Ausgaben aufzulisten und zu begründen. „Wir glauben nicht, dass es in den Ministerien nur noch so dumme Beamte gibt, dass dort nichts mehr selbst gemacht werden kann“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Dagmar Wöhrl, der Zeitung „Financial Times Deutschland“.
In den nächsten Wochen solle der Bundestag über die Beraterverträge der Regierung insgesamt debattieren. Besonders die Vergabe von Folgeaufträgen solle überprüft werden, sagte Wöhrl. „Wenn es hier Lücken im Gesetz gibt, müssen wir diese schließen.“ Kritisch äußerte sich auch der CDU-Mittelstandspolitiker Hartmut Schauerte. Über Kriterien und Umfang von Beratungsaufträgen der Regierung werde es „eine politische Debatte im Bundestag geben müssen“.
Berger sieht keine Übervorteilung
Der Unternehmensberater Roland Berger wies unterdessen Vorwürfe wegen der Doppelfunktion seines Unternehmens als Berater und Kommissionsmitglied der Bundesregierung zurück. „Es gibt keine Verbindung zwischen Kommissionsarbeit und Beratungsaufträgen“, sagte er der „Bild"-Zeitung. Seine Unternehmensberatung hatte nicht nur in Regierungskommissionen mitgearbeitet, sondern auch millionenschwere Beraterverträge für Bundesministerien und die BA erhalten.
Zur Begründung verwies Berger darauf, dass er zwar in der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme gesessen habe, der Auftrag für die Gesundheitskarte aber an einen Wettbewerber gegangen sei. Zudem sei in der Hartz-Kommission zur Arbeitsmarktreform auch die Unternehmensberatung McKinsey vertreten gewesen, diese habe „aber deutlich mehr Aufträge von der BA erhalten“, verteidigte sich Berger.
Die Kritik des Parteienforschers Herbert von Arnim grenze an Verleumdung, sagte Berger. Arnim hatte gesagt, es stoße an die Grenze zur Korruption, wenn Unternehmensberater in Kommissionen das vorschlügen, wofür später ihre Beratung gebraucht werde.
Focus online, 20.01.04
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