Eine mMn gute Analyse, die auf die große Unsicherheit - hervorgerufen durch Covid-19 und die Wirtschaftsfolgen - abhebt.
(Ich hab den Text deutlich gekürzt, er ist trotzdem noch recht lang, sorry)
https://www.manager-magazin.de/politik/konjunktur/...h-a-1307554.html
...Nicht alles im Leben lässt sich mit Geld lösen. Das ist im Privaten genauso wie in der Politik. Letztlich geht es um andere Dinge: Vertrauen, Optimismus, das Gefühl von Sicherheit - Werte, die man nicht kaufen kann.
Das gilt auch in der Wirtschaftspolitik. Der Staat kann noch soviel Geld in die Wirtschaft pumpen. Ob und wie es wirkt, hängt letztlich davon ab, was Bürger und Unternehmen damit anstellen.
Die Große Depression der 1930er Jahre hat auch deshalb so lange gedauert, weil die Verunsicherung massiv war. Jahrelang konsumierten die Bürger weniger und sparten lieber mehr. Unternehmen investierten kaum noch. Der psychologische Schock der Krise saß so tief, dass sich das Verhalten dauerhaft änderte, wie die US-Ökonomin Christina Romer nachgewiesen hat. Die Depression nährte die Depression - weil sie einen Unsicherheitsschock auslöste.
Auch derzeit erleben wir einen sprunghaften Anstieg der Unsicherheit. Gängige Indikatoren zeigen ein Ausmaß an Verunsicherung, wie es noch nie zuvor gemessen wurde. Was bedeutet das für die weitere wirtschaftliche Entwicklung? Ist es möglich, dass die Weltwirtschaft abermals in eine Dauerdepression abrutscht? Drohen die 2020er zu einem verlorenen Jahrzehnt zu werden?
Hoffnung auf den Konjunktur-Jojo
Auf den ersten Blick ist der Vergleich mit den 1930er Jahren völlig abwegig. Damals folgten Regierungen und Notenbanken zunächst einer anderen Doktrin: Sie reagierten auf die Krise mit Sparprogrammen und einer ziemlich strikten Geldpolitik. Ganz anders heute: Die Wirtschaftspolitik hat aus der großen Krise der 30er Jahre gelernt, dass sie massiv gegensteuern muss. Genau das geschieht derzeit: Viele Billionen Euro und Dollar werden in Konjunkturprogramme und Stützungsmaßnahmen für Unternehmen gesteckt. Die Notenbanken unterstützen den Kurs, indem sie in nie gesehenem Umfang Wertpapiere aufkaufen; in der abgelaufenen Woche hat die EZB ihr Anti-Krisen-Programm, PEPP genannt, noch einmal annähernd verdoppelt.
Insgesamt erreichen die derzeitigen Ankurbelungsmaßnahmen Größenordnungen ohne historisches Vorbild. Das ist gerechtfertigt: Schließlich hat die Corona-Pandemie die schwerste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst - einen abrupten Rückgang der Wirtschaftsleistung, der weltweit ziemlich synchron abläuft.
Weil Regierungen und Notenbanken massiv gegensteuern, sieht das Kernszenario für die Konjunktur denn auch so aus: Auf einen heftigen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr soll schon ab 2021 ein kräftiger Aufschwung folgen. An den Börsen jedenfalls wetten viele auf einen solchen Jojo-Effekt - siehe die steilen Kursanstiege seit Ende März. Ende der abgelaufenen Woche sorgten überraschend positive US-Arbeitsmarktzahlen nochmals für Kurssprünge.
In zentralen Rollen agieren dabei die Notenbanken. Die Geldmenge steigt so schnell wie seit langem nicht. Im Euroraum ist der Bestand an flüssigen Mitteln (M3) im April mit einer Jahresrate von 8,3 Prozent gestiegen. Auch in den USA schießt die Geldmenge nach Berechnungen der Federal Reserve Bank of St. Louis sprunghaft in die Höhe. (Achten Sie Mittwoch auf die nächsten Schritte der Fed.)
All das spricht eher für einen Boom, womöglich irgendwann gefolgt von einer inflationären Überhitzung. Wäre da nicht diese gewaltige Unsicherheit.
Unsicherheit kommt aus vielen verschiedenen Richtungen: der wackligen politische Situation in wichtigen Ländern, der weltpolitischen Großwetterlage, der Richtung des technologischen Fortschritts, des weiteren Fortgangs der Corona-Pandemie....
(lange Auslassung...)
...Der politische Hintergrund der Corona-Rezession: Großmächte verhalten sich unberechenbar; Grenzen werden verschoben; Protektionismus breitet sich aus. Der bisher halbwegs verlässliche Ordnungsrahmen der Weltwirtschaft bröckelt.
Die neue Unordnung hat konkrete wirtschaftliche Auswirkungen: Unternehmen, die nicht wissen, ob sie künftig noch ungehindert exportieren können, werden im Zweifel ihre Investitionen herunterfahren und womöglich ihre Kapazitäten schrumpfen. Beschäftigte, die um ihren Job und um ihr Einkommensniveau fürchten, unterlassen im Zweifel größere Anschaffungen - und verschlechtern damit die Absatzchancen weiterer Unternehmen.
Parallel dazu laufen tiefgreifende technologische Umbrüche ab. Es ist derzeit viel von einer Beschleunigung der Digitalisierung und von einer entschlosseneren Klimapolitik die Rede. Das aber heißt, das bisherige Technologien, Prozesse und Geschäftsmodelle obsolet werden.
Manager, die nicht abschätzen können, in welche Richtung sich der Markt entwickelt, warten erstmal ab. Autofahrer, die nicht wissen, welche Antriebstechnologien künftig Standard sein werden, halten sich lieber mit dem Kauf eines Neuwagens zurück.
Letztlich ist auch die medizinische Unsicherheit, die von Covid-19 ausgeht, keineswegs gebannt. Noch ist unklar, wann - und ob überhaupt - Impfungen und wirksame Therapien zur Verfügung stehen. Nach wie vor hängt die Gefahr von weiteren Infektionswellen - und erneuten Shutdowns - über der Weltwirtschaft.
Unsicherheit schafft Verunsicherung. Sie breitet sich in den Wirtschaftsstrukturen aus, einem Virus nicht unähnlich.
Wir durchleben derzeit ein gigantisches Experiment. Auf eine massiv verunsicherte Wirtschaft strömt ein gigantisches Reservoir von Staatsgeldern ein. Was geschieht als Nächstes? Es gibt für die derzeitige Konstellation keine Vorbilder.
Möglich, dass wir in einen halbwegs normalen Aufschwung kommen. Denkbar auch, dass die Wirtschaft wegen der großen Unsicherheiten nicht wirklich anspringt. Dann wäre eine Kombination aus blutarmer Wirtschaftsentwicklung, hoher Arbeitslosigkeit in schrumpfenden Branchen und steigenden Inflationsraten vorstellbar.
Aber wie es aussieht, werden uns die Überraschungen nicht ausgehen. Ob sie Vertrauen, Optimismus und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, wird sich zeigen....
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