Prof. Otte-Kolumne: Gigant ohne Guidant Der Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson hat die Übernahmeschlacht um Guidant verloren. Das Unternehmen bleibt im Zugzwang, denn J&J steht vor einem Wachstumsproblem. Der Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson (WKN: 853260) verbuchte im vierten Quartal einen unerwarteten Umsatzrückgang. Der Erlös fiel im Schlussquartal um 1,1 Prozent auf 12,6 Mrd. US-Dollar. Der weltweite Umsatz mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ging um 6,1 Prozent auf 5,48 Milliarden Dollar zurück, die Erlöse im Medizintechnik-Segment wuchsen um 3,7 Prozent auf 4,82 Milliarden Dollar, der Umsatz mit Gesundheitsartikeln wie Pflaster konnte um 2 Prozent auf 2,31 Mrd. US-Dollar zulegen. Johnson & Johnson leidet wie die anderen amerikanischen Pharmagiganten unter der Konkurrenz der Generikahersteller. In den vergangenen zwei Jahren konnte J&J mit seinen verschreibungspflichtigen Medikamenten noch deutlich zulegen, in den vergangenen Quartalen sind diese Erlöse aber wegen der Konkurrenz durch Generika stark rückläufig. Allein der Umsatz mit dem Schmerzpflaster Duragesic brach wegen der Konkurrenz durch Nachahmermedikamente im Schlussquartal um 33 Prozent auf 359 Mio. US-Dollar ein. Ab 2008 verlieren einige der wichtigsten Medikamente des Unternehmens den Patentschutz (2008: Topamax, Risperdal, 2009: Concerta, Ditropan XL, Eprex). Eine Verstärkung im stabileren Medizintechnikbereich wäre daher von hohem Nutzen für Johnson & Johnson gewesen. Dennoch halten wir es für die richtige Entscheidung, das der Gigant sein Angebot für Guidant nicht noch einmal nachgebessert hat. Wie dringend Boston Scientific den Herzrhythmusgeräte-Hersteller braucht, zeigt die bis auf 80 Dollar je Aktie (Gesamtvolumen von 27 Milliarden Dollar) erhöhte Übernahmeofferte, die Guidant nun letztendlich annahm. Die bereits vertraglich abgeschlossene Fusionsvereinbarung zwischen Guidant und Johnson & Johnson wird annulliert, J&J erhält im Rahmen der Vertragsauflösung eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 705 Mio. US-Dollar von der Boston Scientific. Ein nettes Sümmchen – wo man sich doch bei J&J nach den Qualitätsproblemen von Guidant gar nicht mehr sicher war, ob man das Unternehmen immer noch haben wollte. Man hat den Konkurrenten Boston Scientific zudem dazu gebracht, das ursprüngliche Angebot von J&J noch um 1,6 Mrd. US-Dollar zu überbieten – der Konsum- und Pharmariese hatte vor Bekanntwerden von Guidants Schwierigkeiten 25,4 Mrd. US-Dollar geboten. Boston Scientific hat also ziemlich teuer eingekauft. Und wahrscheinlich profitiert am meisten meine Empfehlung Medtronic. Boston Scientific/Guidant wird erst einmal zur Baustelle. Aber nicht nur Boston Scientific, auch J&J scheint in Zugzwang zu sein. Der Gesundheitskonzern nimmt nach einem Bericht vom Donnerstag in der Financial Times mit der schweizerischen Serono bereits ein neues Ziel ins Visier. J&J habe den größten US-Finanzkonzern Citigroup engagiert, um eine mögliche Offerte für das größte Biotechnologie-Unternehmen Europas zu prüfen. Ein mögliches Übernahmeangebot sei jedoch noch völlig offen. Bereits Ende Dezember hatte Presseangaben zufolge bereits der schweizerische Pharmakonzern Novartis Interesse an einer Übernahme von Serono gezeigt. Sowohl Novartis als auch Serono arbeiten an Medikamenten gegen Multiple Sklerose. Novartis-Chef Daniel Vasella wollte sich zum Übernahmepoker bisher nicht äußern. Sollte J&J oder GlaxoSmithKline (mit dem derzeit Serono verhandelt) zum Zug kommen, hätte dieses Unternehmen das Schlüsselprodukt von Serono, das Multiple-Sklerose-Mittel Rebif. Der Markt für Medikamente zur Behandlung dieser Autoimmunerkrankung ist aus Sicht der Pharmahersteller sehr lukrativ, gerade weil die Erkrankung als unheilbar, aber oft langfristig kontrollierbar gilt. Durch die zur Verfügung stehenden (kostspieligen) Medikamente kann das Fortschreiten der Behinderung nur verzögert werden. Johnson & Johnsons Akquisitionsgelüste zeigen, wo derzeit die größten Chancen der Gesundheitsbranche zu finden sind: Medizintechnik und Biotech. Und die Grenzen verschwimmen insgesamt zunehmend. Trotz attraktiver Pipeline steht Johnson & Johnson vor einem Wachstumsproblem und muss daher zukaufen. Wir halten die Aktie für derzeit fair bewertet. Wer Anteilsscheine am "Gemischtwarenladen" hat, kann behalten, ansonsten drängt sich ein Investment nicht gerade auf.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus. Quelle: WILLIAM BLAIR & ...
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