Nerven aus Stahl und viel Kapital
von Jochen Steffens
Etwas mutlos der Markt zurzeit. Der DAX hängt nun seit vier Tagen unter der 4.400-Marke und traut sich nicht so recht. Die eher schlechten Nachrichten von Dell belasten kaum, so kann es sein, dass heute auch nicht viel passiert. Zeit, um mal wieder etwas über das Traden zu schreiben:
Ich hatte letztens ein längeres Gespräch mit einem Trader, der seit geraumer Zeit versucht, auf dem Papier den DAX-Future zu traden. Nach seinen Angaben mit wenig Erfolg.
Das verwundert mich nicht sonderlich. Der DAX-Future gehört wohl mit zu den am schwersten zu tradenden Futures schlechthin. Zu viele größere Zocker tummeln sich da in einem vergleichsweise umsatzschwachen Markt und versuchen mit aller Macht, sämtliche charttechnischen Signale zunächst sich schön ausbilden zu lassen, um dann, wenn sich die "kleineren" Future-Trader endlich sicher sind, ein gutes Einstiegssignal gefunden zu haben, dieses zu "zerstören". Danach wird dann der DAX unter markante Unterstützungslinien gedrückt, um die Stops auszulösen.
Diesen Eindruck gewinnt man schnell, wenn man den Future-DAX tradet. Deswegen hört man auch immer wieder: "Der DAX-Future ist was für Wahnsinnige!" (meistens von Tradern, die sich dort die Finger verbrannt haben).
Das stimmt nur zum Teil. Nirgendwo gilt mehr als im DAX-Future: Sie müssen sich eine Meinung zum Markt bilden, geht es rauf oder runter. Wenn Sie diese Meinung gefunden haben, müssen Sie in Richtung dieser Ansicht traden. Und dann fehlt es noch an einer Charaktereigenschaft, die gerade im DAX-Future sehr wichtig ist: Nerven aus Stahl und viel Kapital.
Viel Kapital brauchen Sie deshalb, damit Ihnen Verluste nicht weh tun. Denn sonst steigt der psychische Druck zu sehr. Und an dem psychischen Druck zu großer Positionen sind schon einige sehr gute Trader gescheitert. Denn natürlich finden Sie nur sehr selten den richtigen Einstiegszeitpunkt, gerade im DAX. Meistens läuft es noch mindestens einmal richtig gegen Sie. Hier die Nerven zu behalten und an richtiger Stelle auszusteigen, sich aber andererseits nicht zu schnell rausdrücken zu lassen, ist wohl die wahre Kunst im DAX.
Und hier erkennen Sie, wie wichtig die richtige Markteinschätzung ist. Wenn Sie wissen, dass der Markt bullish ist, und es bei Ihrer Longposition mal gegen Sie läuft, dann können Sie auch mal etwas länger durchhalten. Natürlich nur, wenn diese Position Ihnen nicht die letzten Haare vom Kopf frisst. Seltsamerweise wird von den meisten DAX-Tradern der Gesamtmarkt jedoch stiefmütterlich behandelt.
Wenn ich Ihnen anbieten würde: Sie entwickeln mir für 20.000 € eine Markteinschätzung zum DAX auf Sicht von einem Monat. Wenn diese richtig ist, dann kriegen Sie im nächsten Monat einen weiteren Auftrag. Ich bin mir sicher, Sie würden sehr, sehr viel Arbeit investieren und alles tun, um richtig zu liegen.
Im Tradingalltag der meisten Trader sieht das ganz anders aus. Da wird mal der Kommentator, mal dieser Analyst gelesen, ein halbherziger Blick auf die Charts, die Konjunkturdaten verstehen sowieso die wenigsten, dann werden die Augen nach oben gen Himmel gerollt, der rechte Zeigefinger erhebt sich in die Luft, schwingt leicht kreisend umher und fast stoßartig kommt eine Meinung zu Tage: Ich bin bullish! Wieder eine neue Bauchentscheidung.
Das ist wie Roulette - und meistens ebenso teuer.
Ich schreibe das natürlich nicht einfach so, sondern aus ganz persönlicher Erfahrung. Übrigens war das der Grund, warum ich vor Jahren angefangen habe, einen allmorgendlichen kostenlosen Börsenbrief für Daytrader herauszubringen, in dem ich die großen Indizes ausführlich analysierte und interpretierte. Ich habe das nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit getan, nein, ich habe mich so dazu gebracht, jeden Morgen um 6 Uhr aufzustehen, um vorbörslich ausführliche Analysen zu erstellen. Ein kleiner Trick, um mich selbst zu überlisten, disziplinierter zu arbeiten. Das war der eigentliche und einzige Beweggrund. Dass irgendwann einmal daraus ein täglicher Investor's Daily werden würde, ist eine der seltsamen Spielereien des Schicksals.
Ihre Marktmeinung ist viel Geld wert, sehr viel Geld. Erst wenn Sie einigermaßen zuverlässig den Markt vorhersagen können, haben Sie auch in diesem wahnsinnigen DAX-Future eine Chance - doch nicht nur da. Traden ist also in erster Linie sehr viel Arbeit, diese wird von den meisten Tradern erheblich unterschätzt.
Beim Daytraden in den Futures geht es ausschließlich um Wahrscheinlichkeiten. Sie müssen es schaffen, die Trefferwahrscheinlichkeit Ihrer Trades zu erhöhen. Hier geht es tatsächlich um minimale Prozentpunkte. Je höher Ihre Trefferwahrscheinlichkeit, umso sicherer ist es, dass Sie auf längere Sicht kontinuierliche Gewinne erzielen. Das heißt jedoch, jede Minute Arbeit, die Sie in den Markt stecken, wird Ihre Erfolgschance maßgeblich verbessern.
Gruß Moya
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