Köln – Er ist der Mann, der die Visa-Affäre ins Rollen brachte. Vor einem Jahr verurteilte der Richter Ulrich Höppner den deutsch-ukrainischen Menschenschmuggler Anatoli B. zu fünf Jahren Haft.
Ein mildes Urteil, denn der Bandenchef soll 567 Ukrainer nach Deutschland geschleust haben. In der Urteilsbegründung sagte Höppner, er habe „Rabatt“ geben müssen, weil das Auswärtige Amt durch „schweres Fehlverhalten“ Vorschub geleistet habe. Ein „kalter Putsch“ gegen die bestehende Gesetzeslage, so der Richter am Kölner Landgericht.
In BILD am SONNTAG spricht der 60jährige nach dem Urteil zum erstenmal. Höppner bekräftigt seine Vorwürfe: „Dem Angeklagten wurde es leichtgemacht, deshalb konnte man ihn nicht so hart bestrafen. Nach dem Volmer-Erlaß wurde das Chaos in der Deutschen Botschaft in Kiew noch größer, als es ohnehin schon war. Wegen des großen Andrangs wurden die Visa-Anträge nicht geprüft. Aber genau das ist nach meinem Rechtsverständnis Aufgabe eines Amts.“
Urteile werden im Namen des Volkes gesprochen. Und das Volk muß die Urteile auch verstehen, meint Ulrich Höppner.
„Wenn man einem Angeklagten nur eine geringe Strafe gibt, muß man das erklären. Ich lege Wert darauf, daß es klar rüberkommt, warum die Strafkammer so geurteilt hat.“ Der Richter weiter: „Wie die Visa in Kiew vergeben wurden, war nicht in Ordnung. Verantwortlich waren das Auswärtige Amt und auch das Bundesinnenministerium. Die Verfahrensweise verstieß gegen europäisches Visumsrecht. Viele Ukrainer sind gleich nach Südeuropa weitergereist und haben dort auf Olivenplantagen gearbeitet.“
Und wen trifft die politische Schuld?
Höppner: „Diese Frage war für den Prozeß unerheblich. Ich habe auch abgelehnt, Außenminister Fischer als Zeugen vernehmen zu lassen. Wir haben eindeutig festgestellt, daß die Visa-Praxis des Auswärtigen Amtes nicht richtig war. Das reichte. Politisch bewerten müssen das andere.“
Ulrich Höppner ist ein erfahrener Richter. Schon beim Prozeß um die Pleite der Kölner Herstatt-Bank in den 80er Jahren war er dabei. Beschimpfungen wegen des Schleuser-Urteils und der Vorwurf einiger Grüner, er betreibe einen Racheakt, tropfen an ihm ab. „Das nehme ich nicht ernst. Dafür bin ich zu lange Jurist und auf der Welt. Die Vorwürfe sind albern.“
Daß ihm nachgesagt wird, er stehe der CDU nahe, amüsiert den in Sachsen aufgewachsenen Mann: „Ich gehöre keiner Partei an. Aber ich sage auch nicht, wen ich wähle. Das würde einige wohl verwundern.“
Spekulationen, daß nach dem Urteil auf Höppner politischer Druck ausgeübt worden sei, weist er zurück. Der Richter: „Ich habe keinen Druck gespürt. Wir Richter sind unabhängig.“
In einigen Wochen wird der Wahl-Rheinländer wahrscheinlich vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestags aussagen müssen. „Ich weiß gar nicht, was ich dort noch sagen soll. Warum wir so entschieden haben, steht in der Urteilsbegründung. Das Urteil ist erst vor ein paar Wochen vom Bundesgerichtshof bestätigt worden.“
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