Anlage-Experten erwarten Rallye im Herbst Umfrage unter 15 Banken zeigt: Deutsche und japanische Aktien haben das größte Potenzialvon Frank Stocker Der Ölpreis steigt, die Aktienkurse fallen. Dieses Spiel läuft nun schon seit Juni, und es scheint kein Ende in Sicht. Am Freitag stieg der Preis für ein Barrel am New Yorker Terminmarkt Nymex sogar schon über 49 Dollar. Gleichzeitig verharrten die Börsen dies- und jenseits des Atlantiks nahe an ihren Jahrestiefstständen.
Doch die Experten sind sich einig, dass diese Niveaus nicht von Dauer sein werden. Die Mehrheit von ihnen erwartet einen Rückgang des Ölpreises und eine Herbst-Rallye an den Aktienmärkten. Dies zeigt die aktuelle Umfrage von "Welt am Sonntag" und der Münchner Forschungsgruppe Südprojekt unter den Anlage-Experten von 15 Banken.
Bis Ende Februar kommenden Jahres prognostizieren sogar die Pessimisten wieder einen Index-Stand über 4000 Punkten. Im Durchschnitt sehen die Experten den Dax dann bei 4205 Punkten. Das entspräche immerhin einer Steigerung um fast 15 Prozent - im Vergleich zu früheren Umfragen ist der mittelfristige Optimismus damit besonders ausgeprägt.
Allerdings sind die Fachleute höchst uneins darüber, wann die Wende kommt. Während beispielsweise die Commerzbank erwartet, dass der Dax bis Ende September sogar noch einmal auf 3650 Punkte sinkt, sieht die ING-BHF-Bank den deutschen Aktienindex schon innerhalb von vier Wochen wieder bei 4000 Zählern.
Entscheidend für eine Erholung der Kurse ist, dass sich der Ölpreis normalisiert. Dafür spricht indes vieles. "Der aktuelle Preis hat wenig mit Ölknappheit zu tun, sondern ist zu einem maßgeblichen Teil von Spekulanten gemacht", sagt Frank Bulthaupt, Volkswirt bei der Dresdner Bank. Gegenwärtig wollen sie offenbar unbedingt die Marke von 50 Dollar pro Barrel in New York fallen sehen. "Es kann gut sein, dass der Markt dreht, wenn dies endlich erreicht ist", sagt Bulthaupt.
Das kann schon in der kommenden Woche geschehen, es kann sich aber auch noch über einige Zeit hinziehen. Sicher ist jedoch: "Eine Beruhigung am Ölmarkt wird auch den Aktienkursen wieder Impulse geben", sagt Roland Ziegler von der ING-BHF-Bank. "Denn die aktuellen Kurse stehen im klaren Widerspruch zu den Fundamentaldaten."
So wird die Weltwirtschaft nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr so stark wachsen wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auch in Deutschland wurden die Konjunkturprognosen zuletzt immer optimistischer. Zudem sind die Gewinne der Dax-Unternehmen im zurückliegenden Quartal um 12,3 Prozent stärker gestiegen als von den Analysten erwartet. Ihre Prognosen haben die Dax-Mitglieder im Durchschnitt um etwa drei Prozent erhöht. Und in den USA werden die Unternehmensgewinne ebenfalls weiter steigen, wenn auch die Raten zukünftig geringer ausfallen werden als in den zurückliegenden Quartalen.
Die Basis für einen Aufschwung an den Börsen ist also gelegt. Zudem bieten sich den Anlegern derzeit kaum Alternativen. Die Zinsen bleiben auf historisch niedrigem Niveau, und auch der Aufschlag für Risiko-Anleihen ist in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. "Aktien sind daher vor allem im Vergleich zum Rentenmarkt attraktiv", sagt Klaus Schrüfer von der SEB.
Sollte sich diese Erkenntnis unter den Investoren wieder durchsetzen, könnten davon vor allem deutsche Aktien profitieren. "Der deutsche Markt hat gute Chancen, besser zu laufen als andere Börsenplätze", so Schrüfer. Denn der Dax reagiert viel stärker als sein amerikanisches Pendant auf klare Signale - sowohl im positiven wie im negativen Sinne. So liegt der deutsche Aktienindex heute immer noch rund 50 Prozent unter seinem Hoch vom Frühjahr 2000, der Dow Jones ist nur rund 15 Prozent davon entfernt.
"Auch Japan ist derzeit immer noch attraktiver als der amerikanische Markt", ergänzt Roland Ziegler. Obwohl der Nikkei-Index seit dem Frühjahr vergangenen Jahres schon enorme Kurssteigerungen verzeichnen konnte, bleibt Ziegler für das Land der aufgehenden Sonne optimistisch.
"Die zyklische Erholung scheint diesmal auf gesunden Beinen zu stehen, und die dringlichen Probleme der vergangenen 15 Jahre werden langsam gelöst", sagt Ziegler. So habe die Bankenkrise stark an Bedeutung verloren, die Unternehmen hätten kräftig rationalisiert, und auch der Immobilienmarkt stabilisiere sich.
"Allerdings ist diese Erkenntnis inzwischen Allgemeingut geworden", schränkt Ziegler ein. "Der Überraschungseffekt, der sich im vergangenen Jahr so positiv auf japanische Aktien auswirkte, ist damit raus."
Artikel erschienen am 22. August 2004
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