Prozess gegen Freenet-Manager Spoerr pariert Angriff von Thomas Wendel (Hamburg)
Wenn der erste Tag des Prozesses gegen die Freenet-Vorstände Eckhard Spoerr und Axel Krieger eines gezeigt hat, dann dies: Dass Aktienoptionen zur Bezahlung von Managern ungeeignet sind.
Ist es das wert? Das Blitzlichtgewitter, die bösen Schlagzeilen, die Nachrichtenfilme in den Fernsehsendern, die in den nächsten Wochen sicherlich immer wieder über die Bildschirme flimmern werden? Eckhard Spoerr und Axel Krieger, seit Jahren beim Internet- und Mobilfunkkonzern Freenet das Kommandieren gewohnt, sitzen am Freitag wie Schuljungen mit ihren beiden Anwälten an einem Ecktisch des Saals 912 im Hochhaus des Hamburger Landgerichts, Außenstelle Kapstadtring 1. Sie stehen brav auf, als der Vorsitzende Richter der Großen Strafkammer 20, Michael Kaut, den Raum betritt. Und sie grüßen artig das hohe Gericht.
Mit soviel Respekt haben die Manager wahrscheinlich zuletzt als Kinder ihre Lehrer empfangen. Und danach niemanden mehr. Aber hier, mit Blick auf den Kontrollturm des Flughafens Fuhlsbüttel, machen sich der schillernde Unternehmenschef Spoerr, der Gegner schon mal mit lauter Stimme "Giftspritzen" schilt, und sein Finanzvorstand Krieger wieder ganz klein. Schließlich steht für beide eine Menge auf dem Spiel.
Bis zu fünf Jahren Haft oder eine saftige Geldstrafe könnte ihnen Kaut und sein Schöffengericht aufbrummen, sollten Spoerr und Krieger für das schuldig gesprochen werden, was ihnen Oberstaatsanwalt Uwe Hitziger an diesem Freitagmorgen vorwirft: Insiderwissen beim Verkauf eigener Freenet-Aktien Mitte Juli 2004 ausgenutzt zu haben. Kurz danach, Anfang August, gab das Unternehmen in einer Adhoc-Mitteilung bekannt, dass der Umsatz im analogen Telefon- und Internetgeschäft geschrumpft sei, der Freenet-Kurs fiel im Tagesverlauf kräftig.
Diese Reaktion der Kapitalmärkte sei den Managern von Anfang an klar gewesen. Deshalb hätten sie die Aktienoptionen, die sie in Vorjahren als Bestandteil ihrer Gehälter erhalten haben, auch schleunigst verkauft, bevor die schlechten Nachrichten auf dem Markt gewesen sind, erklärt die Anklage. 1,17 Mio. Euro Bruttoeinnahmen habe der Verkauf von jeweils 60.000 Aktien jedem der beiden beschert, rechnet Hitziger detailliert vor. Jede einzelne Depottransaktion, die von der Commerzbank im Juli 2004 für die beiden abgewickelt wird, führt die Anklage penibel auf. Auf Euro und Cent genau.
Spoerr und Krieger zerpflücken Argumente der Anklage
Die beiden Angeklagten wehren sich vehement gegen diese Vorwürfe. In persönlichen Erklärungen streiten sie jede Schuld ab. "Der Verkauf der Aktien 2004 beruht allein auf einer im Herbst 2003 gemeinsam mit Herrn Krieger getroffenen Entscheidung, die Aktien zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu veräußern. Dies hatte nichts mit Quartalszahlen zu tun", sagt Spoerr. Spoerr und Krieger zerpflücken die Argumente der Anklage. Sie versuchen, mit internen Dokumenten und Presseberichten zu belegen, dass jeder, der es wirklich wissen wollte, längst vor dem Versand der Adhoc-Mitteilung von dem schlechter laufenden Geschäft mit Internet- und Telefonwahlverbindungen auch wissen konnte.
Und die beiden machen das Hin- und-Her im Freenet-Vorstand und im Aufsichtsrat transparent, das damals beim Umgang mit den millionenschweren Aktienoptionen für Führungskräfte geherrscht hat: Erst beschließt das Unternehmen, die Aktienoptionen gar nicht mehr real in Aktien umzuwandeln, sondern stattdessen den realisierbaren Gewinn des Geschäfts gleich in bar auszuschütten.
So hoffen nach Darstellung Kriegers und Spoerrs Vorstand und Aufsichtsrat im Jahr 2003, böse Schlagzeilen in der Presse und Nachfragen der eigenen Investoren zu umgehen: Schließlich macht es sich immer nicht gut, wenn Manager die Wertpapiere des eigenen Unternehmens verkaufen. Ist das nicht Beleg genug dafür, dass sie nicht mehr ihrem eigenen Geschäft trauen? Doch die Barausschüttung kommt Freenet zu teuer: Die hohen Vergütungen der Chefs und anderer Begünstigter lasten auf der Liquidität.
Dann beschließt der Aufsichtsrat nach Darstellung Kriegers und Spoerrs, schnell wieder zur alten Verfahrensweise zurückzukehren: dem tatsächlichen Ausüben der Option, gefolgt von einem Verkauf der Aktie. Um Medien und Investoren nicht wieder zu verunsichern, wird anschließend aber festgelegt, dass der Verkauf der Aktien sofort nach ihrem Erhalt erfolgen solle. Kein Freenet-Manager soll Aktien länger als nötig halten. Öffentlich sei das dokumentiert worden, sagt Spoerr. Und jeder Begünstigte habe sich seither daran auch gehalten, beteuert der Freenet-Chef. Und dann erklärt er noch die Stückelung der Aktienverkäufe mit dem Versuch, die Wertpapiere "kursschonend" in kleineren Tranchen zu verkaufen. Details aus dem Privatleben
All das klingt zunächst plausibel. Aber es zeigt auch, wie ungeeignet Aktienoptionen für die Bezahlung von Managern börsennotierter Unternehmen sind: Entweder sie belasten die Liquidität zu sehr, oder sie geben vermeintliche - und oft falsche - Hinweise darauf, wie Vorstände ihren eigenen Betrieb einschätzen. Beides ist schlecht für ein Unternehmen.
Die Millionen, die die Aktienoptionsgeschäfte Spoerr und Krieger eingebracht haben, haben vor dem Hamburger Landgericht aber noch einen anderen Preis. Der Freenet-Chef und der Finanzvorstand müssen Details aus ihrem Privatleben vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Da versucht Krieger zum Beispiel seine Unschuld damit zu belegen, dass er zwei Stadthäuser in Hamburg für insgesamt rund 1,2 Mio. Euro finanziert hat und zur Ablösung dringend und sofort auf den Gewinn aus dem Aktienoptionsgeschäft angewiesen gewesen ist. Notare, Kaufpreise, Adressen, persönliche Vermögenslage, alles wird publik. Und Spoerr offenbart gleich bei der anfänglichen Feststellung seiner Meldeadresse etwas, worüber er generell nicht gerne spricht: dass er bei seiner Freundin eingezogen ist. Und die sitzt ausgerechnet im Freenet-Aufsichtsrat.
Kommenden Freitag wird der Prozess in Hamburg fortgesetzt. Man darf auf weitere spannende Enthüllungen hoffen.
http://www.ftd.de/technik/it_telekommunikation/...Angriff/459016.html ----------- Dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegenkommen
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