Gold & Gesellschaft: Chinesisches Schatten(banken)boxen Manchmal ist es gut, die Ereignisse des Jahres 2008 noch einmal Revue passieren zu lassen. Seinerzeit brach nämlich ein Konstrukt zusammen, das ohne billionenschwere staatliche Rettungs-Maßnahmen und der Überflutung der Weltgeld-Märkte mit Zentralbank-Geld zu einer Mega-Deflation und in der Folge dem Auslöschen unseres Finanzsystems geführt hätte: Das Schattenbanken-System. Außerhalb des (offiziellen) Bankensystems, welches den Regelungen der Finanz-Aufsicht, bestimmten Anforderungen an die Ausstattung mit Eigenkapital und durch eine von Zentralbanken gelenkte Zins- und Geldmengen-Politik unterliegt, entwickelte sich ein zweites System, das weder kontrollierbar noch regulierbar war. Dort wurden faule Hypotheken-Kredite angekauft nebst Studenten-Darlehen und selbst Kreditkarten-Schulden und mit Hilfe von Verbriefungen an diverse Investoren wie Pensions-Fonds, Lebensversicherungen, Banken und Geldmarkt-Fonds verkauft. Borrow short – lend long lautete das Geschäftsmodell: Langlaufende Hypotheken wurden angekauft und man finanzierte diese mit kurzlaufenden Ausleihungen. Die Zindifferenz zwischen den Anlageformen bildete das Geschäftsmodell dieses System. Diese sogenannten Structured Investment Vehicles (SIV) hatten insbesondere die deutschen Landesbanken und die Hypo Real Estate (HRE) zu besonderer Berühmtheit verholfen. Das System brach in sich zusammen, nachdem die SIVs wegen des Preisverfalls ihrer langfristigen Anlagen keine Käufer mehr für ihre Verbriefungen mehr fanden – denn sie waren permanent darauf angewiesen, dass sie ihre Anlagen günstig umschulden konnten. Um Notverkäufe und eine deflationäre Abwärtsspirale zu vermeiden, wurden die Verbriefungen in die Bilanzen der Banken überführt und mit Hilfe milliardenschwerer staatlicher Zuschüssen und Ankaufsvereinbarungen mit den Notenbanken unter Quarantäne gestellt. Hierbei wurde zwar kräftig getrickst, weil die schlechten Anlageklassen nur durch eine Umbuchung nicht plötzlich gut werden, aber im (offiziellen) Bankensystem kann die Notenbank immer beliebig viel Liquidität für die darbenden Banken bereitstellen. Staatliche Geldspritzen und Ankaufsprogramme (swap arrangements) mit den Notenbanken verhinderten eine Überschuldung der Banken. Das Schattenbanken-System war damit auf einen Schlag tot. Nun berichtet die International Herald Tribune in ihrer heutigen Ausgabe unter dem Titel In China, suspicions of financial engineering, dass dort anscheinend mit ähnlicher Methode wie seinerzeit im Westen ein Schattenbanken-System geschaffen wurde. Crackdown aims to halt loan practices like those that sank Western bank – man versucht von staatlicher Seite die Praktiken (des Schattenbanken-Systems) zu verhindern, die damals die westlichen Banken versenkt haben. In dem Bericht wird von Investment Trusts gesprochen, die Bankkunden als Alternative für ihre schlecht verzinsten Einlagen geboten werden. Das Geld wiederum fließt in lokale beziehungsweise regionale Infrastruktur-Programme, zum großen Teil auch Prestige-Objekte der lokalen Partei-Bonzen und entzieht sich so der finanziellen und auch politischen Kontrolle der Zentral-Regierung. Das wäre noch nicht so besorgniserregend, wenn nicht bereits Investoren in diese Trusts ihr Geld verloren hätten. Was den Vereinigten Staaten ihre Subprime-Schuldner mit Mega-Häusern war, ist in China nun anscheinend die regionale Parteiführung mit ihren Prestige-Infrastrukturbauten. Das feuert natürlich die Wirtschaft an, so wie seinerzeit in den USA. Schafft aber nicht nur eine Blase, sondern eine riesige Investment-Ruine, die viele Investoren zukünftig entsparen wird. Von der Kernschmelze der chinesischen Bauindustrie, der dann die Aufträge ausbleiben werden, einmal ganz zu schweigen. Und genau das zusammengebrochene SIV-Konstrukt wird hier wieder gecycelt, wie die Herald Tribune berichtet: The regulators, suspecting that banks and trusts are secretly repackaging old loans and moving them off bank balance sheets, are concerned that Chinese institutions may have engaged in the same sort of financial engineering that got Western banks into trouble. Engineering ist hier nicht als Ingenieurs-Kunst zu verstehen, sondern als Trickserei. Die PBoC (Peoples Bank of China) versucht schon seit geraumer Zeit, das Kredit-Wachstum mit restriktiven Methoden der Geldpolitik in den Griff zu bekommen. Anscheinend ohne Erfolg – denn wenn Kredit zusätzlich über das Schattenbanken-System generiert wird, dann hat die PBoC weder Informationen darüber, noch kann sie dies beeinflussen. Nach einer Schätzung von Fitch befinden sich 2.300 Milliarden Yuan ($340 Milliarden) sogenannter trust-related Produkte in den Bilanzen der chinesischen Banken. Hinzu kommen die derzeit unsichtbaren Ausleihungen in dem SIV-Konstrukten: Regardless of how the transaction is structured, credit is disappearing from the bank balance sheets, resulting in pervasive understatement of credit growth. Credit risk has not disappeared but merely been transferred to investors. Das Kredit-Volumen verschwindet zwar aus den Banken-Bilanzen und hinterlässt den falschen Anschein einer niedrigen Kredit-Ausweitung. Aber das Kredit-Risiko ist nicht verschwunden – es liegt jetzt beim Investor selbst. So kann die gutgemeinte Geldmengen-Politik der Zentralbank zwar die Überhitzung des offiziellen Kredit-Sektors kontrolliert steuern. Wenn sie dabei aber die Blase der Anlagen im Schattenbanken-System ansticht, dann könnte sich China in einer ähnlichen Situation wiederfinden, wie die FED seinerzeit in den Jahren 2006 bis 2008. Wie das ausgegangen ist, wissen wir ja. Aktuelle Entwicklung an den Gold-Märkten Da hat es ja wirklich heute mal ein Markt-Teilnehmer versucht, den Gold-Preis zum Londoner P.M. Fix zu drücken. Bei $1.218 wurde ein kleines Tages-Doppeltief erreicht. Und eine knappe halbe Stunde später – im reinen Derivate-Handel – oh Wunder stieg das gelbe Metall um über zehn Dollar. Aus der Drückung wurde dann sogar noch ein merklicher Tages-Anstieg. Da hat wohl eine EZB-Notenbank ihr physisches Gold-Pulver verschossen und trotzdem hat der Feind ihre Stellung überrannt. Dies ist gefährlich für das Gold Kartell, das an der heutigen Aktion wegen Dilettantismus wohl sicherlich nicht beteiligt war. Wenn doch, dann wäre es an der Zeit, selbst seine sanitären Anlagen gegen Gold zu tauschen – denn der dann folgende Anstieg des Goldes würde dann mächtig ausfallen. Aber über die Signal-Wirkung dieser heutigen Preisbewegung ist sich auch das Gold Kartell bewusst. Und so wurde Gold bei $1.233 hart gestoppt. Das haben die Markt-Teilnehmer verstanden und keinen weiteren Anlauf unternommen. Sie werden es trotzdem die nächsten Tage versuchen. Im Gegensatz zu dem, was da heute geschehen ist, handelt es sich bei den Gold Kartell Banken nämlich um Vollprofis. Wer in einem bereits seit dem Jahr 2000 andauernden Bullen-Markt permanent Short ist und dem es dabei noch gelingt, die spekulativen Longs reihenweise aus ihren Positionen zu drängen und dabei wohl noch positive Einkünfte erzielen kann, der verdient meinen Respekt. Obwohl es sich um gegen die Märkte gerichtete Kräfte handelt, die eigentlich eher ins Gefängnis gehören als an ihren Trading-Screen. Aber die Prechters und Gartmans dieser Welt glauben immer noch an ihre Elliott-Wellen oder sonstigen technischen Trading-Theorien. Wer selbst tradet weiß, dass das Verlustrisiko auf der Long-Seite auf den Betrag des zugrundeliegenden Metalls begrenzt ist. Bei Engagements auf der Short-Seite jedoch praktisch unbegrenzt. Wenn ich beispielsweise einen COMEX-Future-Kontrakt kaufe, dann kann ich theoretisch 100 * $1.200 = $120.000 verlieren, wenn Gold plötzlich nichts mehr wert sein würde. Gehe ich einen Short-Kontrakt ein und steigt Gold beispielsweise auf die Eichelburgschen $50.000, dann beträgt mein Verlust schon 100 * $50.000 = $5 Millionen. Dabei fing der Tag so ruhig an: Gold trat im asiatischen Handel in eine Erholungs-Phase, bei welcher der Kurs stets unter dem gestrigen COMEX-Schlusskurs lag. Das ist eigentlich auch nach so vielen positiven Handelstagen in Folge ein Zeichen, dass das Metall nicht nur von Spekulanten hochgetrieben wird. Im Londoner Vormittags-Handel bestätigte sich diese Entwicklung, denn der A.M. Fix mit $1.223,00 (EUR 948,95) war sowohl vier Dollar niedriger als der gestrige COME-Schlusskurs und die Marke von EUR 950 war nach unten durchbrochen. Nachdem Gold in den ersten Minuten des beginnenden Handels an der New Yorker COMEX auf den gestrigen Schlusskurs anstieg – und dabei wohl auch die Marke von EUR 950 berührte – brannten bei einem Marktteilnehmer wohl einige Sicherungen durch. Der P.M. Fix kam überraschenderweise bei $1.218,00 (EUR 946,09) zustande. Bei jeder ordentlich initiierten Drückung müsste nun eine zweite Angriffswelle im COMEX-Handel folgen. Diese blieb jedoch aus. Nachdem eine Reihe von Teilnehmern mit dem Nachkauf von Gold den Preis wieder steigen ließen, war klar, dass die Drückung wohl nur ein punktuelles Ereignis im Londoner Nachmittags-Handel war. Aus dem ursprünglich leicht nachgebenden Gold-Kurs ohne P.M. Drückung wurde nun ein steigender Gold-Kurs mit einem Preis mehrere Euros über der Marke von 950. Mission not accomplished. Der Gold-Preis wurde dann zwar bei $1.233 hart gestoppt und in der Folge fiel das gelbe Metall zum COMEX-Schluss auf $1.230 zurück. Aber das war trotzdem eine der seltenen Aktionen, die wir beobachten durften. Die Weißen Edelmetalle standen heute unter Druck. Der US-Dollar stabilisierte sich und die 10-jährigen Treasury Bonds schwankten heute wieder knapp unter dem Rundungsfehler im Bereich 2,6 bis 2,7 Prozent. http://www.bullionaer.de/shop/showZiemann.php/action/latest ----------- "Heute geht es uns schlechter als gestern, aber besser als morgen!" "In Zeiten der universellen Täuschung wird das Aussprechen der Wahrheit zur revolutionären Tat!" (George Orwell)
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