Ältere Menschen wollen nicht im Abseits leben Wohnangebote für Senioren werden gewachsenen Ansprüchen kaum noch gerecht - Auch jüngere Mieter schätzen "barrierefrei"Berlin - Dem demografischen Wandel zum Trotz ist die Nachfrage nach Wohnplätzen in Altenheimen gering. Bereits jetzt leben fast 18 Mio. Menschen, die 60 Jahre und älter sind, in Deutschland. Doch die wenigsten von ihnen wollen auf ein selbstbestimmtes Dasein in einer eigenen Wohnung verzichten. Vielmehr sind sie nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bis ins hohe Alter daran interessiert, ihr Leben aktiv zu gestalten.
"Ein Leben in einem Senioren-Ghetto lehnen die meisten älteren Menschen ab", bestätigt auch Günther Klauke, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT). Im Gegenteil: Viele ältere Menschen wollten bewusst mit jüngeren in einem Haus zusammenleben. "Bis zum 80. Lebensjahr empfinden sich die meisten Senioren als vital", sagt Klauke. Deshalb hätten bis zu diesem Alter nur die wenigsten von ihnen ein Interesse, in ein Altenheim zu ziehen. Auch altengerechte Wohnanlagen würden nur bedingt auf Zuspruch stoßen. Nicht wenige 75jährige weisen den Vorschlag, in so eine Einrichtung zu ziehen, vehement von sich mit der Begründung, dort würden ja nur alte Menschen leben. Klauke: "Alt zu sein gilt in Deutschland als Makel." Weshalb Produkte jeglicher Art, die mit dem Label "seniorengerecht" vermarktet werden, kaum Nachfrage finden würden.
Von sämtlichen Ausstattungs- und Designempfehlungen, die eine Wohnung seniorengerecht machen, würden auch Jüngere profitieren, betont Klauke. "Höhenverstellbare Waschbecken und Toilettensitze bieten nicht nur älteren Menschen mehr Komfort, sondern auch jungen Familien mit Kindern." Eine Dusche in Bodenhöhe, die betreten werden kann, ohne eine Trennwand überschreiten zu müssen, ist nicht nur von Rollstuhlfahrern und gehbehinderten Älteren problemlos zu benutzen. Auch junge Menschen freuen sich, wenn sie keine potenzielle Stolperhürde bewältigen und nicht mit gekrümmtem Rücken per Hand die Seitenwände und den Bodenteil einer Dusch- oder Badewanne putzen müssen.
Dass viele Details, die Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus seniorengerecht machen, auch von jüngeren Menschen geschätzt werden, zeigt sich am Beispiel des Fahrstuhls. Klauke: "Welcher 20-jährige verzichtet schon darauf, den Lift zu benutzen, um zu seiner Wohnung im zweiten oder dritten Stock zu gelangen?" Türbeschläge, deren Schließzylinder oberhalb der Klinke angeordnet ist, erleichtern es nicht nur Menschen mit reduzierter Sehfähigkeit und eingeschränkter Beweglichkeit der Fingergelenke den Schlüssel in das Zylinderloch einzuführen. Frauen loben diese Beschläge, weil sich mit vollen Einkaufstaschen die Tür schneller aufschließen lässt.
Falsch sei auch die Annahme, dass altengerechte Wohnungen in der Erstellung deutlich teurer seien. "Wenn von vornherein Rollstuhl geeignete Türen mit einer Breite von einem Meter und große Badezimmer eingeplant werden, halten sich die zusätzlichen Kosten in Grenzen", meint Klauke. Teuer sei es hingegen, Wohnungen nachträglich umzubauen. Angesichts des demografischen Wandels und der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft sollten Wohnungsgesellschaften schon heute bei Modernisierungen dafür sorgen, dass ihre Wohnungen auch den Bedürfnissen der Mieter von morgen entsprechen. hai
Artikel erschienen am Do, 26. August 2004
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