Zitat von @Knappschaftskasse OÖN: Was konkret treibt den Menschen zur Narretei?
Girtler: Er sucht nach dem Außeralltäglichen, nach etwas, das den Alltag sprengt. Er sucht neu nach den Normen. Die Diener spielen die Herren, die Herren die Diener.
OÖN: Und das ungestraft ...
Girtler: Es ist etwas Wunderbares, wenn man andere ungestraft zum Narren halten kann. Besonders für Kinder, die in diesem geschützten Ritualrahmen den sonst so machtvollen Eltern etwas retour geben können.
Er müsse nun kurz unterbrechen, sagt Girtler, um seine Gattin telefonisch von der glücklichen Wiederfindung seines Zahnes in Kenntnis zu setzen.
OÖN: Ähm, Herr Professor, die Soziologie spricht bezüglich närrischer Rituale von "Ventilsitten". Was heißt das?
Girtler: Ventilsitten wie Fasching oder 1. April wirken herrschaftsstabilisierend. Solche Funktionen gab es schon bei den Naturvölkern. Das Volk ging an die Grenzen der Herrschaft und schimpfte über den Zaun.
OÖN: Wer jemanden in den April schickt, weidet sich doch auch an Schadenfreude, oder?
Girtler: Freilich. Schadenfreude ist nichts anderes als das Gefühl, besser und gescheiter als ein anderer zu sein. Schon Wilhelm Busch hat gewusst: "Dummheit, die man bei dem anderen sieht, wirkt leicht erheiternd aufs Gemüt." Der Genuss liegt in der Machtausübung. Jeder Mensch macht diesen Prozess durch.
OÖN: Also zählt der Brauch des 1. April zu den pädagogisch wichtigsten Einheiten der Schule des Lebens?
Girtler: Ja, das ist eine gute Deutung. Wenn mich meine Enkelkinder in den April schicken, spiele ich natürlich mit. Andererseits halte ich sie natürlich auch zum Narren.
OÖN: Will der Mensch an sich getäuscht werden?
Girtler: Jede Art von Täuschung unterbricht den Alltag. Wie ein guter Witz. Und wer allzu alltäglich ist, also ein fader Zipf, der wird am liebsten getäuscht. Denken S' nur den alten Pflanz mit der Schnur an der Geldtasche, die auf dem Trottoir liegt. Oder an den Schabernack in den Unruhe-nächten am Land.
Er habe rasch gelernt, durch das Zahnloch recht hübsch zu pfeifen, erzählt Girtler, nimmt den Stiftzzahn heraus und pfeift eine kleine Melodie.
OÖN: Ähm, Herr Professor, heißt das, dass es ohne faden Alltag keine Täuschung gäbe?
Girtler: Schaun Sie! Die alten Babylonier haben die Sieben-Tage-Woche erfunden. Jeder Sonntag war eine Art Niemandsland, eine Grenzüberschreitung. Die Zehn-Tage-Woche der Franzosen nach der Revolution war nicht von Dauer. Denn die Menschen brauchen Unterbrechung des Alltags in kürzeren Abständen. Außerdem versucht jeder Mensch zu täuschen. Das ist ja nichts Schlechtes, außer man erniedrigt andere dabei. Täuschung heißt in der Natur oft Überleben; Mimikry zum Beispiel. Und nachdem der Mensch auch nur ein Spielzeug in Gottes Natur ist, gehört die Täuschung zum Repertoire.
OÖN: Und in der Politik sowieso ...
Girtler: Ich hab mir vor zwanzig Jahren einmal eine Parteiakademie angeschaut. Dort wurde Abgeordneten die Aufgabe gestellt, dieselbe Rede einmal traurig und einmal lustig zu halten. Das heißt: Die Politiker lernen dort das Täuschen. Rhetorik in Ehren, aber man sollte doch letztlich bei sich selbst bleiben.
Girtler fällt ein, dass er sich durch die Wiederfindung des alten Zahns mindestens 500 Euro für einen neuen Zahnersatz erspare. Dies müsse er umgehend seiner Gattin mitteilen.
OÖN: Ähm, Herr Professor, es gibt noch eine Ursprungs- theorie zum 1. April: Demnach sollte auf dem deutschen Reichstag von 1530 ein Münztag auf den 1. April angesetzt worden sein, um die Währungsvielfalt zu ordnen. Davor wurde eifrig spekuliert. Als dann der Münztag nicht stattfand, verlachte man die Spekulanten.
Girtler: OÖN: Was konkret treibt den Menschen zur Narretei?
Girtler: Er sucht nach dem Außeralltäglichen, nach etwas, das den Alltag sprengt. Er sucht neu nach den Normen. Die Diener spielen die Herren, die Herren die Diener.
OÖN: Und das ungestraft ...
Girtler: Es ist etwas Wunderbares, wenn man andere ungestraft zum Narren halten kann. Besonders für Kinder, die in diesem geschützten Ritualrahmen den sonst so machtvollen Eltern etwas retour geben können.
Text zur Anzeige gekürzt. Gesamtes Posting anzeigen... Er müsse nun kurz unterbrechen, sagt Girtler, um seine Gattin telefonisch von der glücklichen Wiederfindung seines Zahnes in Kenntnis zu setzen.
OÖN: Ähm, Herr Professor, die Soziologie spricht bezüglich närrischer Rituale von "Ventilsitten". Was heißt das?
Girtler: Ventilsitten wie Fasching oder 1. April wirken herrschaftsstabilisierend. Solche Funktionen gab es schon bei den Naturvölkern. Das Volk ging an die Grenzen der Herrschaft und schimpfte über den Zaun.
OÖN: Wer jemanden in den April schickt, weidet sich doch auch an Schadenfreude, oder?
Girtler: Freilich. Schadenfreude ist nichts anderes als das Gefühl, besser und gescheiter als ein anderer zu sein. Schon Wilhelm Busch hat gewusst: "Dummheit, die man bei dem anderen sieht, wirkt leicht erheiternd aufs Gemüt." Der Genuss liegt in der Machtausübung. Jeder Mensch macht diesen Prozess durch.
OÖN: Also zählt der Brauch des 1. April zu den pädagogisch wichtigsten Einheiten der Schule des Lebens?
Girtler: Ja, das ist eine gute Deutung. Wenn mich meine Enkelkinder in den April schicken, spiele ich natürlich mit. Andererseits halte ich sie natürlich auch zum Narren.
OÖN: Will der Mensch an sich getäuscht werden?
Girtler: Jede Art von Täuschung unterbricht den Alltag. Wie ein guter Witz. Und wer allzu alltäglich ist, also ein fader Zipf, der wird am liebsten getäuscht. Denken S' nur den alten Pflanz mit der Schnur an der Geldtasche, die auf dem Trottoir liegt. Oder an den Schabernack in den Unruhe-nächten am Land.
Er habe rasch gelernt, durch das Zahnloch recht hübsch zu pfeifen, erzählt Girtler, nimmt den Stiftzzahn heraus und pfeift eine kleine Melodie.
OÖN: Ähm, Herr Professor, heißt das, dass es ohne faden Alltag keine Täuschung gäbe?
Girtler: Schaun Sie! Die alten Babylonier haben die Sieben-Tage-Woche erfunden. Jeder Sonntag war eine Art Niemandsland, eine Grenzüberschreitung. Die Zehn-Tage-Woche der Franzosen nach der Revolution war nicht von Dauer. Denn die Menschen brauchen Unterbrechung des Alltags in kürzeren Abständen. Außerdem versucht jeder Mensch zu täuschen. Das ist ja nichts Schlechtes, außer man erniedrigt andere dabei. Täuschung heißt in der Natur oft Überleben; Mimikry zum Beispiel. Und nachdem der Mensch auch nur ein Spielzeug in Gottes Natur ist, gehört die Täuschung zum Repertoire.
OÖN: Und in der Politik sowieso ...
Girtler: Ich hab mir vor zwanzig Jahren einmal eine Parteiakademie angeschaut. Dort wurde Abgeordneten die Aufgabe gestellt, dieselbe Rede einmal traurig und einmal lustig zu halten. Das heißt: Die Politiker lernen dort das Täuschen. Rhetorik in Ehren, aber man sollte doch letztlich bei sich selbst bleiben.
Girtler fällt ein, dass er sich durch die Wiederfindung des alten Zahns mindestens 500 Euro für einen neuen Zahnersatz erspare. Dies müsse er umgehend seiner Gattin mitteilen.
OÖN: Ähm, Herr Professor, es gibt noch eine Ursprungs- theorie zum 1. April: Demnach sollte auf dem deutschen Reichstag von 1530 ein Münztag auf den 1. April angesetzt worden sein, um die Währungsvielfalt zu ordnen. Davor wurde eifrig spekuliert. Als dann der Münztag nicht stattfand, verlachte man die Spekulanten.
Girtler: Der Spekulant lebt davon, dass andere getäuscht werden oder nicht so gut informiert sind. Wenn es dann heißt, wir leben in einer Informationsgesellschaft, stimmt das nicht. Viele haben nur beschränkten Zugang zu Informationen, weil sie ihn sich nicht leisten können.oder nicht so gut informiert sind. Wenn es dann heißt, wir leben in einer Informationsgesellschaft, stimmt das nicht. Viele haben nur beschränkten Zugang zu Informationen, weil sie ihn sich nicht leisten können.
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