Waffen für "die Schmuddelkinder"
Rüstungsexport ist kein rot-grünes Reizthema mehr. Auf Drängen des Kanzlers fallen die Tabus jetzt reihenweise
von Hans-Jürgen Leersch
Vom Auto- zum Panzerkanzler - Gerhard Schröder hat in aller Stille einen Schwenk in der Außenwirtschaftspolitik durchgesetzt. Galten Rüstungsexporte in den ersten Jahren der rot-grünen Koalition noch als Teufelswerk, so sind Lockerungen unübersehbar. Noch heißt es in den Regierungsrichtlinien, die Bundesregierung sei bestrebt, ihre "Rüstungsexportpolitik restriktiv zu gestalten" und durch "Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt zu leisten". Doch mit der Lieferung von 20 Transportpanzern ausgerechnet in das Krisenland Irak ist der Damm gebrochen.
Vor fünf Jahren sah die rot-grüne Welt noch anders aus. Damals hatte der Bundessicherheitsrat, der für Exporte zuständige Kabinettsausschuß, die Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard 2 an die Türkei gebilligt. Die Grünen waren von der SPD überstimmt worden und lösten danach eine schwere Koalitionskrise aus. Zu dem Geschäft, das den deutschen Panzerbauern rund sieben Milliarden Euro in die Kassen gespült hätte, kam es nicht, weil der Regierung in Ankara das Geld ausging. Seitdem herrschte Ruhe an der rot-grünen Panzerfront. Weitere Exportversuche, zum Beispiel die Lieferung von Fuchs-Panzern an Israel vor zwei Jahren, wurden abschlägig beschieden. Inzwischen will Israel, von der Not getrieben, das deutsche Allschutz-Transportfahrzeug Dingo 2 als Lizenzbau aus den USA beziehen. Dagegen kann Berlin in der Regel nichts unternehmen.
Schröder ließ sein Ziel jedoch nicht aus den Augen. Während seiner letzten China-Reise empfahl er die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen die Volksrepublik. Im Auswärtigen Amt herrschte seinerzeit Entsetzen, das inzwischen einer realistischeren Beurteilung gewichen ist. Im Bereich Menschenrechte mache China Fortschritte, heißt es im Auswärtigen Amt, wo Minister Joschka Fischer inzwischen den Widerstand gegen Schröders Exportpolitik aufgegeben hat.
Der Kanzler gefällt sich in seiner neuen Rolle. Beim Besuch in Indien sprach er über die Lieferung deutscher U-Boote an die Regierung des Subkontinents. Indien neigt bisher dazu, ein französisches Angebot anzunehmen.
Da war es dann auch keine Überraschung mehr, daß das EU-Waffenembargo gegen Libyen aufgehoben werden soll. Embargos, so heißt es im Auswärtigen Amt, hätten den Sinn, die betroffenen Länder zu Wohlverhalten anzutreiben. Sobald es das Wohlverhalten gebe, müsse auch über das jeweilige Embargo neu nachgedacht werden, so die Logik des Außenministeriums.
Die Lieferung von 20 Fuchs-Transportpanzern an den Irak ist ein weiterer Schritt. Im Unterschied zur Testpanzerlieferung für die Türkei muckte Fischer erst gar nicht mehr auf. Zwar beschloß der Grünen-Parteitag in Kiel eine Stellungnahme gegen die Lieferung, aber die Wirkung dieses Beschlusses war gleich null.
Da ist es bis zur Lieferung von Panzern an die Türkei nur noch ein kleiner Schritt. Bereits letzte Woche übte sich Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) in der Rolle des Minenhundes für den Kanzler und empfahl den grünen Gegnern der Panzerlieferung an die Türkei einen "Bewußtseinswandel". Als Reaktionen ausblieben, setzten Schröders Leute gestern nach. In Regierungskreisen hieß es, es gebe bereits eine Kontaktaufnahme mit der Türkei auf Arbeitsebene. Die Regierung in Ankara habe ihr Interesse an Panzerlieferungen aus überschüssigen Beständen der Bundeswehr bekräftigt.
Die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung sei "voll von Widersprüchen", kritisiert der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Schmidt, dem Schröders Masterplan offenbar noch nicht bewußt geworden ist. Der FDP-Verteidigungsexperte Günther Nolting will im Bundestag nachhaken: "Ich werde eine Anfrage an die Bundesregierung stellen, wie weit es eine Veränderung der Exportpolitik gibt." Er halte es aber für richtig, die Haltung zur Türkei zu überdenken. "Es kann nicht sein, daß wir mit der Türkei einen verläßlichen Nato-Partner haben, ihr Beitrittsverhandlungen zur EU anbieten, sie aber ansonsten behandeln wie die Schmuddelkinder", sagte Nolting. Zur Frage von Waffenlieferungen an Israel sagte Nolting, es könne nicht angehen, Transportpanzer in den Irak zu schicken, aber nach Israel nicht. "Hier muß die Bundesregierung auch zu einem Umdenken kommen."
Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sagt, "die Türkei hat sich auf den Weg gemacht, Standards und Menschenrechte stärker zu achten". Es gebe aber immer noch Probleme im Verhältnis mit Griechenland. Wenn das Land auf dem Weg bleibe, sei klar, "daß man die Türkei nicht auf Dauer von Lieferungen ausschließen kann".
Bei den Grünen weichen die alten Grundsätze auf, nachdem das Flaggschiff Fischer abgedreht hat. Parteichefin Claudia Roth schließt Exporte in die Türkei nicht mehr grundsätzlich aus, auch wenn es dafür keinen Automatismus gebe. Momentan handele es sich aber um eine "Gespensterdebatte", meint Frau Roth. Verbissen kämpft nur der altlinke Hans-Christian Ströbele, für den Lieferungen an die Türkei "weiterhin nicht in Betracht" kommen. An seiner Seite streitet noch die Chefin der Südwest-Grünen, Sylvia Kotting-Uhl: "Oberste Meßlatte müssen die Menschenrechte bleiben. Wo sie die Türkei verletzt, kann man keine Rüstungsexporte gutheißen." Frau Kotting-Uhl warnt vor weiteren Waffenlieferungen: "Sonst kann man die Rüstungsexportrichtlinien in den Wind schießen."
Der deutschen Rüstungsindustrie müssen die Signale aus Berlin wie ein Wunder vorkommen. Luftfahrtindustrie und Werften haben sich zwar gut gehalten. Ihre Auftragsbücher sind mit Eurofightern, Transportflugzeugen, Hubschraubern und Marineschiffen gut gefüllt. Und U-Boote waren schon immer ein Exportschlager.
Aber die Landsysteme-Industrie hat Probleme. Die Zahl der Beschäftigten in den Panzerschmieden sank seit 1989 von 44 000 auf nur noch 10 000, obwohl gerade die deutsche Panzerindustrie als weltweit führend gilt. Bei Rheinmetall machte man dafür die "zunehmend restriktivere Handhabung der deutschen Rüstungsexportgesetzgebung" verantwortlich.
Dabei sind die Panzerbauer gerade dabei, einen potentiellen Exportschlager zu kreieren: Der neue Schützenpanzer Puma, von dem die Bundeswehr rund 400 Exemplare kaufen will, könnte das Interesse anderer Armeen wecken. Das Fahrzeug kann mit Flugzeugen in Einsatzgebiete gebracht werden und ist wegen seiner modulartigen Bauweise für die verschiedensten Zwecke verwendbar. Außerdem hat es den modernsten Schutz gegen Minen. "Deutschland muß seine gute Ausgangslage nutzen und seine industriellen Kernfähigkeiten dort verfügbar machen, wo sie gefragt sind. Jeder will zu seinem Schutz das Beste", sagt der ehemalige Heeresgeneral Franz Lanz.
Die Rüstungsindustrie wittert Morgenluft. Nicht ganz zufällig eröffnet die Münchner Panzerschmiede Krauss-Maffei-Wegmann in der nächsten Woche eine Repräsentanz in Berlin.
Mitarbeit: MLU/nik.
Artikel erschienen am Di, 12. Oktober 2004
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