ftd.de, Di, 2.7.2002, 19:45
Bankgesellschaft Berlin: EU-Kommission eröffnet Prüfverfahren
Die EU-Kommission hat ein Beihilfeprüfverfahren über eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin eröffnet und weitere Verfahren zu anderen Landesbanken angekündigt. Die Kommission wirft der Bankgesellschaft vor, einen ungerechtfertigten Zinsvorteil aus der Übernahme einer Wohnungsbaugesellschaft gezogen zu haben.
Die Kommission teilte am Dienstag in Brüssel mit, nach ihrer vorläufigen Einschätzung habe das Land Berlin vor zehn Jahren keine ausreichende Vergütung für die Übertragung der Wohnungsbau-Kreditanstalt (WBK) an die Landesbank Berlin erhalten. Dies könnte eine illegale Beihilfe sein.
Zwar habe die Kommission das Verfahren zunächst zurückgestellt, um ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu einem ähnlichen Fall bei der WestLB abzuwarten. Weil die Beihilfe Folgen für die Sanierung der Bankgesellschaft Berlin haben könnte, sei die Entscheidung aber vorgezogen worden. Deshalb müssten nun auch weitere Landesbanken mit Verfahren rechnen.
Die EU-Kommission wirft der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft vor, einen ungerechtfertigten Zinsvorteil aus der Übernahme der WBK gezogen zu haben. In einem ähnlichen Fall hatte die EU 1999 entschieden, dass die WestLB für ihr von Nordrhein-Westfalen übertragenes Wohnungsbauvermögen rund 800 Mio. Euro an Zinsen nachzahlen musste.
Wohnungsbau-Kreditanstalt 1992 an Bank-Tochter übertragen
Die WBK war 1992 mit ihrem gesamten Vermögen an die Landesbank Berlin (LBB) übertragen worden. Die haftenden Eigenmittel der LBB wurden nach EU-Angaben damit um rund zwei Mrd. DM (eine Mrd. Euro) erhöht, die seitdem nahezu vollständig für die Geschäftsunterlegung nutzbar seien. Die Landesbank habe ab 1995 für bestimmte Beträge eine Vergütung von durchschnittlich 0,25 Prozent gezahlt.
Die Kommission hat nach eigenen Angaben ernsthafte Bedenken, ob das Land Berlin, dass rund 81 Prozent an der Bankgesellschaft hält, für die Zufuhr der zwei Mrd. DM bis heute Zahlungen erhalten habe, die als eine marktübliche Vergütung angesehen werden könnten. "Infolgedessen ist derzeit davon auszugehen, dass die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der marktüblichen Rendite einer solchen Investition eine Beihilfe darstellt, deren Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt zweifelhaft ist."
Bank: Prüfung der EU-Kommission kommt nicht überraschend
Eine Sprecherin der Bankgesellschaft sagte, das von der EU eingeleitete Verfahren komme nicht überraschend. Die Sprecherin sagte, die Bundesregierung habe am 17. Juni eine Stellungnahme zum Anfang April eingeleiteten Prüfverfahren der EU zum Sanierungskonzept der Bankgesellschaft abgegeben. Darin habe die Bundesregierung auch Vorschläge für die WBK-Frage unterbreitet, die die allgemeine Restrukturierung der Bank nicht gefährdeten und im Einklang mit den EU-Beihilferegeln stünden. Einzelheiten dazu nannte die Sprecherin nicht.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, er könne diese Stellungnahme zunächst nicht bestätigen. Er wies aber darauf hin, dass das Ministerium für die Beihilfepolitik zuständig sei und dass es deshalb auch Kontakt zur EU wegen der Bankgesellschaft gebe.
Frist für Angebote zur Bank-Übernahme verlängert
Das Land Berlin teilte unterdessen mit, die Interessenten zur Übernahme der Bankgesellschaft hätten eine Woche länger als geplant Zeit, interne Unterlagen der Bank einzusehen. Die Investoren müssten erst Mitte August ihr Angebot abgeben und nicht schon Ende Juli. Das Land halte daran fest, bis zum Herbst endgültig über seinen Anteil an der Bank zu entscheiden. Derzeit gibt es vier Investoren, die an der Bank interessiert sind.
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