Beim Streit zwischen Jürgen Möllemann & Michel Friedman geht es weniger um Antisemitismus als um Show. Wenn der Talkmaster Michel Friedman den Politiker Michel Friedman vor die Kamera bekommen hätte – das wäre ein Spaß gewesen. Friedman wäre wie immer bestens vorbereitet gewesen, & seine Hände hätten, wie auch sonst, die Schulter seines Gesprächspartners getätschelt. Er hätte sich in die übliche Positur geworfen: Deine Meinung ist mir wichtig, aber ich passe auf, dass du mir nicht die Show stiehlst. Im schönsten Geistesgemenge hätte Friedman sehr überlegen dreingeschaut. So wie Gulliver sich ein Zwerglein besieht. Leider ist es nicht zu Friedman gegen Friedman gekommen, sondern nur zum Talk in Berlin am Sonntagabend mit dem Fragesteller Erich Böhme, der kreuzbrav anständig & ziemlich langweilig nachhakte. Wenn der eloquente Jürgen W. Möllemann (wieso hat ein Dampfplauderer seines Formats eigentlich noch keine eigene Talkshow?) den Freidemokraten Möllemann als Studiogast hätte empfangen können – auch das wäre ein schönes Handgemenge geworden. Zwei Meister der Botschaften zwischen den Zeilen wären da aufeinander losgegangen. Mitten in der heitersten Gelassenheit hätte den Moderator Möllemann plötzlich das Pathos übermannt. Er hätte rechtschaffen zornig dreingeschaut & für einen Augenblick richtig empört getan. Dann wäre dem Publikum vielleicht aufgefallen, dass der Studiogast gerade unterschwellig die größten Unverschämtheiten verbreitete. Leider ist jedoch Möllemann, ein geübter Agitator in eigener Sache, am Montagabend nur bei Reinhold Beckmann im Ersten Gast gewesen. Und Beckmann ist nicht im Feuer der Politik ausgeglüht & gehärtet worden. Die Hauptkontrahenten dieses Streits, der da gerade in der Öffentlichkeit wogt, Möllemann & Friedman, sind aus vielerlei Gründen aneinandergeraten: Beide sind sich längst Maß aller Dinge geworden. Beide verstehen es im zweifachen Sinn des Wortes, sich Feinde zu machen. Beide sind in Kampfspielen vor der Kamera geübt. Schon vorher stand fest, dass der Sieg in jedem Fall von beiden Parteien in Anspruch genommen würde. Natürlich geht es bei alledem auch um Politik & die Gefahr des Rechtsextremismus. Schon eine Weile wächst hierzulande die Bereitschaft, die Juden dafür verantwortlich zu machen, was man ihnen angetan hat. Und es geht um den Politikbetrieb dieser Tage, in dem die Talkshows zum Politikersatz geworden sind. Politik wird in Berlin & anderswo immer mehr für Medien & mit Blick auf die Wirkung in den Medien gemacht. In den Kommunikationswissenschaften werden eines Tages Diplomarbeiten darüber geschrieben werden, wie verzweifelt hoffnungsvoll im Jahr 2002 der Kanzler darauf setzte, seinen Herausforderer im Fernsehen zu besiegen. Vielleicht wird dem einen oder anderen dabei auffallen, dass die Fragesteller, Moderatoren genannt, zumeist nur Publikum, Staffage, Stichwortbringer waren. Spötter werden das vermutlich als „Christiansenisierung“ oder „Kernerisierung“ der Talkshows bezeichnen. In Amerika ist das genauso & doch ganz anders. „Der Weg zum Weißen Haus führt über meinen Schreibtisch“, hat der Talkmaster David Letterman mitten in einem Präsidentschaftswahlkampf verkündet – es kam kein Widerspruch. Aber Nachttalk-Moderatoren wie Letterman (31,5 Millionen Dollar Jahresgage) oder Jay Leno (17,5 Millionen Dollar) sind berühmt & gefürchtet, weil sie Tacheles reden & dem Volk aus der Seele sprechen. Möllemanns dreckiger Hinweis, anonyme braune Trittbrettfahrer würden sich merkwürdigerweise hinter einer Frankfurter Nummer verstecken (sollte wohl heißen: Vorsicht! Friedman) hätte ihn bei Letterman den Platz auf dem Sofa gekostet. Selbst der freundlichere Leno hätte Friedman nicht damit davon kommen lassen, ausgewogene Kritik an Israel zu verlangen & in fast jede seiner Aussagen „drei Ausrufungszeichen“ zu pfeffern (wie bei Böhme geschehen). Der Streit um Möllemann & dessen angeblichen Antisemitismus wird zumeist politisch korrekt ausgetragen. Aber das heißt auch, dass vernebelt wird. Im Nebel ist nur schwer zu erkennen, dass es längst auch um den Talkmaster Friedmann geht – & der ist problematischerweise untrennbar mit Friedman, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, verbunden. Der Talkmaster Friedman bewegt sich anders als die meisten anderen Moderatoren. Er spitzt zu, er teilt aus. Er ist überlegen. In seinem Kopf muss ein Webschiffchen sitzen, das immer hin & her schießt. Er ist Ich-besessen & abwechselnd Wolf & Jäger. Gäste seiner Sendung Vorsicht! Friedman im Hessischen Rundfunk berichten, wie der Talkmaster sie vor Beginn des Talks zur Aggressivität ermunterte. Wenn einer den anderen in der Runde nicht genügend Kontra gibt, kann es passieren, dass Friedman mit dem Knie rüberkommt & einen anstößt, damit man dazwischenfährt. Mit seinem alarmistischen Tonfall hat er schon manchen Gast wie den unglücklichen Berliner CDU-Politiker Frank Steffel tüchtig eingeschüchtert. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat sich mal gewehrt, indem er seine Brille abnahm & so tat, als müsse er ganz dicht an Friedman herankommen. Das war dem dann doch unangenehm. Es geht also auch um Techniken, es geht auch um Show. Manche mögen es, wenn der Moderator auf Auseinandersetzungen & Poltereien aus ist. Anderen missfällt das. Das Bild, das sich viele Friedman-Kritiker von Friedman machen, ist das Bild des Mannes, den sie nur vom Bildschirm kennen. Es ist kein Antisemitismus, den Talkmaster Friedman nicht zu mögen.
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