Die Zitate, die die Republik bewegen

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eröffnet am: 05.06.02 16:00 von: Happy End Anzahl Beiträge: 12
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05.06.02 16:00
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95441 Postings, 8742 Tage Happy EndDie Zitate, die die Republik bewegen

Berlin - Der so genannte Antisemitismus-Streit entzündete sich in diesem Frühjahr am Vorgehen der israelischen Armee in den Palästinensergebieten. Die entscheidenden Zitate der Debatte:

"Die israelische Armee wendet Nazi-Methoden an! ... Gerade von Deutschen sollte auf Grund der eigenen Geschichte eine besondere Sensibilität erwartet werden, wenn ein unschuldiges Volk den Nazi-Methoden einer rücksichtslosen Militärmacht schutzlos ausgeliefert ist."

(Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli in einer Mitte März verbreiteten Pressemitteilung zum Einmarsch der israelischen Armee in die Palästinensergebiete)

"Israels Politik fördert den Terrorismus. Was würde man denn selber tun, wenn Deutschland besetzt würde? Ich würde mich auch wehren, und zwar mit Gewalt. Ich bin Fallschirmjägeroffizier der Reserve. Es wäre dann meine Aufgabe, mich zu wehren. Und ich würde das nicht nur im eigenen Land tun, sondern auch im Land des Aggressors."

(Der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Präsident der Deutsch- Arabischen Gesellschaft, Jürgen Möllemann, am 4. April in der "taz" zu den palästinensischen Selbstmordattentaten)

"Man muss zugestehen, dass der Einfluss der zionistischen Lobby sehr groß ist: Sie hat den größten Teil der Medienmacht in der Welt inne und kann jede auch noch so bedeutende Persönlichkeit 'klein' kriegen. Denken Sie nur an Präsident Clinton und die Monica-Lewinsky-Affäre. Vor dieser Macht haben die Menschen in Deutschland verständlicherweise Angst."

(Jamal Karsli in der Wochenzeitung "Junge Freiheit" vom 3. Mai)

"Wer Ariel Scharon kritisiert, wird von bestimmten Leuten in Deutschland in die Ecke des Antisemitismus gestellt. Das verbitte ich mir auf das Schärfste. Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt, leider, die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art. Überheblich. Das geht so nicht, man muss in Deutschland Kritik an der Politik Scharons üben dürfen, ohne in diese Ecke geschoben zu werden."

(Jürgen Möllemann am 16. Mai im "heute-journal")

"Wo ist die FDP-Führung eigentlich hingekommen, dass sie einem stellvertretenden Vorsitzenden, der solches Gedankengut verbreitet, nicht öffentlich widerspricht oder sich gar von ihm trennt. Die rechten Bemerkungen von Möllemann haben auch nichts mehr mit Israel zu tun, sondern bewegen sich auf dem Niveau der Republikaner und der NPD."

(Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, am 23. Mai im Magazin "Stern")

"Wenn Möllemann einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Schüren antiisraelischer und antisemitischer Ressentiments durch die Kritik Friedmans an der parteipolitischen Entscheidung zu Gunsten einer Mitgliedschaft Karslis herstellt und propagiert, dann bestätigt er damit jahrhundertalte antisemitische Klischees."

(Zentralratspräsident Paul Spiegel in einer Presseerklärung vom 22. Mai)

"Möllemann hat sich als Antisemit geoutet."

(Die Vizepräsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, am 22. Mai in der n-tv-Sendung "Maischberger")

"Ich möchte nicht in einem Land leben, wo der Antisemitismus mit einem Champagnerglas in der Hand Einzug nimmt in die politischen Salons."

(Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth am 25. Mai in Unna)

"Ich kann Möllemann nur empfehlen: Kopf hoch und nicht gleich in Deckung gehen."

(Der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider (FPÖ) in der "Bild am Sonntag" vom 2. Juni)


Westerwelle droht Möllemann

Im Streit um den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli hat sich Guido Westerwelle nun offenbar doch zu einem Machtwort durchgerungen. Wenn Karsli bis Montag noch Mitglied der FDP-Fraktion sei, "kann ich mit meinem Stellvertreter Möllemann nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten", teilte der FDP-Chef mit.

Berlin - Er habe viel Geduld gehabt, die nach neuerlichen Äußerungen Karslis aber jetzt am Ende sei. Karsli hatte am Vortag gesagt, er sehe sich nicht als Abgeordneter auf Bewährung, und es sei eine Frage der Zeit, bis er wieder versuchen werde, in die FDP einzutreten.
Jürgen W. Möllemann selbst hatte heute den Zentralrat der Juden erneut kritisiert. Die jüngsten Äußerungen des Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel, der mit Blick auf den FDP-Vize einen Aufstand der Demokraten gefordert hatte, seien "maßlos überdreht", sagte Möllemann. Es sei absurd zu sagen, Demokraten müssten gegen einen Demokraten in Stellung gebracht werden. "Das wird ihm nicht helfen und das schadet auch seiner Reputation im Amt", fügte der NRW-Landesvorsitzende der Liberalen an Spiegel gerichtet hinzu. Spiegel solle diese Formulierung aus der Welt schaffen.

In einem Interview mit dem "Stern" hatte sich Westerwelle gerade noch als treuer Parteifreund Möllemanns präsentiert. In dem Interview zeigte sich der Parteichef auch überzeugt von der Notwendigkeit, weiter am rechten Rand des Wählerspektrums nach Stimmen zu fischen. Westerwelle träumt bereits von 25 Prozent. Vor allem die Wähler von DVU und PDS haben es ihm angetan.

"Diese Tabuwächter können mir gestohlen bleiben", betitelt der "Stern" ein Interview mit Westerwelle, in dem der FDP-Vorsitzende ganz offen dafür eintritt, auch am rechten Rand des politischen Spektrums um Wähler zu werben. Westerwelle bekräftigte, seine Partei werde sich auch um Wähler der rechtsextremen DVU und der PDS bemühen. Die Liberalen wollten bei der Bundestagswahl das große Protestpotenzial in der Bevölkerung von 25 Prozent ausschöpfen.

"Uns ist jeder willkommen, der seinen Frust in konstruktives politisches Verhalten umsetzen will", sagt der Politiker in dem Interview. "Der Protest gegen das etablierte Parteiensystem kommt nicht von rechts außen, sondern ist der Protest aus der breiten Mitte. Ihm bieten wir eine neue demokratische Heimat", fügte der FDP-Kanzlerkandidat hinzu. Wähler von der PDS oder der DVU hätten früher nicht zwangsläufig mit rechtsradikaler oder kommunistischer Gesinnung so entschieden, sondern weil ihr Frust ein Ventil gesucht habe.

"Wenn wir verhindern wollen, dass Figuren wie Le Pen (in Frankreich) oder Haider (in Österreich) bei uns Erfolg haben", so Westerwelle, "dann müssen sich die demokratischen Parteien erneuern. Wir tun es jedenfalls."

Vor einigen Tagen hatte Westerwelle bereits gesagt, seine Partei wolle sich auch um Wähler bemühen, die zuvor die Republikaner gewählt hätten. Auf die Stimmen von Rechtsradikalen könne die FDP aber verzichten, hatte er hinzugefügt.

Zu der Debatte, ob die FDP noch ein Koalitionspartner etwa für die SPD sein könne, sagte Westerwelle: "Schröder bleibt für uns ein möglicher Koalitionspartner und wir für ihn garantiert auch."

Die Sozialdemokraten teilten diese Einschätzung jedoch nicht ganz. "Jetzt ist er völlig durchgeknallt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, am Mittwoch in Berlin. Mit einer Partei, die auf eine solche Strategie setze, sei eine Zusammenarbeit kaum noch vorstellbar.

Die SPD habe zwar die Hoffnung noch nicht endgültig aufgegeben, dass sich bei den Liberalen die "besonnenen Kräfte" doch noch durchsetzten. Wenn aber FDP-Politiker wie Hildegard Hamm-Brücher oder Gerhart Baum ihrer Partei "von der Fahne" gehen sollten, werde dies immer unwahrscheinlicher, sagte Schmidt.

Der SPD-Politiker bedauerte, dass die Union von ihrer Absicht abgerückt sei, zusammen mit der Koalition im Bundestag eine gemeinsame Resolution über die Förderung des jüdischen Lebens zu verabschieden. Die Unionsfraktion wolle nun offenbar aus rein wahltaktischem Kalkül zusammen mit der FDP eine eigene Entschließung vorlegen. SPD und Grüne hatten es abgelehnt, wegen des Antisemitismus-Streits mit der FDP in dieser sensiblen Frage gemeinsame Sache zu machen.

Roth: Westerwelle steuert rechtspopulistischen Kurs

Nach Schmidts Angaben werden sich auch zahlreiche SPD-Abgeordnete bei der für Mittwochnachmittag angekündigten Demonstration gegen antisemitische Strömungen vor der FDP-Zentrale beteiligen. Zu der Kundgebung hat die jüdische Gemeinde zu Berlin aufgerufen. Vorher wird sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit den FDP- Vorgängen befassen.

Die Grünen wollen die Antisemitismus-Debatte jetzt zum Wahlkampfthema machen. Die Bundesvorsitzende Claudia Roth warf der FDP am Mittwoch zum Auftakt des Grünen-Wahlkampfs in Bayern antisemitische Äußerungen und einen "Angriff auf den demokratischen Konsens" vor. FDP-Bundeschef Guido Westerwelle steuere einen rechtspopulistischen Kurs. Die Grünen würden in der Diskussion entschlossen für den Minderheitenschutz eintreten, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Jerzy Montag bei der Veranstaltung in München.

Nach Ansicht von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) wird die FDP dagegen aus Angst um ihre Akzeptanz bei den Wählern die Debatte um ihren Vize Jürgen Möllemann und seine als antisemitisch verstandenen Äußerungen beenden.

Die Liberalen würden schon aus einem "Selbsterhaltungstrieb heraus die Diskussion aus der Welt schaffen", sagte Stoiber am Mittwoch in Berlin. Gleichzeitig stellte er die Koalitionsfähigkeit der FDP nicht in Frage. Dies ist "für uns kein Thema". Die internen Probleme würde die FDP regeln. Für die Union sei maßgebend, das was der FDP-Vorstand am vergangenen Freitag in Berlin beschlossen habe und was der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sage. Der FDP-Bundesvorstand hatte am Freitag in einer "Berliner Erklärung" den Umgang von Möllemann mit dem Zentralrat der Juden bedauert.

Stoiber wollte nicht auf die Frage eingehen, ob eine Koalition für ihn denkbar wäre, wenn Möllemann weiter in der FDP eine Rolle spiele. Er wolle sich nicht zu Personen anderer Parteien äußern. CDU-Chefin Angela Merkel betonte, es gebe ein hohes Interesse der Union, dass die FDP zu den Fragen zurückkehrt, die die Menschen in Deutschland bewegen.


DAS ULTIMATUM IM WORTLAUT

Berlin - Im Antisemitismus-Streit mit dem Zentralrat der Juden hat FDP-Chef Guido Westerwelle seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann ein Ultimatum gestellt. Die kurze Erklärung Westerwelles im Wortlaut:
"Ich habe viel Geduld gehabt. Ich bin bereit gewesen, schwierige Kompromisse einzugehen, um ein geschlossenes Bild der Freien Demokraten im Interesse unseres Erfolges zum Wohle unseres Landes zu wahren. Deshalb war ich auch bereit, den Beschluss des nordrhein-westfälischen Landesvorstandes vom Montagabend hinzunehmen. Nach den neuerlichen Äußerungen von Jamal Karsli ist meine Geduld zu Ende.

Am kommenden Montag tagt der Bundesvorstand der FDP. Wenn bis dahin Herr Karsli immer noch Mitglied der nordrhein-westfälischen FDP-Fraktion sein sollte, dann kann ich als Bundesvorsitzender mit Jürgen Möllemann als meinem Stellvertreter nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Es geht mir nicht um die Auseinandersetzung zwischen Herrn Friedman und Herrn Möllemann. Die Bereitschaft der FDP zum Gespräch mit dem Zentralrat der Juden ist unverändert vorhanden. Es geht mir darum, dass Herr Karsli nach seinen illiberalen Äußerungen nicht Mitglied der liberalen Familie sein kann. Wir sind eine Partei der Mitte. Nur die Mitte ist der Erfolgsstandort der Freien Demokraten auf dem Weg zu 18 Prozent bei der Bundestagswahl."


Irgendwie reagiert die FDP genauso hilflos wie einst in Hessen, als sich die Bundes-FDP bzgl. der Lösung von Roland Koch auch nicht durchsetzen konnte....

Gruß
Happy End
 

05.06.02 16:15

79561 Postings, 9179 Tage Kickyhättttest du gestern die Dokumentation bei ARTE

"ein Besuch in der Stadt Jenin" gesehen,würdest Du nicht von "illiberalen" Äusserungen eines gebürtigen Arabers  berichten,sondern von verständlichem Zorn über die kontinuierlichen Verstösse gegen die Genfer Konvention!Diese Demonstration von militärischer Macht durch Bombardierung und Zerstörung von zahllosen Häusern,die Art wie hier 18000 Zivilisten in Angst und Schrecken versetzt wurden und auch nachgewiesenermassen über 20 schuldlose Bewohner getötet wurden,wie das jetzt fortgesetzt wird in Hebron und es mittlerweile keine Stadt im palästinensischen Gebiet gibt ,wo die Armee nicht mit Panzern einmarschiert ist,kann nicht länger mit notwendiger Terrorismusbekämpfung begründet werden,da wird doch nur weiterer Hass erzeugt.
Ich kann Karsli und Möllemann jedenfalls gut verstehen  

05.06.02 16:40

20 Postings, 8229 Tage Terrassewaren Sie auch dabei?

http://www.ariva.de/board/anonymize/http://...S/cyberclub_teaser.jpg"

ich weiß was Minoritäten bedeuten. Ich gehöre auch dazu.


Daddy Cool



bye  

05.06.02 22:46

95441 Postings, 8742 Tage Happy EndOffener Machtkampf

Nach langem Zögern stellte Parteichef Westerwelle in dem Antisemitismus-Streit Möllemann ein Ultimatum. Der zeigt sich überrascht und spielt auf Zeit, während Ex-Außenminister Kinkel bereits mit Parteiausschluss droht.


Demo vor der FDP-Zentrale in Berlin

Berlin - In der FDP hat der Antisemitismusstreit mit dem Zentralrat der Juden zu einem offenen Machtkampf zwischen Parteichef Guido Westerwelle und seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann geführt. Nach wochenlangem Zögern ging Westerwelle am Mittwoch offen auf Konfrontationskurs und stellte Möllemann ein Ultimatum.
Wenn der umstrittene Abgeordnete Jamal Karsli bis Montag noch Mitglied der Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen sein sollte, "dann kann ich als Bundesvorsitzender mit Jürgen Möllemann als meinem Stellvertreter nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten", sagte Westerwelle. Seinen jetzt vollzogenen Kurswechsel begründete Westerwelle mit neuerlichen Äußerungen Karslis. Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte diesen Schritt.

Möllemann lehnte eine schnelle Reaktion auf das Ultimatum ab. In einem Brief bat er den Parteichef um Aufklärung über die Hintergründe für die Forderung. "Ich bin einigermaßen irritiert und verwundert über diesen Vorgang. Ich kann ihn mir offen gestanden im Moment gar nicht erklären", sagte er. Westerwelle habe ihn, kurz bevor er an die Presse gegangen sei, telefonisch über seine Forderung informiert.


Langsam wird er einsam: Jürgen Möllemann

Der FDP-Landesvorstand hatte am Montagabend erklärt, ein Ausschluss des parteilosen Karslis aus der Fraktion sei notwendig, wenn dieser erneut in nicht akzeptabler Weise Kritik an Israel übe. Solche Äußerungen seien ihm trotz erneuter Nachfrage bei Karsli und einer Durchsicht der Presse nicht bekannt, sagte Möllemann. Auf eine Antwort Westerwelles warte man noch.

Auch Karsli gab sich in einer ersten Reaktion überrascht. Er kenne nicht den Grund für Westerwelles Ultimatum. Westerwelle bezog sich nach Angaben seines Sprechers auf Äußerungen Karslis vom Dienstag, der in Düsseldorf gesagt hatte: "Ich bin kein Abgeordneter auf Bewährung. Wenn Ariel Scharon falsche Politik macht, werde ich ihn kritisieren." Außerdem schloss er nicht aus, sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut um eine FDP-Mitgliedschaft zu bewerben.

"Keinerlei Probleme bis zum heutigen Tag"

Möllemann äußerte sich nur zurückhaltend über sein Verhältnis zum Parteichef. In der Zusammenarbeit mit Westerwelle habe es "keinerlei Probleme bis zum heutigen Tag" gegeben, sagte er. "Ich möchte nicht, dass diejenigen, die in den vergangenen Tagen erkennbar bemüht waren, Westerwelle und mich gegeneinander in Stellung zu bringen, Erfolg haben. Das wäre für die FDP nicht gut."

Das Präsidiumsmitglied Martin Matz begrüßte gegenüber SPIEGEL ONLINE das Ultimatum Westerwelles: "Dies war dringend nötig". Viele Parteimitglieder seien in den letzten Tagen desorientiert, einige auch in ihren Grundfesten erschüttert gewesen. Jetzt sei zwar nicht die Debatte, aber zumindest die Diskussion darüber, wer die Partei führe, vom Tisch.

Auch Zentralratspräsident Paul Spiegel sagte zu Westerwelles Ankündigung: "Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung." Spiegels Stellvertreter Michel Friedman wertete das Ultimatum als "richtiges und wichtiges Signal": "Es kommt sehr spät, aber wie ich hoffe, nicht zu spät." Für den Zentralrat der Juden ist der Fraktionsausschluss des jetzt parteilosen Karsli eine Bedingung für die Wiederaufnahme der Gespräche mit der FDP. Außerdem soll sich Möllemann wegen seiner Attacken gegen den Zentralrats-Vize Michel Friedman entschuldigen, was er bisher ablehnt.

Vor der FDP-Zentrale in Berlin haben am Mittwochabend einige Hundert Menschen bei einer Demonstration der Berliner Jüdischen Gemeinde gegen Möllemann protestiert. Der Vorsitzende der Gemeinde, Alexander Brenner, rief: "Wir erwarten eine eindeutige, klare und nicht verklausulierte Distanzierung Möllemanns von seinen Äußerungen."


Dem Spaßpolitiker vergeht das Lachen: Westerwelle will sich als Parteichef durchsetzen  

Die Vorsitzende des FDP-Ortsvereins Berlin-Dahlem, Susanne Thaler, die auch Mitglied der Jüdischen Gemeinde ist, erklärte unter starkem Applaus ihren Austritt aus der FDP und warf Möllemann vor, er habe "tief verinnerlichten Nazi-Rassismus". Die Demonstranten hielten Plakate hoch, auf denen stand: "Blau + Gelb = Braun?". Auch der Berliner Parlamentspräsident Walter Momper sowie Vertreter von SPD, PDS und Grünen nahmen teil.

Der frühere FDP-Chef und ehemalige Außenminister Klaus Kinkel bedauerte den Austritt Thalers. Er habe in einem längeren Gespräch vergeblich versucht, sie davon abzubringen. Kinkel hatte gebeten, auf der Kundgebung zu den Protestierenden sprechen zu dürfen, es wurde ihm jedoch nicht erlaubt.

Dabei hätte Kinkel Interessantes zu verkünden gehabt. Die FDP-Spitze will ihren Parteivize Jürgen Möllemann zum Rücktritt auffordern, wenn der Ex-Grüne NRW- Landtagsabgeordnete Jamal Karsli bis Montag nicht aus der FDP- Landtagsfraktion in Düsseldorf ausgeschlossen würde. In diesem Fall werde der Bundesvorstand eine Entschließung fassen, dass Möllemann von seinem Amt zurücktreten müsse, sagte Kinkel am Mittwoch am Rande der Demonstration.  

06.06.02 00:24
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79561 Postings, 9179 Tage Kickyaus dem Brief Karslis an Möllemann

Ich habe mich für Formulierungen öffentlich entschuldigt, die nicht in Ordnung waren und die es entgegen meiner Intention leider leicht machten, mich als Antisemiten hinzustellen. Allerdings ist mir längst klar geworden, dass es gar nicht mehr um mich geht, oder darum was ich gesagt habe.

Ich bin wohl nur der willkommenen Anlass, ein Exempel zu statuieren. Die politisch korrekte Klasse demonstriert wiederholt ihre Macht darüber, was man in Deutschland wie öffentlich zu formulieren und wozu man zu schweigen hat.
Bei den Grünen war ich wohl im Urteil der politisch korrekten Klasse bei den Richtigen, auch wenn ich in ihren Augen das Falsche sagte. Solange ich Mitglied der Grünen war, hat mir dort niemand gesagt, meine Meinung zu dem, was die Regierung Scharon den Palästinensern antut, sei ungerechtfertigt. Auch die Art, wie ich mich ausdrückte, ist nicht oder nur sehr milde kritisiert worden.

Die Reich- und Tragweite des Tabus Juden und Israel in Deutschland habe ich erst jetzt im wahren Umfang kennen lernen müssen. Während all der Jahre, in denen ich mit Menschen in meiner Nachbarschaft und in Deutschland persönlich gesprochen habe, ist mir nie wie jetzt begegnet, dass jeder zum Antisemiten gestempelt wird, der nicht alles gut findet, was israelische Regierungen in Palästina tun.....

Ich nehme mit Erstaunen und Befremden zur Kenntnis, wie man aus mir, der ich 18 Jahre lang aktive Politik gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus gemacht und mich immer für Integration, Gleichberechtigung und Menschenrechte eingesetzt habe, quasi einen antisemitisch und antijüdisch und antiisraelisch denkenden und handelenden Menschen macht. Begriffe wie Zionismus und Antisemetismus sowie die Kritik an der Regierung Scharon werden in der deutschen Medienlandschaft meiner Meinung nach nicht genügend differenziert und daher oft verwechselt, weil in Deutschland das Thema nach wie vor tabuisiert wird....
Dafür möchte ich nicht weiter als willkommener Anlass ihrer politischen Gegner herhalten. Denen komme ich sehr zu pass in großer Selbstgerechtigkeit und voller Scheinheiligkeit über Sie und ihre Mitstreiter herzufallen. Wenn es um wirkliche Friedenslösungen im Nahen Osten geht, rühren diese Leute keinen Finger, sondern machen nur Show. Wo bleibt die empörte öffentliche Kritik an den Beschlüssen der Likud-Partei, einen palästinensischen Staat abzulehnen sowie die illegale Siedlungspolitik auf palästinensischem Boden weiter zu forcieren
Hiermit ziehe ich meinen Antrag zur Aufnahme in die FDP zurück....
http://aktuelles.t-online.de/nach/inla/inne/ar-h/...brief-karsli.html

leider kann ich den Brief dieses Journalisten nicht finden,den Karsli weiterverbreitet hat  

06.06.02 00:28

79561 Postings, 9179 Tage Kickyn-tv berichtet

In einer ebenfalls per Brief abgefassten Antwort auf Möllemanns schriftliche Forderung nach einer Klarstellung nimmt Westerwelle hingegen Bezug auf eine E-Mail Karslis an die NRW-Landtagsfraktion der FDP vom Dienstag. Darin habe Karsli einen anti-israelischen Brief eines Bürgers verbreitet und als "sehr lesenswert " bezeichnet, erklärte Westerwelle.

"Als kritischer israelischer Journalist hat es mich sehr gefreut zu lesen, dass Sie die israelischen Nazi-Methoden angegriffen haben", zitierte Westerwelle aus dem Schreiben. Weiterhin habe der Verfasser geschrieben, es gebe genug Beweise, "die den Vergleich zwischen der NS-Judenpolitik und der jetzigen israelischen Palästinapolitik absolut rechtfertigen".

Trotz aller berechtigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik sei ein Vergleich mit der Ermordung der Juden durch die Nazis nicht hinnehmbar, stellte Westerwelle klar. "Was ist eine Entschuldigung von Herrn Karsli wert, wenn er anschließend das, wofür er sich vorgeblich entschuldigt hat, aktiv weiterverbreitet und als 'sehr lesenswert' bezeichnet?", fragt der FDP-Chef in dem Brief an seinen Vize.
 

06.06.02 00:43

9161 Postings, 9185 Tage hjw2Ist mir neu, dass man erst bei der magischen Zahl


"6.000.000" von Nazimethoden sprechen darf..  

06.06.02 08:48

8584 Postings, 8647 Tage RheumaxDieser Karsli schreibt Wort für Wort einfach nur

die Wahrheit.  

07.06.02 06:07

95441 Postings, 8742 Tage Happy End"Setzt Möllemann in den Sandkasten"

Nach der Entschuldigung Jürgen Möllemanns glaubte die FDP, das Thema Antisemitismus endlich vom Hals zu haben. Doch der Mann kann es einfach nicht lassen: Er beleidigte den Vize des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, erneut.

Berlin - Für drei Stunden sah es so aus, als wäre die Welt der Liberalen wieder halbwegs in Ordnung. Der umstrittene Abgeordnete Jamal Karsli hatte am Donnerstag freiwillig auf die weitere Mitarbeit in der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen verzichtet. FDP-Vize Jürgen Möllemann entschuldigte sich bei seinen jüdischen Mitmenschen für seine Äußerung, der Vize des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, und Israels Premier Ariel Scharon seien mitverantwortlich für wachsenden Antisemitismus. Auch Friedman schien dem Friedensschluss zugeneigt: Er nahm die Entschuldigung an.
Doch als am frühen Nachmittag Möllemann in zwei Interviews mit Fernsehsendern den Moderator Friedman ausdrücklich von seiner Entschuldigung ausnahm, flammte der gerade erst erstickte Streit wieder auf. Denn wenig später zog auch der Zentralrat der Juden sein Gesprächsangebot an Möllemann zurück. Dieser habe sich mit seiner "fortgesetzten Strategie der Doppelzüngigkeit" endgültig als Gesprächspartner und Demokrat disqualifiziert, erklärte der Zentralratspräsident Paul Spiegel.

In Berlin war mancher Abgeordneter der FDP-Bundestagsfraktion angesichts der brüsken Wendung nur noch fassungslos. "Schreiben Sie es bitte auf", erklärte Dirk Niebel gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Ich bin es wirklich leid - meine beiden jüngsten Söhne, sieben und neun Jahre alt, sind vernünftiger, wenn sie sich streiten. Setzt Jürgen Möllemann in den Sandkasten zurück und nehmt ihm sein Förmchen weg!"

Möllemann, so scheint es, hat nach seiner parteiinternen Niederlage in der Person Friedman ein Ventil für seine aufgestaute Wut gefunden. Eine Entschuldigung, meinte er gegenüber dem Sender Phoenix, habe dieser "gar nicht verdient. Es geht mir um diesen Mann und seinen unerträglichen Habitus". Und gegenüber n-tv wurde Möllemann noch deutlicher: Friedman halte er "unverändert für einen agressiven und arroganten Typ, der jetzt wirklich mal was wegräumen muss. Er hat mich mehrfach als Antisemiten bezeichnet."

FDP-Präsidiumsmitglied Martin Matz, der vorige Woche noch mit einer Unterschriftenkampagne Druck auf den Parteivize ausgeübt hatte, versuchte Möllemanns neueste Bemerkungen mit bitterer Ironie zu nehmen. Dass die Entschuldigung nicht für Friedman gelten solle, sei nicht nur "unnötig, sondern auch eine Wortklauberei". Schließlich habe Möllemann vor dem Landtag sich bei den "jüdischen Menschen" entschuldigt - und "zu dieser Gruppe gehört Friedman ja nun auch - oder etwa nicht?"

Der Abgeordnete im Berliner Landesparlament möchte den neuesten Vorfall am liebsten auf einen Streit zweier Gegner reduzieren, die sich gegenseitig Wunden geschlagen haben. "Es ärgert mich seit Wochen, dass Jürgen Möllemann und Michel Friedman ihre persönliche Abneigung öffentlich pflegen." Doch weiß auch Matz, dass die Sache so einfach nicht liegt. Friedman ist nicht allein Moderator, den ein Mann wie Möllemann unsympathisch finden mag. Er ist zugleich Vizepräsident des Zentralrats - und damit Repräsentant der Juden in Deutschland.

So herrscht denn in der FDP nach einem turbulenten Tag nicht mehr als das Prinzip Hoffnung. Der Zentralrat, erklärt der Westerwelle-Vertraute Matz gegenüber SPIEGEL ONLINE, "möge bitte zur Kenntnis nehmen, dass das Präsidium der FDP nicht nur aus Herrn Möllemann besteht".

Am kommenden Dienstag ist ein Treffen des Parteichefs Guido Westerwelle mit dem Zentralratspräsidenten Paul Spiegel in der Berliner FDP-Zentrale anberaumt. Die beiden telefonierten am Donnerstagnachmittag miteinander - nach Angaben der FDP verlief das Gespräch in "ausgesprochen herzlicher Atmosphäre."

Im Sender n-tv betonte Friedman, die Anstregungen, die alle - sowohl in der FDP als auch im Zentralrat - in den letzten Tagen getan hätten, sollte man sich "nicht von Jürgen Möllemann kaputt machen lassen". Die Zusammenkunft von Spiegel und Westerwelle werde stattfinden. Mit Möllemann jedoch, das stellte der Vize des Zentralrats der Juden klar, werde es in nächster Zeit mit Sicherheit "kein Gespräch geben".  

07.06.02 06:09

95441 Postings, 8742 Tage Happy End"FDP - Für Deutschland peinlich"

Verzweifelt bemüht sich die FDP sich um Schadensbegrenzung in der Möllemann/Karsli-Affaire. Besonders schmerzt die Liberalen, dass Berlins jüdische Gemeinde gegen sie demonstrierte, weil die FDP versuche, "mit antisemitischen Parolen Wahlpropaganda zu machen". Dabei kam es auch zu einem spektakulären Parteiaustritt.
 
Berlin - Ex-Außenminister Kinkel war aufgebracht. Nicht nur weil er auf dieser Kundgebung doch nicht reden durfte, wie (von ihm) eigentlich geplant. Sondern auch weil ihn die Arroganz Jürgen Möllemanns allmählich nervt. "Aber was sollen wir tun? Wir können ihn doch nicht mit dem Maschinengewehr zur Entschuldigung zwingen", meinte der FDP-Politiker zu einem Reporter.
Mehr schien Kinkel aber noch zu stören, dass seine Partei "wegen einiger weniger unglückseligen Äußerungen" so in Misskredit gerate, wie er wiederholt von sich gab. Deshalb weigerte er sich auch strikt, ausländischen Journalisten Interviews zu geben. So gab er erst einem amerikanischen Hörfunkreporter und dann einem BBC-Interviewer einen Korb. "Sorry", das sei jetzt keinesfalls ausländerunfreundlich gemeint, aber "dies ist ein rein innenpolitisches Problem", bürstete er beide ab. Den Flurschaden für die FDP wollte er als ehemaliger Außenpolitiker nicht über Deutschlands Grenzen tragen.

Aber da ist die Botschaft längst. Zwei Mitarbeiter des US-Kongresses beobachteten das Treiben und schüttelten den Kopf. Celinda Franco vom Congressional Research Service und Martin Gelfand, ein Mitarbeiter des demokratischen Abgeordneten Dennis Kucinich, berichteten, wie ihnen gegenüber FDP-Politiker versucht hätten, die Affäre klein zu reden. Dabei sei doch "höchst beunruhigend, wie europaweit wieder etwas in der Luft liegt, was wir hier für überwunden glaubten", meinte Gelfand. Er und seine Kollegin hatten sich extra von ihrer Besuchsdelegation im Bundestag gelöst, um Augenzeuge dieser Demonstration zu werden, wie es sie in Deutschland noch nie gab.

"Für Deutschland peinlich"

Rund 2500 Demonstranten waren am späten Mittwochnachmittag dem Aufruf von Berlins jüdischer Gemeinde und einer Reihe jüdischer Verbänder Berlins vor die FDP-Bundeszentrale gefolgt, "weil wir handeln wollten, um nicht länger auf nichtjüdische Anständige zu warten", sagte auf Nachfrage die Moderatorin der Veranstaltung, Lala Süsskind. "Denn ich denke, das Fass ist voll", rief die Vorsitzende des jüdischen Frauenverbands WIZO zum Auftakt in die Menge. Noch sei diese Partei nicht verloren und ihr Ansehen wieder herzustellen. Aber die ständigen "stereotypen antisemitischen Äußerungen" Möllemanns hätten dazu geführt, dass FDP derzeit nur noch mit "Für Deutschland peinlich!" oder "Für Demokraten peinlich" übersetzt werden könne, verlas sie einen Aufruf.

Besonders viele junge Leute waren zu der Demonstration gekommen, darunter Anhänger der verschiedensten Religionen und Bundestagsabgeordnete aus SPD und CDU. Auch Berlins "Türkischer Bund" schickte solidarisch ein Grußwort, weil er es "unerträglich" finde, "wie die FDP versucht im braunen Sumpf zu fischen". Viele mitgeführte Transparente sprachen deutlich für sich: "Blau + Gelb = Braun", "Kein Wahlkampf für 18 % Antisemiten", "Rote Karte für Möllemann", "Wählt Jürgen W. Haiders FDP" oder "Liberal - Euch egal - für 18 Prozent rülpst ihr rechtsradikal".

Doch dies sei "keine Demonstration gegen die FDP", die aus vielen klugen Köpfen bestehe, stellte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, schon im Vorfeld klar. So lobte er Otto Graf Lambsdorff, Hildegard Hamm-Brücher oder den ehemaligen liberalen Innenminister Gerhart Baum. Jetzt aber sei die Frage: "Wer führt heute die Partei mit welchem Denken?".

"Wollen wir hoffen, dass deren zynische Rechnung nicht aufgeht!", sagte Brenner und klagte eine "eindeutige, klare und nicht verklausulierte Distanzierung ohne Wenn und Aber" von Jürgen W. Möllemann ein. Dann ergriff die Ortsvorsitzende der FDP Berlin-Dahlem, Susanne Thaler, das Wort, und in der FDP-Zentrale schlossen sich allmählich die wenigen noch geöffneten Fenster.

Steht die 18 für Adolf Hitler?

Nie habe sie in den letzten 20 Jahren "auch nur schattenhaft den Anlass zu Zweifeln an der FDP gehabt", wie sie jetzt durch Jürgen Möllemann losgetreten worden seien. Dessen Worte seien nicht nur verletzend, "sondern sie machen mir Angst", schilderte sie. Möllemann habe aus ihrer Sicht seine "Signale nicht zufällig geäußert", warf sie dem nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden vor: "Er hat das bedingungslose Erreichen der 18 Prozent im Kopf", dafür würden von ihm "und leider auch Guido Westerwelle" Tabus gebrochen.

So "zu zündeln", wie Möllemann, sei "unappetitlich und gefährlich", sagte Thaler und warf ihrem Parteifreund einen "tief verinnerlichten Nazirassismus" vor. Es klinge weit hergeholt, aber ihr würden mittlerweile auch Zweifel wachsen, ob das Ziel "18 Prozent" nicht mit tieferem Sinn gewählt worden sei, denn unter den Neonazis stehe die 18 nach der Nummerierung des Alphabets für die Abkürzung AH - Adolf Hitler.

Dann erklärte die resolute Politikerin demonstrativ ihren Austritt aus der FDP - unter anhaltendem Applaus der Anwesenden. Nur Klaus Kinkel habe gestern noch versucht, sie von diesem Schritt abzubringen, von der eigentlichen Parteiführung habe sie aber seit November letzten Jahres, als sie erstmals an Guido Westerwelle geschrieben habe, nichts gehört, berichtete sie.

Danach klopften ihr vor allem Parteifreundinnen auf die Schulter und lobten sie, auf diese Weise vielleicht mehr für die FDP getan zu haben als derzeit jeder andere Vertreter der Partei.

"Kalkuliertes Spektakel"

Unter den Teilnehmern waren aber durchaus auch widersprüchliche Auffassungen zu vernehmen. Bei den meisten Demonstranten überwog allerdings das Entsetzen darüber, wie wenig Einsicht die FDP-Führung bisher an den Tag gelegt habe. So hatte Mario Offenberg, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Adass Jisroel in Berlin, zuvor die Bundestagsdebatte über Antisemitismus verfolgt und reflektierte konsterniert über die "viele heiße Luft", die er dort von der FDP vernommen habe. Es wachse der Eindruck, der Partei gehe es mit dieser Affäre "nur ums Geschäft", die Aufregung jetzt sei ihr in ein paar Wochen egal.

Ähnlich kommentierte der in Berlin populäre jüdische Sänger und Schauspieler Mark Aizikovitch. Die FDP sei mit einem "kalkuliertem Spektakel" auf Stimmenfang, mit guten Schauspielern, die in Teamarbeit die Rollen des Guten und Bösen besetzten. Früher sei die FDP die Partei der Reichen gewesen, jetzt gehe sie in die Kneipen, um an Stammtischen für ihre Politik zu werben.

Die deutsch-amerikanische Schriftstellerin Karen Margolis berichtete, wie sich bei ihr inzwischen die E-Mails von Freunden aus Israel und den USA häufen würden, die ihre Unruhe über die Entwicklung in Deutschland zum Ausdruck bringen würden. Vor allem darüber, wie sich "deutsche Politiker mit gezielten Tabubrüchen zu Helden ihrer Klientel machen" würden.

Dass dem so ist, bewiesen mehrere Passanten, die bis zum Schluss ausharrten. "Werfen Sie bloß den Möllemann nicht raus", meinte ein hemdsärmliger Berliner zu Klaus Kinkel, sonst falle die FDP "unter 1,5 Prozent, wenn sie jetzt nicht Rückgrat beweist". Und in der FDP-Zentrale stellte sich eine Frau mittleren Alters Kinkel in den Weg und schimpfte auf Hildegard Hamm-Brücher. Warum die denn immer nur drohe, aus der Partei auszutreten, statt den Schritt auch zu vollziehen. Dann sei man sie doch endlich los. Solle sie doch ruhig "nach Israel ziehen oder so", grummelte die Dame, die mit ihren Äußerungen ziemlich deutlich machte, warum sich Jürgen W. Möllemann derzeit in der FDP so sicher fühlte.  

07.06.02 09:42

95441 Postings, 8742 Tage Happy EndMöllemann wünscht Altliberalen eine gute Reise

Jetzt drischt Jürgen W. Möllemann auch auf seine Parteifreunde ein: Ausgerechnet der Parade-Provokateur der FDP beschimpfte die Alt-Liberalen Gerhart Baum und Hildegard Hamm-Brücher als Querulanten. Er legte ihnen sogar den Parteiaustritt nahe.

Berlin - In der ARD-"Tagesschau" griff Möllemann seine parteiinternen Kritiker Baum und Hamm-Brücher an, die wegen seiner Äußerungen mit Parteiaustritt gedroht hatten. "Wenn wirklich Leute wie Frau Hamm-Brücher oder Herr Baum, die nichts, aber auch gar nichts beitragen zu einer positiven Entwicklung der FDP, die ihre Verdienste haben, aber jetzt wirklich in den Ruhestand gehen sollten, wenn die noch mal das Sagen bekämen, würde ich meine Mitarbeit in der FDP schlagartig beenden", sagte Möllemann. Er bezeichnete die Alt-Liberalen als "Querulanten", die sich immer nur zu Wort meldeten, "wenn es schwer wird". Wenn sie mit Austritt aus der FDP drohten, "dann sollen sie gehen. Ich kann nur sagen: Gute Reise", sagte Möllemann.
   
Nach diesen Äußerungen sagte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper in den "Tagesthemen", sie wundere sich über solche Äußerungen. Möllemann solle "sich auch dafür entschuldigen". Für die Liberalen sei es immer wichtig gewesen, fair miteinander umzugehen. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff forderte Möllemann im "heute journal" auf: "Gucken Sie sich die Fußball-Weltmeisterschaft an, da ist Nachtreten auch nicht erlaubt."

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, sagte der "Financial Times Deutschland": "Herr Möllemann ist für die Union eine Zumutung." Er könne sich "nicht vorstellen, dass die FDP eine Koalition davon abhängig macht, dass Herr Möllemann einen Platz im Bundeskabinett erhält."

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Michael Müller erklärte, indem Möllemann eine Entschuldigung beim Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, verweigere, treibe er sein Spiel weiter und fische nach rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Stimmen für sein "Projekt 18".

Wachsende Zweifel an Westerwelles Führungskraft

Vor allem Parteichef Guido Westerwelle wird in weiten Kreisen als der eigentliche Verlierer der FDP-Querelen der vergangenen Wochen angesehen. Grünen-Sprecher Fritz Kuhn sagte im ZDF, Westerwelle habe zu spät auf Möllemanns Äußerungen reagiert. "Wenn jemand wie Westerwelle Kanzler werden will, dann erwarte ich, dass er solche Missgriffe schnell und eindeutig unterbindet." Friedman bemängelte, Westerwelle habe sieben Tage gebraucht, um sich von Möllemann zu distanzieren. "Und das sind sieben Tage zu viel." Wegen des Antisemitismus-Streits sei der FDP-Chef in den letzten Wochen angeschlagen gewesen. "Dann hat er sich durch einen Befreiungsschlag ein Stück erholt." Doch das habe Möllemann nun wieder zunichte gemacht.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) sprach von einer großen Unsicherheit und Unberechenbarkeit in der FDP. Westerwelle müsse nun klarer reden, um die Glaubwürdigkeit seiner Partei nicht zu gefährden. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, sagte, er könne sich Möllemann nicht als Bundesminister in einer zukünftigen Koalition vorstellen. Möllemann habe sich nicht in anständiger Form entschuldigt. Mit Westerwelle zeigte er nahezu Mitleid: "Das Schlimmste ist, wenn man einen Möllemann zum Stellvertreter hat. Da ist ja schon das Fegefeuer vorweggenommen."

"Kein Tabu-, sondern ein Zivilisationsbruch"

Friedman sieht als Folge des Streits Möllemann ein erschreckendes Potenzial an Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft. Der von Möllemann angezettelte Streit sei kein Tabubruch, "sondern ein Zivilisationsbruch", sagte Friedman am Donnerstagabend im ZDF.

Friedman sagte, die zahlreichen zustimmenden E-Mails an Möllemann zeigten, dass dessen "kurzfristig angelegte Provokation" aus der Mitte der Gesellschaft ein Maß an Antisemitismus habe hervorbrechen lassen, das er nicht für möglich gehalten habe. Die eigentliche Lehre, die aus dem Streit um als antisemitisch gewertete Äußerungen von Politikern demokratischer Parteien zu ziehen sei, sei die, wie man mit dem offensichtlich vorhandenen Potenzial an Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft verantwortlich umgehe.

In Bezug auf den Grundsatz "Wehret den Anfängen!" sei Möllemann "weit über die Anfänge hinaus gegangen", sagte Friedman. Er warf die Frage auf, wie lange ein FDP-Politiker, der dermaßen konträr zur offiziellen Parteilinie liege, noch stellvertretender Bundesvorsitzender sein könne. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt betonte, Möllemanns Linie entspreche nicht der der gesamten Partei: "Es ist völlig klar: Den Weg gehen wir nicht."

Möllemann hatte sich zuvor bei den jüdischen Bürgern für Äußerungen entschuldigt, in denen er Friedman und Israels Ministerpräsident Ariel Scharon als mitverantwortlich für Antisemitismus bezeichnet hatte. Nur wenige Stunden später hatte er Friedman selbst jedoch ausdrücklich von der Entschuldigung ausgenommen, obwohl Friedman die Entschuldigung bereits akzeptiert hatte. Westerwelle hatte Möllemann zuvor ein Ultimatum gestellt, den umstrittenen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli aus der Düsseldorfer FDP-Fraktion auszuschließen.

Kubicki: Rückhalt für Möllemann ungebrochen

Nach Ansicht des schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschefs und Möllemann-Freunds Wolfgang Kubicki genießt dieser jedoch weiter starken Rückhalt in seiner Partei. "Er hat unglaublich viele Anhänger. Im Bundesvorstand schätzen ihn viele als Person, als Wahlkämpfer und Mitstreiter, auch wenn sie nicht in jeder Frage seine Meinung teilen", sagte Kubicki der Hannoverschen "Neuen Presse" Über mangelnden Rückhalt in der FDP brauche sich Möllemann keine Gedanken zu machen. Kubicki kritisierte das Ultimatum Westerwelles an Möllemann als überflüssig. "Ultimaten sind das Gegenteil von vertrauensvoller Zusammenarbeit. Die Sache war ohnehin auf gutem Weg."

Mit der Antisemitismus-Debatte hat die FDP bei den Wählern an Zuspruch verloren. Nach einer repräsentativen Umfrage des Dimap-Instituts im Auftrag des MDR kämen die Liberalen nur noch auf 10 Prozent der Stimmen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Vor zwei Wochen lag die FDP noch bei 13 Prozent.
 

12.06.02 16:58

95441 Postings, 8742 Tage Happy End"Westerwelle redet blanken Unsinn"

Im Antisemitismus-Streit mangelte es den FDP-Verantwortlichen nicht nur an geschichtlichem Verständnis, sondern auch an Einfühlungsvermögen in die Ängste der Juden, meint der Historiker Julius Schoeps im SPIEGEL-ONLINE-Interview. Der Streit um Möllemanns Äußerungen erinnert ihn an Goebbels antisemitische Angriffe in den dreißiger Jahren.

SPIEGEL ONLINE: Herr Schoeps, die FDP will einen Schlussstrich unter den Antisemitismus-Streit ziehen. Trauen Sie dem Frieden?
Julius Schoeps: So einfach, wie die FDP meint, geht es nicht. Da zieht eine Partei einseitig einen Schlussstrich, als ob nichts gewesen sei und obwohl vieles nach wie vor ungeklärt bleibt.

SPIEGEL ONLINE: Woran denken Sie dabei?

Schoeps: Beispielsweise an die Formulierung Möllemanns, er habe einen Fehler begangen, als er Scharon und Friedman für antisemitische Ressentiments verantwortlich machte. Was heißt das? In der Sache scheint er zu seiner Aussage nach wie vor zu stehen - und bedauert nur, seine Position in die Öffentlichkeit getragen zu haben. Seine nachträgliche Entschuldigung an die Juden in Deutschland ändert an diesem Eindruck nichts. Möllemann hat sich dazu ja nur unter gewaltigem öffentlichen und wohl auch internen Druck bequemt.

SPIEGEL ONLINE: Parteichef Westerwelle betont, die FDP sei eine Partei der Mitte und könne schon deshalb kein Ort für Antisemiten sein.

Schoeps: Die Geschichtslosigkeit, die aus solchen Formulierungen spricht, ist umwerfend. Ich würde Herrn Westerwelle wirklich empfehlen, einen Blick in die Traditionslinien liberaler Parteien zu werfen. Die Nationalliberalen des 19. Jahrhunderts haben den Antisemitismus gepflegt. Auch Teile der FDP in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts waren nie frei von diesem Denken. Es ist einfach unfassbar, was Herr Westerwelle von sich gibt. Er hat ja auch gesagt, sein Vize Möllemann sei ein Demokrat und könne daher schon kein Antisemit sein. Das ist natürlich blanker Unsinn.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Institut forscht über Antisemitismus. Spüren Sie die antisemitischen Ressentiments verstärkt seit Möllemanns Äußerungen?

Schoeps: Ich selbst habe in den letzten Wochen ganz offen antisemitische Briefe und Anrufe erhalten. Die Schreiben waren meist mit Absenderadressen versehen. Vielleicht ist das auch eine Art von Normalisierung, die wir jetzt erleben - dass sich auch in Deutschland Antisemiten öffentlich zu äußern wagen. Vielleicht hat dieses Land in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehnten in einer Art von Anormalität gelebt.

SPIEGEL ONLINE: Ist das nicht eine gefährliche Entwicklung?

Schoeps: Ich will das nicht bagatellisieren, aber zum Glück sind wir hier zu Lande ja noch nicht so weit, dass die Juden sich wieder vor Pogromen fürchten müssen. Dennoch, was jetzt durch Herrn Möllemann ausgelöst wurde, war ein Tabubruch, was leicht zu einem Dammbruch werden könnte.

SPIEGEL ONLINE: Hat dem Westerwelle nicht Einhalt geboten?

Schoeps Hat er das wirklich? Was mich an Herrn Westerwelle und seiner Verteidigungsstrategie stört, ist, dass er offenbar nicht ahnt, wie gefährlich mit diesem Thema gezündelt werden kann. Der Antisemitismus ist eine Art kollektiver Gedächtniskrankheit. Es fehlt so jegliches Sich-Hineindenken in die Ängste der Juden hierzulande.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Führung hat sich von Möllemann distanziert.

Schoeps Das ist richtig und wichtig. Ich habe aber den Eindruck, die FDP ist wieder dort, wo sie in den siebziger Jahren war. Wir erleben wieder das Gegeneinanderarbeiten des nationalliberalen und demokratisch-liberalen Flügels. Das spezifische Problem der FDP ist das Yuppiehafte, das "Uns kann keiner"-Phänomen". Den Verantwortlichen in der FDP mangelt es an Geschichtskenntnissen. Den meisten ist es schlichtweg gleichgültig, in wessen Fußstapfen sie sich da bewegen, ob sie sich antisemitisch gebärden oder nicht. Ihr Motto scheint zu sein: Hauptsache hinzugewinnen.

SPIEGEL ONLINE: War es nicht politisch ungeschickt vom Zentralrat der Juden, während der schlimmsten Phase fast täglicher palästinensischer Terrorangriffe mit solcher Vehemenz die Politik Scharons zu verteidigen?

Schoeps: Es wäre besser, wenn der Zentralrat sich mit Stellungnahmen zurückhielte. Nicht der Zentralrat sollte sich zu Wort melden, sondern in erster Linie die verantwortlichen Politiker. Der Zentralrat ist in den letzten Jahren ja auch von den Politikern und Medien in die Rolle des Moralwächters gedrängt worden. Ich halte das für eine fatale Entwicklung.

SPIEGEL ONLINE: Als der Zentralrat der Juden kürzlich in Berlin zu einer Demonstration vor der FDP-Zentrale aufrief, kamen überwiegend Juden. Ist das nicht ein alarmierendes Zeichen für die mangelnde Solidarität der Nicht-Juden?

Schoeps: Die Juden wissen, dass sie im Ernstfall alleine sind. Auffallend war, dass die FDP-Führung sich erst wirklich aufgeregt hat, als Möllemann Altliberale wie Hamm-Brücher, Lambsdorff, Hirsch und Baum angegriffen hat.

SPIEGEL ONLINE: Ist das Verhältnis zwischen Juden und Nicht-Juden gestört?

Schoeps: Es läuft vieles in die falsche Richtung. Nur ein Beispiel: Eigentlich hätte sich Herr Möllemann für seine antisemitischen Ressentiments zunächst bei seinen Mitgliedern entschuldigen müssen und nicht bei den Juden.

SPIEGEL ONLINE: Wird nicht der antisemitische Wähler den Rückzieher des FDP-Vizes wieder den Juden und ihrer angeblichen Dominanz in den Medien zuschreiben?

Schoeps: So ist es. Möllemann hat sich in gewisser Weise durchgesetzt. Was jetzt geschehen ist, erinnert mich an den Fall des Berliner Polizei-Vizepräsidenten Bernhard Weiß in den frühen dreißiger Jahren der Weimarer Republik. Weiß wurde als Jude vom Nazi-Propagandisten Joseph Goebbels ständig als "Isidor Weiß" beschimpft. Weiß führte zahlreiche Prozesse gegen Goebbels, die er alle gewann. Aber gesiegt? Gesiegt hat am Ende doch Goebbels. Seine Strategie der Persönlichkeitsdestruktion setzte sich durch.  

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