US-Nachkriegsregierung Die Vorhut ist gelandet
Von Matthias Gebauer, Kuweit-Stadt Seit zwei Tagen baut ein kleines Team des designierten Nachkriegsverwalters Garner das erste Büro der US-Regierung im Irak auf. Offiziell sollen sie nur die humanitären Bedürfnisse sondieren, sie suchen aber auch schon nach Verbündeten für den Aufbau einer Verwaltung. | | | Wann Jay Garner selbst in den Irak geht, steht noch nicht fest |
| | Es war eigentlich ein eher unauffälliger Konvoi, der den Parkplatz des Hilton-Hotels im Süden von Kuweit-Stadt verließ. Zwölf große GMC-Geländewagen rollten langsam durch das schwer bewachte Tor des Beach Ressorts. Durch die verdunkelten Scheiben war kaum einer der Insassen zu erkennen. Dass die Männer und Frauen jedoch keine unwichtigen Leute waren, war an den bewaffneten und gepanzerten Armee-Fahrzeugen vorne und hinten an der Wagenkolonne gut abzulesen. Der Weg der 20 Amerikaner an diesem Morgen war kurz. Nur etwas mehr als 100 Kilometer mussten die Mitglieder des so genannten "Office of Reconstruction and Humanitarian Organisation" (ORHA) fahren, um ihr Ziel zu erreichen: den Hafen von Umm Kasr kurz hinter der ehemaligen irakischen Grenze, der nun von britischen Truppen bewacht wird. Dort gingen die Vertrauten des designierten US-Nachkriegsverwalters Jay Garner gleich ans Werk. Ohne großes Aufsehen bauten sie in wenigen Stunden das erste Büro der US-Nachkriegsverwaltung im Irak auf. "Wir hören erstmal zu" Mit der kleinen Vertretung im Irak sind damit seit Dienstag erstmals Mitarbeiter der Saddam-Nachfolgeregierung im Irak stationiert. Sie sollen nun schnell die neue Verwaltung im Süd-Irak aufbauen. Dabei ist auch der designierte Verwalter des Süd-Bezirks, der ehemalige US-Army-General F. J. Walter. Er soll in den kommenden Monaten die Region um Basra leiten. Offiziell haben die Männer und Frauen der ORHA bisher einen rein humanitären Auftrag. "Wir sprechen gerade mit den Irakern und fragen sie, welche Bedürfnisse sie haben", erklärte der Sprecher der Gruppe am Mittwoch. Nur so könne die ORHA wissen, was die Menschen im Süden wirklich bräuchten und wie man es ihnen zur Verfügung stellen könnte. Der humanitäre Ansatz ist jedoch nicht viel mehr als ein Deckmantel für die wirkliche Aufgabe der Männer und Frauen um den Ex-General und designierten Nachkriegsverwalter Jay Garner. Schon seit sie in Kuweit angekommen sind, suchen sie Iraker, mit denen der Wiederaufbau einer Verwaltung möglich ist. Neben den 20 Amerikanern der ORHA kamen so in den vergangenen Tagen auch hunderte von Exil-Irakern in den Süd-Irak, die von der Busch-Regierung für den Wiederaufbau angeheuert worden sind. Unter Anleitung der Amerikaner soll so eine irakisch geführte Nachkriegsregierung entstehen. In Umm Kasr selber arbeiten die Exil-Iraker bisher als Dolmetscher für das Garner-Team. Streit zwischen Pentagon und Powell beruhigt sich | | | Ahmed Chalabi: vielleicht der erste Präsident Iraks nach Saddam Hussein |
| | Eine wichtige Rolle im Süden spielt dabei auch der Exil-Iraker Ahmed Chalabi, der vom Pentagon hinter vorgehaltener Hand bereits als möglicher erster Präsident des Iraks nach Saddam gehandelt wird. Auch er ist nach Angaben von ORHA-Mitarbeiter aus Kuweit bereits im Süden Iraks tätig. Bisher aber will niemand seine genaue Rolle näher beschreiben. "Er kennt viele Leute und ist eine große Hilfe", sagte einer der ORHA-Leute mehr als abstrakt. Besonders das State Departement von US-Außenminister Colin Powell hat jedoch weiter große Vorbehalte gegen Chalabi, da er als zu enger Vertrauter des Pentagon gilt. Am Ende könnte das Verteidigungsministerium schnell alle Macht im Nachkriegs-Irak an sich ziehen und auch behalten, wenn eine irakische Regierung installiert wird, so die Befürchtung. Ein wenig jedoch haben sich die Wogen zwischen Pentagon und State Departement geglättet. Während Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vorm Wochenende noch eine Liste von Mitarbeitern, die das Außenministerium für die ORHA ausgesucht hatte, vom Tisch gefegt hatte, akzeptierte er nun wenigstens einige der Powell-Männer. Gleichwohl bleibe der Wiederaufbau eine Kernaufgabe des Pentagon, sagen viele ORHA-Leute in Kuweit recht offen. Dem State Depertement wird eher eine beratende Rolle zugewiesen. Auch der schnelle Einzug der Garner-Leute sei dafür ein klares Zeichen, ist in Kuweit zu hören. Die Suche nach den Saddam-Getreuen Rein praktisch haben die Männer von Jay Garner in Umm Kasr vorerst andere Sorgen. Denn neben dem Aufbau einer neuen Verwaltung wollen sie schnell und effizient die verbliebenen Mitglieder aus Saddams Regime aufspüren und festnehmen lassen. So soll verhindert werden, dass die alte Garde bei einem Wiederaufbau weiter an der Macht bleibt. Deshalb sammelt das Team bei seinen Befragungen bereits jetzt auch Informationen aus der Bevölkerung. Daneben haben die US-Geheimdienste reichlich Material zur Verfügung gestellt, dass sie in den Wochen seit Kriegsbeginn aktualisiert haben. | | | Foto fürs Familienalbum: US-Soldaten nach der Einnahme Umm Kasrs |
| | Viele Informationen aber machen die Arbeit nicht unbedingt leichter, sagen die ORHA-Mitarbeiter in Kuweit. Noch immer sollen sich in dem kleinen Ort Umm Kasr, der als erster von den Koalitionstruppen befreit wurde, viele Getreue Saddams befinden. Doch die Jagd nach den Machthabern von gestern ist schwierig. "Jede Information aus der Bevölkerung kann auch eine Falle sein", schildert einer der in Kuweit verbliebenen Planer die Situation. Außerdem habe man aus Afghanistan die Erfahrung, dass sich konkurrierende Clans gegenseitig bezichtigen. Erfahrungen für die Zukunft Viele der Erfahrungen aus Umm Kasr werden sich in anderen Orten des Iraks wiederholen, schätzen die ORHA-Leute. Dort zeigt sich schon jetzt, wie kompliziert und langwierig die Aufgabe der Besatzer auch nach einem Ende der militärischen Auseinandersetzung wird. Wann Ex-General Garner selber in den Irak geht, steht bisher nicht fest. Die Bilder aus Bagdad vom Mittwoch aber machen seine Vertrauten zuversichtlich. Anfang kommender Woche will Garner vielleicht erstmals selbst in Kuweit vor die Presse treten. Einen bereits verkündeten Termin für eine Pressekonfrenz am vergangenen Montag hatte Garner spontan und ohne Begründung abgesagt.
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