Fast 20 Jahre nach Tschernobyl und 15 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges erlebt der Rohstoff Uran eine Renaissance. Uran-Aktien laufen heiß und welche Halbwertszeiten die Papiere haben, ob Anleger damit strahlen können. Es ist eine simple Kettenreaktion: Der Energiebedarf weltweit steigt, deshalb werden neue Atomkraftwerke gebaut. Für den Betrieb der neuen Meiler wird mehr Uran gebraucht, ein Rohstoff, der knapp ist - weshalb die Preise steigen und Uranminen mehr verdienen. Tatsächlich erlebten Uran-Aktien in den vergangenen zwei Jahren exorbitante Wertsteigerungen. Weiter eine Chance für Anleger?
Theoretisch auf jeden Fall. Doch weil das Erz aufbereitet auch als Bombenstoff taugt, spielen in der Uranbranche nicht nur die freien Kräfte des Marktes eine Rolle, sondern auch die Politik. Aktuelle Beispiele: Die Bomben-Beichte von Nordkoreas Diktator Kim Yong Il sowie die Atomaktivitäten der Mullahs im Iran.
Wie auch immer die Weltpolitik auf diese Risiken reagiert - die Renaissance des Rohstoffs Uran ist erst mal nicht aufzuhalten. Denn sie wird zum einen vom immensen Energiehunger industriell aufstrebender Staaten wie China oder Indien getrieben. Allein das Reich der Mitte will seine Bürger mit 30 Kernreaktoren unter Strom setzen.
Zum anderen ist mit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls zum Schutz der Umwelt - allen "grünen" Bewegungen weltweit zum Trotz - ausgerechnet Atomstrom wieder gesellschaftsfähig geworden. Denn abgesehen von der nach wie vor ungeklärten Entsorgungsfrage von Atommüll gilt Kernkraft als ausgesprochen umweltfreundlich.
Derzeit sind 441 Reaktorblöcke in 31 Ländern in Betrieb, 22 Meiler in neun Ländern befinden sich im Bau. Dabei sind weder die asiatischen Vorhaben mitgezählt noch beschlossene Neubauten in Finnland und Frankreich. 2004 stieg die Stromproduktion aus Kernenergie um 3,7 Prozent.
Fünf der zehn produktivsten Meiler weltweit arbeiten in Deutschland und liefern die Hälfte des nationalen Strombedarfs. Atom-Know-how made in Germany ist gefragt. Siemens ist an dem deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen Framatome zu einem Drittel beteiligt, das der chinesischen Regierung gerade ein Angebot für vier Reaktoren im Wert von acht Milliarden Euro unterbreitet hat. Konkurrenten beim Kraftwerksbau sind die US-Firma Westinghouse und die russische Atomstroy.
Für den Betrieb der laufenden Anlagen werden jährlich weltweit rund 65000 Tonnen Natururan benötigt. Mit 5800 Tonnen ist dabei die deutsche RWE Nukem der drittgrößte Anbieter. Die Plätze 1 und 2 besetzen die kanadische Comeco und die französische Cogema. Förderländer sind hauptsächlich Kanada und Australien, Minen gibt es auch in Namibia und verschiedenen Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Was viele Regierungen, die jetzt auf Kernkraft setzen, in ihre Pläne allerdings nicht einbeziehen: Wie Öl ist auch Uran ein endlicher Brennstoff. Die Schätzungen, wie lange die weltweit bekannten Vorkommen noch ausreichen, gehen von nur 40 bis 100 Jahren aus. Aus der Wiederaufbereitung, wie sie Frankreich, Großbritannien und Rußland betreiben, wird der Bedarf nur zu fünf Prozent gedeckt. Außerdem wollen die Briten ihre umstrittene Anlage in Sellafield schon bald zurückfahren. Und Technologien wie der Schnelle Brüter in Deutschland sind gescheitert.
Das ausgemusterte A-Waffen-Arsenal Rußlands tut in umgewandelter Form nun zivilen Dienst in US-Kraftwerken. Allerdings läuft dieses "Schwerter zu Pflugscharen"-Programm, das etwa 15 Prozent des Weltbedarfs an Uran deckt, nur noch wenige Jahre. Branchenkenner vermuten, daß die Russen ihr Waffenuran dann zu Brennstoff für die eigenen Reaktoren umwandeln.
Unter diesem Gesichtspunkt müßte manches Atomstrom-Vorhaben eigentlich schon wieder eingestampft werden, schließlich sind die Investitionen immens und rentieren nur bei langen Nutzungszeiten.
Andererseits ist für viele Länder die Beherrschung der Atomtechnik ein wichtiger Imagefaktor. Und nicht nur in Sachen Energieversorgung. Hinter dem Proliferation genannten illegalen Techniktransfer "steht das Machtstreben und militärische Sicherheitsinteresse von Staaten und Regierungen", heißt es in in einem Bericht des Bundesnachrichtendienstes zur "Proliferation von Massenvernichtungsmitteln" Die Trenchcoat-Träger schreiben unter anderem, daß "der Irak kurz vor der Fertigstellung einer Nuklearwaffe stand" und "westliche Industriefirmen wesentlich zu den irakischen Programmen beigetragen haben". Der Schmuggel von Uran selbst habe seit 1994 aber stetig abgenommen. "Geschmuggelt werden vor allem Strahlenquellen aus technischen und medizinischen Anwendungen", so der Bericht, "in deutlich geringerem Umfang Kernbrennstoff."
Die Geheimdienstler beklagen sich vielmehr über die zunehmend schwierige Verfolgung von Lieferungen für den heimlichen Bau von Reaktoren oder Kernwaffen. Während in den 80ern die Einkäufer von Uran-Anreicherungsanlagen oder Reaktorteilen noch direkt beim auftraggebenden Staat beschäftigt waren, würden heute zahlreiche Strohmänner über verschiedene Länder und private Firmen die benötigten Teile - Gaszentrifugen oder Spezialrohre - zusammenkaufen. Oft in Deutschland und wohl auch mit Billigung der Lieferanten. Bisher beherrschen die Anreicherung von Uran zum Bombenstoff nur acht Länder.
Das größte Risiko für den Fortbestand des Atom-Booms ist eine Katastrophe wie die von Tschernobyl. Sie könnte die politischen Rahmenbedingungen für die Kernkraft weltweit sehr schnell ändern. Nach dem Unfall in der Ukraine stoppten etliche Länder ihre Atomstrom-Ambitionen, die Bevölkerung drängte auf Stillegung älterer Meiler. Und daß neue Technik nicht unbedingt ein Garant für mehr Sicherheit ist, zeigt der Pannenmeiler im tschechischen Temelin mit mehr als 70 Störfällen.
Chinas Regierung wird sich dadurch nicht abschrecken lassen, schließlich hat sie auch beim Bau von Wasserkraftwerken wie dem Drei-Schluchten-Damm alle wirtschaftlichen und ökologischen Bedenken ignoriert. Beste Chancen, daß Anleger die Uran-Aktien-Wette gewinnen.
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