EM.TV gönnt sich keine Atempause
Vorstandschef Thomas Haffa über den Neuerwerb Henson, Börsengänge von Töchtern und die Pläne für das Internet
Börsen-Zeitung, 29.2.2000
els - Durch die vergangene Woche verkündete Übernahme der Jim Henson Company ist dem Börsenstar EM.TV & Merchandising AG wieder einmal ein Coup gelungen. Mit den Charakteren der Muppet Show und der Sesamstraße hat die Produktions- und Lizenzhandelsfirma aus Unterföhring bei München nun einige der weltweit bekanntesten Marken für Kinder- und Jugendprogramme in ihrem Portfolio. Inklusive des Neuerwerbs dürfte die Firma, deren Konzernumsatz 1998 noch bei 81 Mill. DM lag, in diesem Jahr auf Erlöse von 800 bis 900 Mill. DM kommen. Nach Angaben des Unternehmens wird für den Kauf der US-Firma kaum Goodwill anfallen, so dass mit einer nennenswerten Ergebnisbelastung durch Abschreibungen nicht zu rechnen sei.
Von einer Konsolidierungsphase will Vorstandschef Thomas Haffa nichts wissen. Attraktive Gelegenheiten für Zukäufe werde EM.TV auch weiterhin nutzen, sagt er in einem Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nach dem Kauf von Henson stehen bei dem Medienkonzern in naher Zukunft die Schaffung eines Internet-Portals und Börsengänge von Tochterfirmen auf der Agenda.
BZ: Sie sind der neue Vater von Kermit und Miss Piggy. Werden die Puppen nun alsbald zu neuem Leben erweckt?
Haffa: Ja, aber erst einmal muss die Kreativarbeit stattfinden. Ich schätze, dass wir im Sommer mit der Produktion beginnen können. Dann wird es 26 neue Muppet Shows pro Jahr geben.
BZ: Ist das nicht der Versuch, ein Konzept der Siebziger ins neue Jahrtausend zu retten?
Haffa: Man muss das alte Konzept beibehalten und es vielleicht an der einen oder anderen Stelle verbessern. Aber allein durch die neuen Künstler, die in der Show auftreten werden, bekommt die Sache einen neuen Clou. Ich glaube sogar, dass die Show mehr Erfolg als früher haben wird, denn Kinder ab sechs Jahre sind heutzutage ja ungeheuer musikorientiert. So eine Show mit aktueller Musik - das kann eine Mega-Geschichte werden.
BZ: Es scheint, als hätten Sie den Deal schlecht verhandelt. Die an die Familie Henson neu ausgegebenen 6 Millionen EM.TV-
Aktien sind zu je 56 Euro bewertet worden. Derzeit beträgt der Kurs deutlich über 100 Euro.
Haffa: Das sehe ich nicht so. Der Kaufpreis für Henson beträgt 680 Mill. Dollar. Daran ist nicht zu rütteln. Die Hälfte des Preises bezahlen wir in Aktien. Und zu dem Zeitpunkt, an dem wir den Deal gemacht haben, betrug der 100-Tage-Durchschnittskurs eben 56 Euro. Dass die Hensons im Moment damit ein besseres Geschäft gemacht haben, ist doch klar - schön für sie.
BZ: EM.TV besitzt nach dem Deal mit der Kirch-Gruppe vor gut einem Jahr mit Junior eine eigene Dachmarke für Kinder- und Jugendprogramme. Öffnet sich jetzt die Tür, um über die Henson-Vertriebswege Junior als weltweite Brand etablieren zu können?
Haffa: Es ist noch nicht endgültig entschieden, wie wir die Marken zusammenführen. Klar ist aber, dass wir dies tun werden, um etwa Junior hoffentlich erfolgreich in die USA lancieren zu können. Unser Zeitplan sieht so aus: Bis Ende dieses Jahres werden wir die Junior/Henson-Brand europaweit definitiv positioniert haben, indem wir überall Senderflächen haben, entweder in Form eigener TV-Kanäle oder in Form von Fenstern auf bestehenden Sendern. In den USA gehe ich davon aus, dass Junior über Hensons Beteiligung am Kabelkanal Odyssey noch in diesem Jahr Präsenz gewinnen wird. In Asien braucht es vielleicht noch etwas Zeit. Aber 2001 stehen wir weltweit.
BZ: Sind Sie beim Thema Zukäufe nach der Akquisition von Henson zunächst gesättigt?
Haffa: Das glaube ich nicht. Unsere Strategie ist klar: Wir sind davon überzeugt, dass in unserem Geschäft in der Zukunft die Marke entscheidend sein wird, egal ob im Free-TV, Pay-TV oder Internet. Natürlich muss die Marke mit Inhalt unterlegt sein. EM.TV ist einer der größten Content-Provider der Welt mit einem Kinder- und Jugendprogrammportfolio von über 30000 halben Stunden und mit einer Library von 11000 Stunden Realprogramm, wenn man die Bestände unserer Beteiligung Tele München Gruppe dazurechnet. Jetzt müssen wir uns Marken beschaffen. Wenn sich eine gute Möglichkeit dafür bietet, dann muss man diese ergreifen, genauso wie wir die Chance, Henson zu kaufen, ergreifen mussten - zumal, wenn man in der glücklichen Situation ist wie wir, sich das leisten zu können.
BZ: Der Kapitalmarkt hat ihre externe Expansion bisher immer brav bezahlt. Aber ist nicht langsam der Punkt erreicht, an dem sich das Unternehmen dennoch ein wenig übernimmt, etwa von der Management-Kapazität her?
Haffa: Alle Akquisitionen, die wir getätigt haben, laufen recht reibungslos, weil es sich bei allen um von Unternehmerpersönlichkeiten geprägte Firmen handelt. Diese führen die Unternehmen,die sie aufgebaut haben, nach wie vor und zumeist besser als früher. Insofern gibt es hier kein Problem. Bei Henson haben wir allerdings die Aufgabe vor uns, die Integration zwischen dieser Firma und EM.TV zu vollziehen. Deshalb werden wir einer weltweit führenden Unternehmensberatung das Mandat geben, uns bei diesem Vorhaben zu helfen.
BZ: Henson wird ja bereits als Börsenkandidat gehandelt. Sie selbst haben immer wieder EM.TV-Beteiligungen für Spin-offs ins Spiel gebracht. Gibt es konkrete Pläne, oder haben Sie nur ein paar Luftballons steigen lassen?
Haffa: Das ist sehr konkret. Mit der Erfahrung, die wir am Kapitalmarkt haben, bieten sich solche Schritte doch an. Die Talit Productions, an der wir 50% halten, wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch im ersten Halbjahr in Israel an die Börse gehen. Und auch Junior Toys, die frühere Igel Spielzeug GmbH, wird wohl noch in diesem Jahr kommen. Die Jim Henson Company ist ein potenzieller Kandidat in Amerika für ein Listing an der Nasdaq. Und wir arbeiten an der Zusammenführung unserer Produktionskapazitäten, die separat gelistet werden könnten.
BZ: Welche Beteiligungen an Produktionsfirmen sollen genau gebündelt werden?
Haffa: Zum Beispiel die Yoram Gross Film Studios in Australien, die TFC Trickcompany in Hamburg, die HaffaDiebold Film + TV Produktion und die Studios von Henson in Los Angeles und London.
BZ: Und was ist mit der Tele München Gruppe?
Haffa: Die ist natürlich auch ein potenzieller Kandidat, wobei hier noch keine Entscheidung getroffen wurde und die Gruppe sicher nicht der nächstliegende Kandidat für die Börse ist.
BZ: Ist ein Going Public mit Mehrheitseigentümer Herbert Kloiber denn zu machen? Er hat doch stets betont, mit dem ganzen Börsen-Firlefanz nichts zu tun haben zu wollen.
Haffa: Dafür hat er ja uns.
BZ: Dennoch: EM.TV müsste wohl zuvor die 45%-Beteiligung an der Tele München auf eine Mehrheit aufstocken. Wann kommt der zweite Schritt?
Haffa: Der ist wirklich im Moment nicht geplant. Wir fühlen uns sauwohl mit dem Herbert Kloiber. Ich sehe keine Notwendigkeit für einen zweiten Schritt.
BZ: Zum Thema Formel 1 haben Sie zuletzt geschwiegen. Sprechen Sie denn noch mit Bernie Ecclestone über den Einstieg bei seiner Vermarktungsfirma Formula One Administration?
Haffa: Kein Kommentar dazu.
BZ: Wollen Sie denn grundsätzlich ihr Engagement bei Sportrechten ausweiten?
Haffa: Unsere Unternehmensphilosophie lautet, dass wir uns als Brücke zwischen Medien auf der einen Seite sowie Industrie und Handel auf der anderen Seite sehen. In diesem Sinne vermarkten wir etwa ein Ereignis wie die Snowboard-WM: EM.TV verkauft die TV-Rechte, sucht Sponsoren und macht das Merchandising. Das ist eine Sportart, die jung und modern ist und zu uns passt.Wenn wir Ähnliches finden, dann sollten wir diesen Weg fortsetzen. Aber ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass wir uns an der Schlacht um Fußballrechte beteiligen. Das Gleiche gilt für Tennis.
BZ: Auf der Hauptversammlung im Dezember wurde en passant von einem bevorstehenden Treffen zwischen Ihnen und Bill Gates berichtet. Was haben Sie denn mit dem bisherigen Microsoft-Chef besprochen?
Haffa: Ich habe mich bisher mit ihm nicht getroffen. Wir reden natürlich mit Gott und der Welt,auch mit Microsoft.
BZ: Brauchen Sie einen Partner aus der PC-Welt, um das Internet-Geschäft abdecken zu können ?
Haffa: Wir haben unser Internet-Konzept fertig. Wir wollen unter der Marke Junior/Henson eine eigene Welt für Kinder und Jugendliche schaffen, in der sie alles finden, was sie interessiert: vom Content, also Filmen, über das E-Commerce, den Verkauf von Produkten, bis hin zu allgemeinen Informationen, die für die Kids von Belang sind. Die Entscheidung, die wir nun zu treffen haben,ist: Machen wir es alleine oder in Kooperation mit jemandem? Innerhalb von sechs Monaten wollen wir mit dem Internet-Geschäft starten.
BZ: Und ein möglicher Kooperationspartner wäre Microsoft?
Haffa: Dazu will ich mich nicht äußern. Aber klar ist, dass wir durch den Henson-Deal eine Stufe attraktiver geworden sind.
BZ: Herr Haffa, die EM.TV-Aktie steigt unaufhörlich weiter. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens beträgt mittlerweile über 27 Mrd. DM. Sind Sie nicht reif für den Dax?
Haffa: Wir sind in dieser Frage sehr wankelmütig. Erstens brauchen wir dafür die Deutsche Börse AG, und die hat uns bisher nicht gefragt. Zweitens fühlen wir uns wohl am Neuen Markt. Schauen Sie sich Microsoft an: Die sind immer noch an der Nasdaq und fahren nicht schlecht damit. Wir haben aber alle Voraussetzungen, um in den Dax aufgenommen zu werden. Wenn wir angesprochen werden, werden wir dies ernsthaft diskutieren.
(Das Gespräch führte Frank Elsner)
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